Wellness-Wahnsinn auf der Bühne

22.04.2008 | Stand 03.12.2020, 5:58 Uhr

Boten eine unterhaltsame Aufführung am GG (von links): Thomas Boretzki, Julia Raba, Lisa Mayinger, Corinna Kümmelmann und Susanne Kerl. - Foto: buk

Eichstätt (buk) Hatte man es in Molières Komödie "Der eingebildete Kranke" (von 1673) noch mit einem ganz herkömmlichen Hypochonder zu tun, so muss man mehr als 300 Jahre später mit anderen Kalibern aufwarten: Fitness-Freaks und Wellness-Wahnsinnige tummelten sich auf der GG-Bühne.

Der Grundkurs Dramatisches Gestalten des Gabrieli-Gymnasiums bot bei zwei Aufführungen unter der Leitung von Norbert Knabl mit dem Titel "forever young" ihre eigene Version des Stoffes. Insgesamt rund 600 Besucher sparten nicht mit Applaus.

Aus dem männlichen Protagonisten wurde im Jahr 2008 die Gesundheitsfanatikerin Arabella (beeindruckend die Bühnenpräsenz von Susanne Kerl in der Titelrolle), aus dem Arzt Monsieur Diafoirus die Fitness-Päpstin Dr. Dora Diaphragma (überzeugend mondän-modisch und "hohl" zugleich: Lisa Mayinger), aus der Dienerin Toinette das Hausmädchen Toni: In dieser Rolle erhält vor allem die kokett-kecke und überaus quirlige Corinna Kümmelmann aufgrund ihres schnippischen Wesens vielfach Szenenapplaus.

Der Plot bleibt, wenn auch mit gewandeltem Personal, nahe am französischen Original: Die reiche Hypochondrin Arabella befindet sich fest in den Händen einer Fitness- und Gesundheitsmafia, die Arabella ausbeutet: Dazu zählen die Fitness-Trainerin Tina (agil: Andrea Baumann) sowie deren Verwandte Dr. Dora Diaphragma und deren "mental schwerfälliger" begriffsstutzig-stupider Sohn, der Weiberheld Thomas (Simon Boretzki), bei dessen "Einzug" – zur Henry-Maske-Fanfare – die Teenies hysterisch kreischen (als Statisterie: eine lautstarke Mädchenriege der Klasse 7b), ebenso die reizbare Apothekerin Frau Blume (Anna Lutz). Ausgebeutet wird Arabella aber auch von ihrem zweiten Mann Robert (Johannes Fieger), einem Erbschleicher, der prompt die Notarin Frau Guttreu (Mareike Schwemin) ins Nebenzimmer bestellt hatte, um Arabella ein Testament zu seinen Gunsten anfertigen zu lassen.

Arabella möchte ihre ältere Tochter Angelika (liebreizend: Lisa Werner) mit dem dümmlichen Thomas verheiraten, um Zugang ins Innere des Fitness-Imperiums zu erhalten, doch Angelika hat sich schon in den DJ Clemens (in der Rolle als Liebhaber ein "Softie": Andreas Böhm) verliebt, der sich als Musiklehrer getarnt Zugang zur Familie verschafft – während wiederum Arabellas jüngere Tochter Luise (Julia Raba) den Playboy-Reizen des avisierten Bräutigams ihrer Schwester gern erliegen würde. Aber auch das gute Zureden von Arabellas Schwester Berta (Annika Friedel) kann dieser die drohende Verheiratung ihrer Ältesten nicht ausreden – das schaffen erst ein Auftritt der Fitness-Lehrerin Frau Gomez (Gastschülerin Estefania Gomez aus Ecuador) und eine Intrige des Hausmädchens Toni.

Diese Version der klassischen Komödie wird nicht zuletzt durch sprachliche Einfälle zu einer originellen Eigenproduktion: Man staunt darüber, was es nicht alles an gesundheitlichen Schäden gibt, vor denen man sich fürchten kann: Arthrose, Osteoporose, Arteriosklerose und Thrombozytenaggregation – bei einem echten Hypochonder gehören solche Vokabeln wohl zum Grundwortschatz wie die drohende "Blutlosigkeit, Lustlosigkeit, Bewusstlosigkeit", vor der die Fitness-Trainerin warnt, wenn ihre Anordnungen nicht befolgt werden. Wortwitz findet sich auch in Sentenzen wie jener Arabellas über ihre zu verheiratende Tochter: "Ich will, dass sie hält, was ich versprochen habe...!" Für "Action" sorgen flotte Tanzeinlagen ("Stayin’ Alive") zu Beginn und am Ende der Aufführungen, zu deren Gelingen neben Schauspielern und Spielleiter auch das bewährte GG-Technik-Team beitrug.