Neuburg
Wenn die Erinnerung trügt

Bei der Entscheidung um die Gelbe Tonne zeigte sich die CSU-Fraktion gespalten und als Mehrheitsbeschaffer

11.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:19 Uhr

Weichenstellung: In der Kreistagssitzung am 15. März 2012 stimmte die Mehrheit der Mandatsträger für die Einführung der Gelben Tonne. Während CSU-Fraktionschef Bernhard Gmehling (l.) ein Plädoyer für das bestehende System hielt, bangte Landrat Roland Weigert (Mitte) mit Hochspannung um seine Mehrheit. Arch - foto: Frank

Neuburg (DK) Für seine Wahlkampfaussage, die Einführung der Gelben Tonne sei „ein Erfolg der CSU-Kreistagsfraktion“, hat Roland Gaßner aus Aresing, Landratskandidat der Union, viel Aufmerksamkeit bekommen. Doch die Erinnerung kann trügerisch sein, zumal wenn man wie Gaßner gar nicht dabei war.

Als die umstrittene Tonne in der Kreistagssitzung im Haus im Moos zur Entscheidung stand, entschied man sich zu einer namentlichen Abstimmung, die, der Bürokratie sei Dank, im Protokoll festgehalten wurde. In nebenstehendem Artikel ist nachzulesen, dass die knappe Mehrheit der CSU-Fraktion gegen die Einführung dieses Systems gestimmt hat und wer das war. Kreisräte wie der Neuburger Oberbürgermeister Bernhard Gmehling plädierten für das alte Wertstoffhofsystem, weil es ihnen besser, nachhaltiger und ökologischer erschien. Auf der Gegenseite keimte der Verdacht, hier solle ein Erfolg des Landrates schon in der Startphase ausgebremst werden. Die Befürworter der Tonne, allen voran Landrat Roland Weigert (FW,) wollten dem Bürger mehr Service bieten, und das, obwohl eine hauchdünne Mehrheit der befragten Neuburg-Schrobenhausener das alte System gerne behalten hätten.

Gmehling versuchte eingangs der Sitzung durch Überzeugungsarbeit das Ruder in der eigenen Fraktion noch herumzureißen, vergebens. Unionsvertreter wie Michael Schmidl hatten sich schon weit vor diesem Termin für die Gelbe Tonne ausgesprochen. Zu Zeiten, als Richard Keßler (CSU) noch Landrat war, sei er dafür im Werkausschuss niedergefaucht worden, erinnert sich Schmidl. Später hätten sich die Parteifreunde Jakob Bitscher, Alois Rauscher, Ernst Hammer und Thomas Mack auf seine Seite gestellt. „Ich habe mit Engelszungen geworben“, erinnert sich der Landwirt aus der Gemeinde Brunnen. Dass er quasi Schulter an Schulter mit Roland Weigert die Gelbe Tonne angeschoben hat, dafür sei er, Schmidl, in den eigenen Reihen bestraft worden. Inzwischen hat er seinen Austritt aus der Fraktion erklärt. Der Partei bleibt er aber treu. Und als einer der Geburtshelfer des gelben Behälters darf er sich auch sehen.

Die Initialzündung, das bestehende Abfallsystem zu ändern, kam aber nicht von politischer Seite. Es war die Bürgerinitiative Müllini mit dem Arzt Alexander Hatz an der Spitze, die die Fahrten zu den Wertstoffhöfen gründlich satt hatte und ein anderes System wollte. Das war schon zu Zeiten Richard Keßlers. Der räumte dem Müllini-Anliegen nicht gerade höchste Priorität ein und hoffte auf die erprobten Kräfte des Aussitzens. Als Keßler dann in Ruhestand ging und frische Landratskandidaten am Start waren, machten Hatz und Co. Druck. Sie wollten eine Positionierung der Bewerber. Weigert erkannte Chance und Brisanz des Themas gleichermaßen und versicherte, unter ihm als Landrat werde die Müllproblematik Chefsache. Ein großes Versprechen.

Es folgte die Bürgerbefragung mit einer fantastischen Rücklaufquote von 58 Prozent der Fragebögen. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten war die Umfrage kein Meisterwerk und deren Aussagewert eher indifferent. Pro und contra Abfallsystem hielt sich das Ergebnis in etwa die Waage.

Wie ging es weiter? Im Jahr 2009 wurde das Müllforum gegründet. Als Moderator trat der inzwischen verstorbene Rudolf Rothe gemeinsam mit dem heutigen Abteilungsleiter im Landratsamt, Willi Riß, auf. Zwischen Juli 2009 und Februar 2012 wurden 18 Sitzungen in den Arbeitskreisen abgehalten, sieben Informationsveranstaltungen rundeten das Angebot ab. Die Teilnahme stand jedem Bürger offen. Zwischen 29 und 73 Teilnehmer kamen jeweils. Ganze Aktenordner füllten Themen und Ergebnisse des Forums. Dieser durchaus engagierte Kreis von Bürgern und wenigen Mandatsträgern wurde von den meisten Kreisräten mit Abstand und Interesse beobachtet. Anfangs lehnten die meisten Kreisräte eine Änderung des Abfallsystems schlichtweg ab.

Auf dem langen Weg von der akribischen Wertstofftrennung hin zur Gelben Tonne, wurde der transparente Sack zur Wertstofferfassung im Bringsystem die Konsenslösung. Eine Kröte, die vermutlich auch die Sozialdemokraten geschluckt hätten. Aber dann kam alles ganz anders. „Es war ein Glücksfall für uns“, erinnert sich Willi Riß. Nach der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes machte das Duale System Deutschland (DSD) dem Landkreis das Angebot, die Gelbe Tonne einzuführen – was zuvor vom DSD abgelehnt worden war. Die vermeintlich gute Tat kam nicht von ungefähr. Über die Gelbe Tonne erhoffte sich das DSD, auch an lukrative Wertstoffe wie Aluminium zu kommen. Damit war die Sache gelaufen. Die Freien Wähler popagierten das neue System, Grüne und SPD lehnten es ab, die FDP befürwortete es. Die CSU tat sich schwer, weil sie plötzlich in zwei Flügel zerrissen war. Wenn Kreisvorsitzender Alfred Lengler heute behauptet, er habe die Abstimmung in der Unionsfraktion freitgegeben, dann trügt auch ihn die Erinnerung. Erstens gehört Lengler dem Kreistag nicht an, zweitens gibt es zumindest der reinen Lehre nach kein imperatives Mandat, was Freigabe oder Sperre einer Abstimmung ermöglichen würde, und drittens ist es die Aufgabe des Fraktionschefs, wenn möglich eine einheitliche Meinung in seinen Reihen herbeizuführen. „Das gelingt nicht immer“, räumt Bernhard Gmehling ein. So auch an jenem 15. März 2012 im Haus im Moos.