Neuburg
Welches Schweinderl hätten S’ denn gern?

30.12.2010 | Stand 03.12.2020, 3:18 Uhr

Das Formen des Rüssels ist der erste Schritt zum rosigen Glücksbringer: Konditormeister Alexander Gerstner stellt seine Marzipanschweinchen noch in Handarbeit her. - Foto: Stengel

Neuburg (DK) Schon in uralten Zeiten galt das Schwein als Symbol für Wohlstand, Reichtum und Glück. Zu Silvester haben die rosigen Rüsseltiere Hochkonjunktur. Der Neuburger Konditormeister Alexander Gerstner ist einer der wenigen, der die putzigen Ferkel noch in Handarbeit herstellt.

"500 bis 700 Stück zwischen Heiligabend und Silvester", schätzt der 41-Jährige, der mit der Marzipanschwein-Manufaktur die Tradition, die sein Großvater Ignaz Gerstner 1928 in Neuburg ins Leben rief, bereits in der dritten Generation fortführt. Zwar beinhaltet sein Sortiment auch zugekaufte Glücksbringer – der größeren Auswahl wegen – doch ist das Original-Gerstner-Schwein aus feinstem Lübecker Marzipan in der rosafarbenen Herde leicht zu identifizieren.

Denn an die alte Arbeitsanleitung seines Opas hält sich Alexander Gerstner noch immer haargenau, wenn er zusammen mit seinem Vater Manfred (79) in der Backstube im Keller der Café-Konditorei an der Luitpoldstraße mit der Produktion beginnt. Die beiden sind ein eingespieltes Team: "In eineinhalb Stunden schaffen wir beide so um die 100 Stück." Schließlich sei es auch eine Frage der Ehre, "den Klassiker zum Jahreswechsel selbst zu machen". Wie früher zusammengestellt sind auch die Zutaten, "denn wir lehnen den Einsatz von Konservierungsstoffen strikt ab". Dennoch könne das Schweinchen auch nach Mitte Januar noch bedenkenlos verzehrt werden, "dann ist es halt ein bisserl trockener".

Doch wie entsteht der essbare Glücksbringer? Ein Kilogramm Rohmasse wird mit 300 Gramm Puderzucker und einem Tröpfchen roter Lebensmittelfarbe gemischt und los kann die Schweinchen-Produktion gehen: Durch gezieltes Rollen einer taubeneigroßen Portion Marzipan wird zuerst das Rüsselchen herausgearbeitet. Mit Modellierwerkzeug formt Alexander Gerstner Schnäuzchen, Mäulchen, Äuglein und die klitzekleinen Speckfalten im Nacken. Danach werden dem Körper Öhrchen und Stummelbeinchen – beides aus leicht gerösteten Mandeln, die das Geschmackserlebnis intensivieren – aufgesteckt. Und es folgt – zumindest für den Laien – die Königsdisziplin: Das Formen und Modellieren des filigranen Hinterteils. Ein Tropfen Wasser noch – und schon hält das freche Ringelschwänzchen, dem die Knopfäuglein aus Schokoladen-Kuvertüre folgen, die wegen der Gefahr der Graufärbung nicht wärmer als 36 Grad sein dürfe.

Und um das Glückssymbol perfekt zu machen, füttert der 41-Jährige die Tierchen – wahlweise mit einer Goldmünze aus Pappe oder einer Kombi aus vierblättrigem Klee und Fliegenpilz. Von echten Münzen als Beigabe – früher waren es Pfennige, später dann der Cent – habe er inzwischen Abstand genommen. Durch die EU habe sich auch das Lebensmittelrecht verschärft, begründet er. Weil die kleinsten Münzeinheiten kupferhaltig seien, habe er das als bedenklich empfunden und – schließlich auf Spielgeld umgesattelt. Das Endprodukt, fein verpackt in Zellophan, zeichne sich durch eine gewisse Robustheit aus und sei damit auch transportgeeignet.

Viele seiner Stammkunden kauften ausschließlich die Schweinderl aus Eigenproduktion. "Die Leute wollen wieder Qualität", meint der kreative Zuckerbäcker, der sich sein Können unter anderem im Schweizer Schokoladen-Dorado Sprüngli angeeignet hat und sich seit 1995 Meister nennen darf. Wenngleich sich in der Szene viel verändert habe, so seien die Marzipanschweinchen in der Zeit zwischen den Jahren unverändert der Renner. Für 2,60 Euro lässt sich der in Handarbeit entstandene süße Gruß erstehen, von denen Alexander Gerstner allerdings nicht zu viele in Serie herstellen kann: "Das ist wie Fließbandarbeit und nach 100 Stück sieht man nur noch kleine rosa Schweine", lacht er. Müßig zu erwähnen, dass die drallen Tierchen nicht unbedingt zu seinen Lieblingssüßigkeiten zählen. "Das geht einem einfach so, wenn man den ganzen Tag mit Zuckerbäckerei zu tun hat." Gerstner gesteht: "Ich persönlich bevorzuge ein Leberkässpitzerl."