stadtgeflüster
Weltverbesserer auf dem Parkplatz

17.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:37 Uhr

(DK) Es ist ganz schön was geboten am Nachmittag auf dem Parkplatz vor einem der unzähligen Supermärkte.

Alles sieht normal aus. Ältere Damen, die über den Zebrastreifen vor dem Ausgang wackeln, oder Jugendliche mit zig Büchsen Energy-Drinks bestückt, die fast einen Zusammenstoß mit einem der unfassbar teuren limousinen-ähnlichen Autos erleben.

Es gab ja schon immer wieder Ungewöhnlichkeiten auf Parkplätzen. Frauen mit Rollatoren, die sich einen Spaß daraus machen, vor herausfahrenden Autos stehen zu bleiben und dann lautstark das Schimpfen beginnen. Fahranfänger, die gerne Unfälle bauen, weil sie das eben einfach können. Das hat man alles schon einmal gesehen. Es scheint auch Menschen zu geben, die Gefallen daran finden, andere zu nerven. Sie lassen sich kurzerhand etwas einfallen, um ihren Mitbürgern entweder zu zeigen, wie schrecklich arm dran sie sind, wie furchtbar das Leben ist, oder sie geben ihnen das Gefühl, dass nur sie alles richtig machen und wegen ihrer intoleranten Umwelt gestraft sind, ein Leben voller Wut und Verachtung zu fristen. Für dieses Vorhaben gibt es verschiedenste Ansätze der Durchführung. Als Beispiel stehen die Rollatorfrau und der Führerscheinneuling.

Ein gewisses Maß an Nervenstärke beanspruchen auch die krampfhaften Verfechter der Gerechtigkeit. Zumindest sehen sie sich so. Sie begeben sich - selbstverständlich mit dem Auto - zu einem Supermarkt, oder einem großen Geschäft und stellen sich ohne Umschweife direkt neben einen Behindertenparkplatz. Manchmal kommt es aber auch vor, dass Leute, die einkaufen fahren, das Zeichen auf dem Boden, das diesen Parkplatz als Stellplatz für Behinderte ausweist, übersehen. Ganz ohne böse Absicht, man sieht es eben einfach nicht immer. Ahnungslos kommt also der Parkende zurück und zack! - das Opfer des Freizeit- Schulmeisters geht in die Falle. Ohne jede Vorwarnung schießt der auf den Sünder los und konfrontiert ihn mit seinem überragenden Fehlverhalten. Wohlgemerkt ist hier kein in irgendeiner Weise Behinderter beteiligt. Wer kann, nimmt das Ganze mit Humor, andere lassen es sich nicht gefallen, und wieder andere sind so perplex, dass sie gar nicht reagieren können. "Darf ich Sie fragen, warum Sie auf dem Behindertenparkplatz stehen? " - "Weil ich nicht wusste, dass das ein Parkplatz für Behinderte ist. " Denn der Anklagende stellt den oder die Unglückliche(n) vor allen anderen Parkern bloß und belehrt sie, obwohl sie einfach nur ein paar Chips kaufen wollte.

Nach dieser Tat, die die Welt ganz bestimmt verbessert hat, setzt sich der Verfechter der Gerechtigkeit zufrieden in sein Auto und fährt davon. Man hat zwar selber nichts davon, aber wenigstens fühlt dieser Mitbürger sich durch die maßgebliche Pflichterziehung anderer besser und man hat ihm, mehr oder weniger freiwillig, den Tag gerettet.

Amélie Steinwagner