Beilngries
Wenn aus Erlebnissen spannende Geschichten werden

Autor Harald Grill berichtet an Gymnasium und Realschule von der Kunst der Reisereportagen

21.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Beilngries (plz) Die jährlich in Zusammenarbeit von Altmühltal-Realschule und Gymnasium Beilngries organisierte Autorenlesung hat heuer die Reisereportage in den Mittelpunkt gestellt. Gerne begrüßte man Harald Grill (Foto), der sich in seinem neuen Buch Südosteuropa zuwenden wird.

Bei Reisereportagen braucht es einen Schriftsteller, der die Gratwanderung beherrscht, Information und Kunst verschmelzen zu lassen. Harald Grill, der Europa schon zwischen Syrakus und Nordkap zu Fuß durchmessen hat, wendet sich in seinem im Herbst erscheinenden Buch "Hinter drei Sonnenaufgängen eine andere Welt" Südosteuropa zu. Mehr erzählend als lesend begann er in Beilngries, den Mädchen und Buben der zehnten Jahrgangsstufe ein Mosaik aus Bildern und Eindrücken zusammenzusetzen. Die Veranstaltung wurde vom Friedrich-Bödecker-Kreis mitfinanziert. "Ich kann mir nichts darunter vorstellen, also fahre ich hin." Das war der Satz von Grill, der die Schüler am Gymnasium und an der Altmühltal-Realschule wohl am meisten beeindruckt hat. Grill, der gebürtige Niederbayer, jetzt wohnhaft im Landkreis Cham, bereiste Südosteuropa mit seinen Landschaften an der Theiß, an der schnellen Kreisch, am langsamen Miresch und natürlich an der Donau, die an ihrer Mündung ein Delta schafft, das nicht kartierbar ist und sich so einem technokratischen Zugriff entzieht. Was ihm gefällt auf dem Balkan, ist das Unfertige, dass es noch offene Entwicklungsmöglichkeiten gibt, in Ländern, wo es das Normalste von der Welt ist, dass der mittelalterlich anmutende Pferdewagen und High-Tech-Firmen des 21. Jahrhunderts nebeneinander existieren.

Die Menschen interessieren ihn, obwohl er keine der Sprachen Südosteuropas beherrscht. Doch in den historischen Landschaften Rumäniens und Bulgariens - Siebenbürgen, Banat und Dobrudscha - begegnet er den wenigen verbliebenen Deutschsprechenden.

Ob der alte Ford, dessen Servolenkung eine Reparatur bräuchte und dessen Zahnriemen gemacht werden müsste, die Reise übersteht, weiß Grill nicht, als er aufbricht. Gegen alle Warnungen stürzt er sich aber in die Reise. Und tatsächlich: Alle Vorurteile bezüglich der anderen Kulturen waren unnötig.

Den Schülern zeigte er nun die historischen Landschaften, die innerhalb alter und über neue Staatsgrenzen hinweg gewachsen waren, und deren Entwicklung durch die politischen Umwälzungen seit dem Ende des Kommunismus von ihrer alten Dynamik ergriffen wurde. Grill vermittelte den Eindruck, dass die Menschen unterschiedlicher Sprache, Kultur und Religion eine Gemeinsamkeit entwickelt haben, die es ermöglicht, dass Adrian, ein rumänischer Bewohner eines Dorfes im Banat, mit Stolz die Gedenktafel am Geburtshaus der Literatur-Nobelpreis-Trägerin Herta Müller zeigt. Mit Händen und Füßen - oder auf Bairisch - verständigt sich Grill bei seiner Reise mit den Gesprächspartnern. "I hätt gern a Händ voll Paprika." Adrian redet unermüdlich auf den Gast aus Deutschland ein, wohl wissend, dass dieser ihn nicht versteht.

Grill mahnt seine Zuhörer in Beilngries: Ohne die Kenntnis der Sprachen anderer Völker kann es keine Verständigung geben. Und als Beispiel dient ihm ein Pfarrer aus Temeschwar, der in sieben Sprachen Menschen tröstet, beerdigt, traut, tauft und von ihren Sünden losspricht.

Auch bei einem Abstecher nach Odessa begegnet er jemandem, der Deutsch beherrscht. Doch der Geheimdienstmitarbeiter soll den Reisenden befragen. Die Ukraine zeigt sich als ein Land im Zustand des Krieges, als ein Land, wo die Waffen sprechen, so der Autor. ‹ŒFoto: Platzer