Ingolstadt
Wenn einer eine Reise tut

Stadtgeflüster

16.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

(tsk) Wozu sollen wir im Sommer die Stadtgrenze verlassen? Wir haben hier doch alles.

An manchen Tagen ist es so heiß, dass wir bei Sonnenaufgang zum Baggersee oder zum Schafirrsee laufen könnten, um uns mit unseren Handtüchern für später einen optimalen Platz zu reservieren. Selfies können wir auch da machen und in sozialen Netzwerken posten. Wir haben in praktisch jedem Stadtteil mindestens einen Italiener, der mit uns auch mehr Italienisch spricht als der im Urlaub. Und Gelato gibt es auch an allen Ecken – sogar ziemlich gutes, wenn auch nicht immer von Italienern gemacht. Außerdem wissen wir alle, dass man das im Ausland mit dem Brot einfach nicht hinbekommt. Wir müssen auch nicht darüber reden, was sich ausländische Hotelbesitzer, Pensionsbetreiber oder Supermärkte unter Müsli vorstellen. Die Hundebesitzer unter Ihnen kennen sicher Frolic. Unwiderstehlich.

Und den Reisestress haben wir noch gar nicht erwähnt. Beim jüngsten Flug mit dem Billigflieger, der da noch nicht insolvent war, wurden wir das Gefühl nicht los, man hätte seit dem vorherigen Flug noch zehn zusätzliche Reihen eingezogen, sodass die zugegebenermaßen sehr langen Beine nun Froschschenkeln gleichend weit zum Partnersitz hinüber und in den Gang hinein ragten und regelmäßig vom Wagen des Bordpersonals gerammt wurden. „Entschuldigung, könnten Sie bitte kurz Ihre Beine da wegnehmen?“ Wohin denn bitteschön?

Immerhin gab es diesmal mit den Pässen kein Problem. Wir erinnern uns da an eine Flugreise vor einigen Jahren: „Schatz, wir müssen jetzt wirklich los – hast du alles?“ – „Ja.“ – „Geld?“ – „Ja.“ – „Kreditkarte?“– „Ja.“ – „Handy?“ – Ja.“ – „Deinen Reisepass?“ – „Herrgott, ja!“ Müßig zu sagen, dass am Flughafen dann tatsächlich ein Reisepass fehlte – welcher, darüber breiten wir den Mantel des Schweigens. Mit viel Wohlwollen des Personals und etwas Glück gelangten wir jedenfalls doch noch an Bord unseres Flugzeugs.

Warum wir das alles trotzdem jedes Jahr wieder mitmachen? Weil wir das Reisen doch lieben. Und das Ankommen. Weil wir natürlich nicht jedes Jahr nur denselben Ort bereisen. Und weil es auch einmal angenehm ist, dass das dreckige Geschirr und die schmutzigen Tapser auf dem Fußboden jemandes anderen Probleme sind.