Wenn alles zu viel wird

25.04.2007 | Stand 03.12.2020, 6:49 Uhr

Das Gefühl "Ich bin völlig ausgebrannt" hat dem Phänomen seinen englischen Namen gegeben: Burnout. Vor allem Führungskräfte und in sozialen Berufen Beschäftigte gelten als klassische Burnout-Patienten. Treffen können die Beschwerden aber eigentlich jeden – sie sind allerdings nicht immer leicht einzuordnen.

Eine Krankheit im engeren Sinn sei das Burnout-Syndrom gar nicht, sagt Klaus Gresser, Leitender Oberarzt der Oberbergklinik Berlin Brandenburg in Wendisch Rietz. Dazu seien die Symptome zu vielfältig. "In den Kliniken sehen wir das meist dann, wenn es zu anderen Krankheiten gekommen ist – zu Erschöpfungsdepressionen oder einer Sucht, etwa Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit."

Das Phänomen Burnout ist schwer zu fassen, und es ist nicht genau definiert. Viele Symptome können darunter fallen. Das Problem sei, dass unter dem Begriff Burnout sowohl eine Entwicklung als auch der Endzustand verstanden werden, sagt der Burnout-Experte Matthias Burisch von der Uni Hamburg. "Der Endzustand ist nicht mehr von einer Depression zu unterscheiden." Er sei gekennzeichnet durch Verzweiflung und Selbstmordgedanken. Der Weg bis dahin ist jedoch lang – und mit vielen Warnhinweisen gepflastert: Burisch hat mehr als 130 Burnout-Symptome gezählt. Sie reichen von Hyperaktivität, Überdruss und Verlust von Idealismus bis hin zu Dienst nach Vorschrift, psychosomatischen Reaktionen und "existenzieller Verzweiflung".

Ein häufig im Zusammenhang mit dem Thema Burnout zu lesender Satz lautet: "Ausbrennen kann nur, wer auch (für eine Sache) gebrannt hat." Unterstützung findet diese These bei Management-Coach Bernhard Juchniewicz aus Düsseldorf, Präsident der European Coaching Association (ECA): "Sie können Burnout nicht bekommen, wenn sie nicht vorher eine Workaholic-Phase durchlebt haben." Meist treffe es daher die ehrgeizigen Karrieristen und die besonders sozial Engagierten, die "sich selbst opfern, um einem neurotischen Ziel gerecht zu werden". Zur letzten Gruppe gehören häufig Lehrer.

Schuldlos unter Druck

Matthias Burisch stellt den Ehrgeizigen und Engagierten, die er "Selbstverbrenner" nennt, noch eine weitere Gruppe von Burnout-Betroffenen gegenüber: Das sind Menschen, die ohne eigenes Zutun in eine Zwickmühle geraten sind – und daran verzweifeln: Familienväter zum Beispiel, die ihren Job verloren haben, keine neue Arbeit finden und das Haus noch bezahlen müssen. Die "Selbstverbrennern", die sich ihre Falle selbst gezimmert haben, sind da in einer besseren Position: Ihnen kann ein Psychologe helfen – je früher, desto einfacher.

"Wenn Sie zu viel Zeit brauchen, um sich wieder zu regenerieren, dann stimmt was im Beruf nicht", sagt Bernhard Juchniewicz. Der Coach rät, die Lebensziele neu zu definieren: "Sie müssen lernen, welche Arbeit, welches Umfeld, welche Menschen Ihnen gut tun." Es komme auf eine gleichgewichtige Verteilung von Arbeit und Freizeit an, neudeutsch formuliert: auf eine gute Work-Life-Balance. "Sie haben mit Ihrer Lebensenergie liebevoll, sinnvoll und weise umzugehen. Da kommen Sie nicht dran vorbei, ob es Ihnen gefällt oder nicht."

Matthias Burisch zufolge kommt es darauf an, die "kleinen Antreiber", die vielen Menschen in der Kindheit eingepflanzt wurden, zu entschärfen: Lebensregeln wie "Sei perfekt!", "Sei stark!", "Streng Dich an!", "Mach es den anderen recht" und "Beeil Dich, trödel nicht!". Solche Sprüche sind langlebig: "Irgendeinen von denen hat eigentlich jeder, der in den vergangenen 20 Jahren zu mir gekommen ist, mit sich herumgetragen."

Burisch rät, "Gegengifte" zu formulieren: Ich darf mir Zeit lassen. Ich darf Gefühle zeigen, also anzeigen, was in mir vorgeht. Ich muss nicht alles perfekt machen, nur da wo es wichtig ist. Zur Erinnerung sollten diese neuen Leitsätze sichtbar aufgehängt werden – als Wegweiser in eine neue Richtung: "Sie werden sehen, mit jedem Schritt vorwärts wird das Leben leichter."

Literatur: Matthias Burisch, Das Burnout-Syndrom, Springer, 27,95 Euro. ?gms