Pfaffenhofen
Weihnachtsdrama vor Gericht

47-Jähriger soll versucht haben, sich und sein Haus anzuzünden

28.07.2020 | Stand 23.09.2023, 13:11 Uhr
Ein Modell der Justitia steht auf einem Tisch. −Foto: Volker Hartmann/dpa/Archivbild

Pfaffenhofen - Nach einem Familiendrama an Weihnachten 2018 muss sich ein 47-Jähriger aus dem südlichen Landkreis vor dem Amtsgericht Pfaffenhofen verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann versuchte schwere Brandstiftung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vor. Mehrere Fragen rund um die Geschehnisse in der Nacht von 23. auf 24. Dezember 2018 blieben am ersten Prozesstag aber offen. Der Angeklagte räumte zu Beginn der Verhandlung zwar ein, dass er sich selbst mit Diesel übergossen habe und sich anzünden wollte, um sich das Leben zu nehmen, sein Haus und seine darin wohnende Familie habe er aber nicht in Brand setzen wollen.

Der Tat vorausgegangen war ein eigentlich fröhliches Festessen mit der Familie. Der Angeklagte, der zuvor nach eigenen Angaben jahrelang keinen Alkohol angerührt hatte, trank dabei mit seinen Gästen eine Flasche Whisky. Der Alkohol - zum Tatzeitpunkt dürfte der Promillewert bei etwa 1,4 gelegen haben - war wohl ein Faktor, dass ein Streit zwischen dem Mann und seiner Ehefrau eskalierte. Es ging um eine Lappalie, wie die Frau als Zeugin erklärte. Beim Festessen habe sich ihr Mann mit heißem Tee verbrüht. Sie aber habe nicht verständnisvoll reagiert, sondern sehr barsch und sei gemein und böse gewesen. Ein Wort habe zum anderen geführt und letztlich habe es einen heftigen Streit gegeben, in dessen Folge auch die Polizei gerufen wurde. Die aber musste am Abend zunächst unverrichteter Dinge wieder abziehen: Der Mann sei beim Eintreffen der Streife nicht mehr da gewesen, er sei zu seinen Eltern gegangen, um sich dort zu beruhigen, sei den Beamten an der Haustür versichert worden, erklärten Polizeibeamte.

Tatsächlich aber war der Mann wohl durchgehend daheim, seine Eltern aber kamen ins Haus, um die Situation zu deeskalieren. Seine Mutter übernachtete schließlich auch in dem Haus und sie war es, die den Mann schließlich in der Nacht entdeckte, als er mit einem Kanister durch den Keller, das Treppenhaus und letztlich auf den Gehweg lief. "Er sagte: ,Ich will mich jetzt anzünden'", berichtete die Mutter vor Gericht.

Der Angeklagte sagte, er habe in jener Nacht sehr viel Glück gehabt. Er habe in der Garage nach dem erstbesten Kanister gegriffen und nur durch Zufall nicht deutlich leichter entflammbares Benzin, sondern Diesel erwischt. Als die Polizei, die von der Tochter des Angeklagten gerufen worden war, zum zweiten Mal eintraf, saß der Angeklagte auf dem Kanister auf dem Gehweg, entflammte ein Feuerzeug und hielt es an seinen Pullover. Dass nichts passierte, lag wohl auch an dem starken Regen in dieser Nacht. Zwei Polizisten traten dem Mann schließlich das Feuerzeug aus der Hand und brachten ihn zu Boden. Der Angeklagte soll sich heftig gewehrt haben - nicht mit gezielten Schlägen, aber er habe sich heftig gewunden und sei aufgrund des schmierigen Diesels kaum zu fassen gewesen, berichten die Beamten, die bei der Rangelei beide leicht verletzt wurden. Der Angeklagte erklärte seinen heftigen Widerstand nicht nur seinem damaligen geistigen Zustand, sondern auch mit starken Schulterschmerzen, die er damals hatte. Die Fixierung mit Handschellen am Rücken hätten ihm große Schmerzen bereitet.

Nach Angaben der Polizisten rief der Mann zudem immer wieder: "Erschießt mich, ich will nicht mehr! " Als Grund nannte er demnach, dass seine Frau ihn nicht mehr liebe. Der Mann kam nach der Tat für vier Tage in eine Psychiatrie. Ein medizinischer Gutachter bescheinigte ihm vor Gericht, keine Gefahr für die Allgemeinheit zu sein, zum Tatzeitpunkt habe es mit dem Streit und dem Alkohol eine "situative Zuspitzung" und vorübergehende Krisensituation gegeben.

Seine Familie stärkte dem Mann im Zeugenstand den Rücken. Ein solches Verhalten habe sie bei ihrem Sohn noch nie gesehen, sagte seine Mutter. "Er ist ein guter Mensch, mein Mann. Er liebt seine Familie", betonte seine Frau. Auch der damalige Freund der Tochter betonte, es sei sonst sehr familiär zugegangen. Und die Tochter erklärte: "Eigentlich gehören wir zu einer Familie, wo sich andere eine Scheibe abschneiden können. " Dass der Zusammenhalt groß sei, zeige sich schon daran, dass die ganze Familie den Vater am nächsten Tag in der Klinik besucht und ihn nach der Entlassung auch wieder aufgenommen habe. Der Angeklagte zeigte vor Gericht tiefe Reue. "Ich bedaure das so sehr", sagte er. "Es ist für mich selbst ein Schock, ich verstehe es selber ja nicht. " Als Motiv führte er an, an diesem Abend das Gefühl gehabt zu haben, dass die Familie ihn nicht mehr wolle. Ein Urteil wird frühestens in der kommenden Woche fallen. Bis zum zweiten Verhandlungstag soll geklärt werden, ob der ursprüngliche Notruf durch die Tochter bei der Leitstelle noch vorhanden ist. Dabei geht um die Frage, ob der Mann vorhatte auch das Haus anzuzünden oder nur sich selbst töten wollte. Während eine Polizistin angab, laut Notruf wollte der Mann das Haus niederbrennen, erklärte ein anderer Beamter es hieß: "Irgendjemand will irgendwas niederbrennen".

Zudem blieben auch andere Fragen aufgrund widersprüchlicher Aussagen am ersten Prozesstag offen - etwa ob es eine gezielte Dieselspur von der Haustür durchs Treppenhaus in den Keller gab. Der Angeklagte gab an, im Keller gestolpert zu sein und dass Diesel übergeschwappt sei. Seine Mutter sagte, sie habe den Kanister zwischenzeitlich gepackt und aus dem Haus geworfen. Die Ehefrau hat zudem offenbar bereits mit dem Putzen des Hauses angefangen, während die Polizei noch mit ihrem Mann beschäftigt war.

Eine Aussage der Feuerwehr soll neben der Frage der Dieselspur am kommenden Dienstag zudem Licht ins Dunkel bringen, was nach der Tat mit einer Gasflasche geschah, die ein Polizist im Keller gesehen hatte. Auch die Frage, ob sich zum Zeitpunkt, als das Feuerzeug klickte, noch Menschen im Haus befanden oder bereits alle im Freien waren - neben den genannten Personen übernachteten noch zwei jüngere Kinder der Familie in dieser Nacht im Haus -, könnte das Strafmaß beeinflussen.

PK

 

Daniel Wenisch