stadtgeflüster
Wendler oder Gstanzlsänger?

15.07.2020 | Stand 02.12.2020, 10:58 Uhr

In Zeiten wie diesen setzen nach wie vor viele Menschen auf das Internet, um ihr Geschäft am Laufen zu halten.

Dazu zählen natürlich die Künstler - insbesondere dann, wenn sie nicht Sido heißen und Hunderte Autos am Ingolstädter Volksfestplatz zum Hupen bringen können. Schwere Zeiten, findet auch der Hepberger Musiker Roland Woitsch. Weil er zusammen mit seinen Göltnschmierern den Durchbruch freilich längst geschafft hat - inklusive Tourneen bis nach China und umjubelten Auftritten beim Musikantenstadl -, will er nun dem künstlerischen Nachwuchs eine Chance bieten, wenigstens online den Kontakt zu seinen Fans aufrecht zu erhalten. Deshalb organisiert Woitsch am Freitagabend einen Livestream (Ankündigung auf Seite 26), in dem auf seinem YouTube-Kanal (www. youtube. com/user/woitsche79) unter anderem die Oberdollinger Dorfmädls oder die Original Kaskrainer aus dem schönen Altmühltal auf einer Bühne zu sehen sein werden.

Weil Woitsch diesen Livestream nun schon zum dritten Mal anbietet und weitere in Planung sind, wollten wir uns kürzlich die beiden ersten Auflagen zu Gemüte führen. Wir suchten auf YouTube gemäß des Linknamens also nach "Woitsche 79" und klickten uns erst einmal durch die angezeigten Videos des Musikers, seiner politischen Gruppierung FHB und der Göltnschmierer. Ein bisschen Kabarett kann schließlich nicht schaden!

Bei der Rubrik "Passend zu deiner Suche", unter der themenverwandte Videos beworben werden, wurden wir dann aber stutzig. Da waren ein paar Werke zu sehen, die sicherlich nicht aus Woitschs Feder stammen und die Frage aufwerfen, wie der YouTube-Algorithmus eigentlich funktioniert. Wir sind uns nämlich fast sicher, dass Michael Wendlers Schlagersong "Egal" dem Roland Woitsch auch wirklich egal ist. Und so sehr wir die "Amazing Grace"-Version des Hepbergers mögen, glauben wir doch nicht, dass Woitsch das Video "Sing mit dem Bibel-TV" braucht, um seine eigene Karriere voranzutreiben. Das Übungsvideo für einen "Hochzeitstanz mal anders" allerdings können wir uns schon eher in Woitschs Repertoire vorstellen - schließlich ist er auch als Hochzeitslader unterwegs, um allen Brautpaaren viele Kinder zu wünschen.

Das Internet kann also Fluch (Vergleich mit dem Wendler) und Segen (Anreize für Hochzeitsgstanzl) zugleich sein, wenn es darum geht, die eigene Kunst zu bewerben. Der Livestream ist aber sicher eine schöne Möglichkeit, den bislang als verregnet angekündigten Freitagabend zu verbringen. Und wer weiß, vielleicht werden die Dorfmädls ja auf diesem Wege entdeckt und können sich vom Barbie-Image befreien, das YouTube ihnen über vorgeschlagene Videos mit der blonden Puppe bescheinigt.

tjs