Solnhofen
Wehrhafte Panzer und zarte Glaskrebse

Solnhofen widmet neue Ausstellung Günther Viohl - Auch vier Archaeopteryxe sind zu sehen

04.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:49 Uhr
Museumsleiter Martin Röper stellte bei der Eröffnung das Konzept der Ausstellung über Krebse vor. −Foto: Bartenschlager

Solnhofen (HK) Das an Fossilien reich gesegnete Altmühltal wird mit Superlativen verwöhnt. Im Dinosaurier-Museum bei Denkendorf ist - erstmals überhaupt - der größte Flugsaurier zu sehen, der je gefunden wurde. Solnhofen hat mit der bisher umfassendsten Ausstellung von Krebsfossilien nachgezogen.

Erst jüngst hatte das neu eröffnete Dinosaurier-Museum im Denkendorfer Dinopark der Weltöffentlichkeit "Dracula" präsentiert, einen monströsen Flugsaurier von der Höhe einer Giraffe und der Flügelspannweite eines Sportflugzeugs. Damit verbunden ist eine Ausstellung über Flugsaurier, die in dieser Zusammenstellung und Qualität einzigartig ist, wie die Einrichtung versichert.

Nun ist das Bürgermeister-Müller-Museum in Solnhofen am Zug. Zwar kann das Museum nicht mit Gigantismus glänzen, dafür beschäftigt sich eine Sonderausstellung mit der Krebsfauna des Solnhofener Archipels. Museumsleiter Martin Röper betont auch in diesem Fall die Einmaligkeit dieser Schau, die vor Kurzem offiziell eröffnet wurde. Damit nicht genug. Für einige Wochen sind gleich vier Originale des Urvogels Archaeopteryx auf engem Raum zu bewundern: das Solnhofener Exemplar (Nr. 6), das Münchner Exemplar (Nr. 7), das erstmals in Solnhofen gezeigt wird, das elfte Exemplar und ein weiteres Solnhofener Exemplar (Nr. 9), auch "Chicken Wing" genannt. Diesem fragmentarischen Fossil, das aus einem rechten Flügel mit Federabdrücken besteht, kommt aktuelle Bedeutung zu. Forscher haben erst kürzlich - nicht zuletzt anhand genau dieser Versteinerung - nachgewiesen, dass der Urvogel tatsächlich fliegen konnte, wenn auch der Bewegungsablauf ein anderer war als bei heutigen Vögeln.

Die Sonderausstellung "Harte Schale, weicher Kern" beleuchtet die Krebse, die vor 150 Millionen Jahren den tropischen Archipel rund um das heutige Solnhofen bevölkerten. Krebse seien etwas Besonderes, führte Professor Dr. Gerhard Haszprunar aus, der stellvertretende Direktor der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München. Ihr Skelett tragen sie außen, die Muskeln innen. Und das sei besser als ein Innenskelett mit Gewebeaufbau außen herum: "Sie haben die mehr als 15-fache Kraft in ihren Beinen wie vergleichbare Wirbeltiere."

Wie Röper im Gespräch mit unserer Zeitung ausführte, sei es darum gegangen, die Vielfalt der Krebstiere mit ihren verschiedenen Anpassungsformen in einem Riff, im Lagunenbereich und im Flachwasser darzustellen. Bislang seien etwa 120 verschiedenen Arten bekannt. Es sei das erste Mal, dass sich das Museum in einer Sonderausstellung mit einer einzelnen Tiergruppe beschäftigt, die zudem noch nie derart umfassend dargestellt wurde. Möglich wurde dies, weil hier Museen und Privatsammler zusammengewirkt haben. So steuerten die Bayerische Staatssammlung, das Naturkundemuseum Bamberg und das Staatliche Naturkundemuseum Stuttgart wertvolle Stücke bei. Der Löwenanteil aber, 65 Fossilien, stammt von dem engagierten Privatsammler Roger Frattigiani aus Laichingen. Er ist Spezialist für Krebstiere und wurde bereits als "Sammler des Jahres" ausgezeichnet. Und natürlich verfügt auch das Bürgermeister-Müller-Museum selbst über einen soliden Grundstock an versteinerten Krustentieren.

Zu sehen sind Krebse, die im Volksmund "Schnorgackl" oder "Stockkrebse" genannt werden, Bärenkrebse, Glaskrebse, Meeresasseln und Rankenfußkrebse. In den Vitrinen sind wehrhafte Panzerkrebse neben zarten Glaskrebsen zu finden, die über eine Lupe genauer in Augenschein genommen werden können. Manche der ausgestellten Stücke sind die einzigen Exemplare ihrer Art. Die Jahresausstellung ist zugleich regionaler Teil des Jubiläumsprogramms "175 Jahre Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München". Wie Röper betont, ist die Ausstellung Günter Viohl gewidmet, dem langjährigen Leiter des Jura-Museums Eichstätt. Viohl habe es verstanden, Regionalität mit Internationalität zu verbinden. Der Wissenschaftler, der heuer seinen 80. Geburtstag feiern konnte, war Vorbild und Inspiration für die nachfolgende Forschergeneration, unter anderem für ihn selbst, sagte Martin Röper, der selbst eine Ehrung erfuhr: Fast genau auf den Tag vor 50 Jahren war er als Kind mit seinen Eltern erstmals zum Fossiliensammeln nach Solnhofen gekommen. Dafür hatte Bürgermeister Manfred Schneider ein Präsent dabei.

Schneider betonte, dass Solnhofen das Prinzip von Regionalität und Internationalität ebenfalls pflege. Er gab bekannt, dass eine neue Kooperation geschlossen werden konnte, dieses Mal mit der Interprospekt AG mit Sitz in der Schweiz.

Zum neu entstandenen Netzwerk gehören das Bürgermeister-Müller-Museum, das Wyoming Dinosaur Center in den USA, das Sino-German Paleontological Museum in China und die Solnhofener Kollektion Groß-Biberau. Gemeinsam mit dem Wissenschaftler von Interprospect, Dr. Frédérik Lacombat, wurde die Zusammenarbeit besiegelt, die den Austausch von Exponaten für Ausstellungen beinhaltet.

Eine Kunstausstellung mit dem Titel "Federleicht" mit Lithographien und Aquarellen der Künstlerin Renate Mildner-Müller bereichert das Bürgermeister-Müller-Museum in Solnhofen zusätzlich.

Josef Bartenschlager