Weihnachtspredigt der evangelischen Christvesper in St. Matthäus

18.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:51 Uhr

Die Matthäus-Kirche in der Schrannenstraße. - Foto: Archiv

Ingolstadt (dk) In der evangelischen Kirche St. Matthäus wurde am Heilig Abend um 17 Uhr die Christvesper gefeiert. Die Predigt hielt Dekanin Gabriele Schwarz.

Liebe Gemeinde,

Weihnachten ist ein Fest für die Sinne.
Da gibt es viel zu sehen:

Die brennenden Kerzen.
Den Christbaum mit seinen Sternen und Kugeln.
Die festlich geschmückten Fenster und Straßen in unseren Städten,
die schön verpackten Geschenke …

An Weihnachten gibt es auch viel Schönes zu hören:
Die Pauken und Trompeten des Weihnachtsoratoriums.
Das Klingeln des Glöckchens bei der Bescherung.
Und die vielen Weihnachtslieder,
von „Stille Nacht“ und „O, du fröhliche“ bis hin zu „Last Christmas“ oder „Driving home for Christmas“ aus der neueren Musikgeschichte.
Ob nun im Kindergarten, bei der Vereinsfeier oder in der Familie:
Selten wird wohl so viel gesungen wie zur Weihnachtszeit.

Aber:
Wie riecht eigentlich Weihnachten?
Was ist für Sie der typische, unverkennbare Geruch von Weihnachten?

Zuallererst ist es vermutlich einmal der Geruch von
Tannengrün und brennenden Kerzen.
Und vielleicht erinnern sich manche von Ihnen noch an den
wundervollen Duft,
der bei etwas zustande kam,
was man seinen Kindern in den Zeiten von
Brandschutzbestimmungen natürlich nie erlauben würde:
Dann nämlich, wenn man ein paar Tannennadeln in die
Flamme einer Kerze hält, um sie ein bisschen anzukokeln …

Für andere riecht Weihnachten vielleicht eher nach Plätzchen,
frisch vom Backofen
oder nach Glühwein und gebrannten Mandeln auf dem Weihnachtsmarkt
oder aber nach Gänsebraten,
wie er in diesen Tagen sicherlich bei einigen auf den Tisch kommt …

Weihnachten,
das ist in unseren Tagen eine Zeit der Wohlgerüche.

Das war aber nicht immer so.
Wenn man die Weihnachtsgeschichte des Lukas mit der Nase liest,
dann wird einem das bald klar:
Die ersten Gerüche,
die das Jesuskind in der Nase hatte,
hatten mit unseren schönen Weihnachtsdüften nur wenig bis gar nichts zu tun.

Was waren das für Gerüche damals?

Da war ganz sicher der Geruch der Mühe.
Maria und Josef hatten eine lange Reise hinter sich.
Die hatten sie sich nicht selbst ausgesucht.
Ein anderer hatte befohlen.
Und sie hatten zu gehorchen.
Beschwerlich war es gewesen.
Staubig und anstrengend.
Geplagt hatten sie sich
und waren doch zu spät gekommen,
um noch einen gutem Platz für sich und ihr Kind abzubekommen.
Das war der Geruch der Mühe.

Und die Geburt selbst?
Auch die wird Maria Mühe gekostet haben.
Das tut sie sowieso.
Jede Mutter weiß das.
Aber da im Stall wird es auch nach Sorge gerochen haben.
Ein Kind zur Welt bringen?
Unter diesen Umständen?
In der Fremde,
in unhaltbaren hygienischen Umständen,
ohne Hebamme und irgendeine Unterstützung?

Und dann kommen die ersten Besucher.
Vielleicht erwarten Sie ja auch Besuch,
heute Abend oder in den nächsten Tagen.
Der ist dann festlich herausgeputzt
und duftet vielleicht nach „Cool Water“ oder „Chanel Nr.5.“

Auch das war damals anders.
Die Hirten kommen ja direkt vom Feld.
Ihr Duft ist der Geruch nach Einsamkeit.
Der Geruch der Herden und der Nacht.
Mit Armut hatte das nicht unbedingt etwas zu tun.
Denn gut bezahlt wurden sie ja.
Aber weil sie in der Nacht draußen herumschlichen, standen sie in einem schlechten Ruf.
Mit Hirten gaben sich anständige Leute eigentlich nicht ab.
Mit ihnen wollte man lieber nichts zu tun haben
Man wusste ja nicht so genau,
was diese Gestalten in der Nacht so alles trieben.
Und so haftet den Hirten der Geruch der Einsamkeit an.
Der Geruch der Arbeit und ein Hauch von Unmoral.


Und für Jesus selbst?
Das Erste,
was in die Nase des Neugeborenen stieg, war,
wenn man dem Lukasevangelium folgt, vermutlich das Aroma von Heu und Viehmist.
Heu, das in der Krippe lag
und Mist von den Tieren,
die den Stall normalerweise bevölkerten,
wenn nicht gerade der Heiland der Welt hier geboren wurde.

Ich glaube,
man kann es sich nicht drastisch genug vorstellen.
Das Jesuskind wird an einem Ort geboren,
der zum Himmel stinkt.

Bei unseren Krippenspielen merkt man das ja nicht.
Gottseidank, muss ich wohl sagen.

Jesus Christus wird an einem Ort geboren,
der zum Himmel stinkt.
Nach Mühe.
Nach Sorge.
Nach Einsamkeit.
Nach trockenem Gras und Viehmist.

Warum eigentlich?
Das hätte Gott doch anders einrichten können:
Ein schön geschmücktes Zimmer.
Wohltemperiert. Und dann macht man nach der Geburt
mit den frisch gebadeten Honoratioren von Bethlehem
eine Flasche Wein von den Golanhöhen auf.
Das wäre doch viel netter!
Und unserem Weihnachtsfest viel näher!

Ja, äußerlich betrachtet wohl schon.

Aber wer sich traut,
genau hin zu riechen,
der kann auch in unseren Weihnachtstagen
den Geruch von Mühe, Sorge und Einsamkeit wahrnehmen.
Und das nicht nur bei den Menschen, die –ähnlich der
Heiligen Familie -
auf der Flucht vor Elend und Gewalt gestrandet sind in
Massenunterkünften und Zeltstädten,
und manchmal noch nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben.

Auch viele von uns
sind angestrengt von den letzten Tagen und Wochen.
Ein schönes Fest vorzubereiten,
bei dem möglichst alle zufrieden sind,
das kostet Kraft und Mühe.
Manche von uns stehen am Ende eines schweren Jahres,
das sie Mühe gekostet hat:
Bei der Arbeit,
in der Familie,
im Zusammenleben mit Freunden.
Den Geruch der Mühe kennen auch wir.

Und auch den Geruch der Sorge:
Wer hat nicht etwas, das ihm oder ihr auf dem Herzen liegt.
Manches, das so persönlich ist, dass niemand davon weiß.
Manches, das viele Menschen betrifft
Die wirtschaftliche Entwicklung unserer Welt etwa. Dass
manche ungeheuer viel Geld scheffeln und andere hinten
runterfallen.
Krieg, Hass und Terror.
Ausbeutung von Kindern und anderen, die sich nicht wehren können.
Der Geruch der Sorge weht auch durch unser Leben.

Und auch die Einsamkeit ist uns nicht fremd.
Manche unter uns haben einen lieben Menschen verloren.
Vielleicht sehnt sich jemand danach, das Leben mit anderen
zu teilen.
Vielleicht haben sich im vergangenen Jahr Wege getrennt,
die doch gemeinsam geplant waren.
Die Einsamkeit der Hirten – die gibt es immer wieder auch in unserem Leben.

Der Sohn Gottes,
das Jesuskind,
an dessen Geburt wir heute denken,
das wird mitten hinein geboren in unseren Alltag.
In eine Welt, die Mühe, Sorge und Einsamkeit kennt.
In eine Welt, die Licht und Schattenseiten hat.

Und genau deshalb haben wir heute an Weihnachten allen Grund zu feiern,
miteinander fröhlich zu sein
und all die Wohlgerüche um uns herum zu genießen.

Weil wir wissen,
dass Gott nicht nur an den Feiertagen bei uns ist.
Er bleibt,
wenn alle Plätzchen aufgegessen
und alle Gäste gegangen sind,
und der Christbaumschmuck wieder in seiner Schachtel verstaut ist.

Jesu Geburt ist ein Grund zum Feiern, weil dieser Jesus nicht
nur zum Feiern gekommen ist.
Er ist gekommen, um zu bleiben.
Bei jedem und jeder von uns,
gerade auch dann,
wenn es einmal schwer wird,
wenn es in unserem Leben wieder einmal nicht so gut riecht.

Amen.