Augsburg
Weltbild: Dramatischer Absturz

10.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:13 Uhr

 

Augsburg (DK) Innerhalb von nicht einmal drei Jahren ist der katholische Weltbildverlag in die Insolvenz gerauscht. Der Gang zum Insolvenzgericht ist der Schlusspunkt einer dramatischen Entwicklung. Auslöser für den Schritt sei der Umsatzrückgang im zweiten Halbjahr 2013 gewesen, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Hintergrund ist aber, dass die Eigentümer nicht bereit waren, zusätzliche Millionen in die Verlagsgruppe zu stecken, weil die Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung zuletzt dramatisch gesunken waren. Weltbild gehört zwölf der insgesamt 27 deutschen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

Dass Weltbild ein Sanierungsfall ist, steht allerdings seit etwas mehr als einem halben Jahr fest: Nach langen Jahren mit guten Gewinnen, meldete der Verlag Probleme. Für Beobachter kam das wenig überraschend: Der langjährige Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff hatte den Konzern lange auf einem durchaus erfolgreichen Wachstumskurs gehalten und zuletzt sogar als zweitgrößten Buchhändler etablierte. Als aber der Versandriese Amazon mehr und mehr auf den deutschen Markt drängte, fand er nicht schnell genug die richtige Strategie. Daran konnte auch das Engagement bei E-Readern nichts ändern.

Am Anfang des Niedergangs stand für die Öffentlichkeit der Erotik-Skandal im Jahr 2011: Als bekannt wurde, dass die katholische Verlagsgruppe auch esoterische Titel und erotische Literatur vertrieb, wandten sich zahlreiche Bischöfe von Weltbild ab. Als erster verlangte der Kölner Kardinal Joachim Meißner die Trennung: „Es geht nicht, dass wir in der Woche damit Geld verdienen, wogegen wir sonntags predigen“, sagte er. Allerdings beruhigte sich die Situation wieder etwas. Man könne die mehr als 6000 Mitarbeiter nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, hieß es aus Kirchenkreisen. Es wurden verschiedene Lösungen bis hin zu einer Stiftung diskutiert. Eine Einigung gab es jedoch nicht.

Im Sommer des vergangenen Jahres verdichteten sich dann die Hinweise auf eine Schieflage der Weltbild-Verlagsgruppe. Die Sanierungsspezialisten der Beratergesellschaft KPMG empfahlen eine verstärkte Hinwendung zum Onlinegeschäft und verordneten Personaleinsparungen. Wenig später wurde klar: Weltbild braucht 65 Millionen Euro für eine Sanierung. Zahlen sollten die Gesellschafter, die zudem auf ihre Einlagen verzichten müssten.

Zwar beharrten viele Bistümer auf ihrem Rückzug, stellten aber dennoch einen Verzicht auf ihre Einlagen und frisches Geld für die Sanierung in Aussicht. So sollten allein aus der Diözese Augburg 15 Millionen Euro fließen. Allerdings kündigte die Heimatdiözese des Weltbildverlages genauso wie Würzburg, Freiburg und Bamberg den Rückzug als Gesellschafter an.

Nur zwei bayerische Bistümer erklärten sich schließlich bereit, auch künftig Gesellschafter der Verlagsgruppe zu bleiben: München-Freising und Eichstätt. Drei Millionen Euro wollte allein die kleinste bayerische Diözese zuschießen. Das beschloss der Finanzausschuss in Eichstätt am 20. November 2013. Zwar mit Bauchschmerzen, „aber aus der Verantwortung für die Mitarbeiter heraus“, hieß es damals. Schließlich kamen insgesamt etwas mehr als 60 Millionen Euro für eine Sanierung zusammen. Als Voraussetzung sahen die Gesellschafter aber eine Neuordnung der Eigentümerstruktur. Erst wenn es entsprechende Verträge gebe, solle das Geld fließen.

In den vergangenen sieben Wochen haben sich die Ereignisse überschlagen: Weil auch das Weihnachtsgeschäft nach Angaben der Weltbild-Geschäftsführung schlechter lief, heißt es jetzt, für die Sanierung seien zwischen 135 und 160 Millionen Euro nötig – allein von Seiten der Gesellschafter. Zudem wurde bekannt, dass Weltbild wohl zusätzlich Kredite bei den Banken hätte aufnehmen müssen, um das laufende Geschäft zu finanzieren. Im Gespräch ist nach Informationen unserer Zeitung eine Summe von mindestens 30 Millionen Euro. Zudem kündigte die Geschäftsführung an, dass auch in den kommenden Jahren eher mit einem rückläufigen Umsatz zu rechnen sei.

Bei der Gesellschafterversammlung am Donnerstag kam es dann zum Schwur. Offenbar gelang es weder den Sanierern um KPMG noch den beteiligten Banken, den Gesellschaftern von Weltbild ein überzeugendes und schlüssiges Sanierungskonzept zu präsentieren. Es habe nicht einmal eine tragfähige Aufstellung der flüssigen Gelder gegeben, heißt es. Zudem habe die Geschäftsführung die Frage nach dem Grund für die plötzliche Verdoppelung des Sanierungsbedarf nicht beantworten können. Außerdem zeichnete sich ab, dass Weltbild trotz der 130 bis 160 Millionen Euro frischen Geldes, das die Gesellschafter zuschießen sollten, am Ende der Sanierungsphase Schulden von bis zu 195 Millionen Euro angehäuft haben würde. Zudem sei nicht klar, ob eine Sanierung überhaupt Erfolg haben würde, hieß es plötzlich. Zuvor hatte es immer geheißen, Weltbild sei selbstverständlich sanierungsfähig.

Vor diesem Hintergrund fiel schließlich die Entscheidung von Seiten der Gesellschafter, keine zusätzlichen Mittel mehr in den Verlag zu stecken. Das ist bitter für die mehr als 6000 Mitarbeiter. Allerdings ist rund die Hälfte von ihnen bei der Tochter DBH angestellt, die die klassischen Buchläden betreibt. DBH gehört zu gleichen Teilen Weltbild und der Buchhändlerfamilie Hugendubel. Die DBH ist von der Insolvenz nicht betroffen.

Der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) hat für diesen Samstag bereits einen Runden Tisch einberufen, auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will nach Augsburg kommen, um das Thema anzusprechen. Dennoch gehen die Weltbild-Leute in eine ungewisse Zukunft. Allerdings haben die Gesellschafter inzwischen angekündigt, dass die rund 60 Millionen Euro, die sie ursprünglich in die Sanierung stecken wollten, letztlich den Mitarbeitern zufließen sollen. Das kündigte am Freitagabend zumindest Weltbild-Aufsichtsratschef Peter Beer an. Der gebürtige Kelheimer ist Generalvikar der Diözese München-Freising und damit rechte Hand von Kardinal Reinhard Marx.