Ingolstadt
Was nervt, kommt in die Kiste

Geschwister körperbehinderter Kinder standen ein Wochenende lang im Mittelpunkt

07.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:20 Uhr

Kleiner Hofstaat: Großen Spaß hatten die Kinder bei der Auswahl ihrer Kostüme. Im Bild die Königin mit ihren Beratern, Dienern und der nervigen Lateinlehrerin - Foto: Schneider

Ingolstadt (DK) Weil der König ständig von allem und jedem genervt ist, geben ihm seine Minister eine Kiste, in die er alle Störfaktoren werfen kann. Begeistert entsorgt der König nicht nur den Hahn, der zu laut kräht, sondern auch die Minister.

Am Ende hat der König alles um sich herum, einschließlich der Sonne, in die Kiste geworfen – und klettert hinterher, weil er sich so einsam fühlt.

Rund um diese Geschichte drehte sich am Wochenende ein Angebot der Ingolstädter Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule, an der Kinder mit körperlichen und motorischen Behinderungen lernen. Eingeladen waren die Geschwisterkinder der behinderten Schüler, ein Wochenende an der Schule zu verbringen und dabei die Geschichte vom König als Theaterstück einzuüben. Denn auch die Geschwisterkinder sind oftmals genervt, wenn das behinderte Kind in der Familie mehr Aufmerksamkeit bekommt, viel streitet oder bei der Hausarbeit nicht mithelfen kann. Was in ihrem Theaterstück in der Kiste landet, durften die Kinder, alle zwischen acht und 14 Jahre alt, dann auch selbst entscheiden – zum Beispiel die anstrengende Lateinlehrerin.

„Es ist wichtig, dass die Kinder einen geschützten Rahmen haben, um Gefühle rauszulassen“, erklärte Ursula Ott-Holderied die Idee hinter dem Geschwisterkindwochenende. Die Dozentin für Sonderpädagogik der Universität Würzburg hatte das Konzept in einem Universitätsseminar entwickelt. Vier Studenten waren mit ihrer Dozentin angereist, um das Wochenende zu leiten. „Wir wollten, dass die Studenten neue Ideen reinbringen“, sagte Judith Kiss, Lehrerin an der Schule.

„Das Ziel ist, dass die Geschwister einmal selbst im Vordergrund stehen“, sagte der Student Jonas Hansen. Wie wichtig das ist, zeigte eine Gesprächsrunde am ersten Abend, bei denen die Kinder ihre behinderten Geschwister vorstellen sollten. Die dort entstandenen Steckbriefe erzählen von den Streitereien, die es wohl in jeder Familie gibt, aber auch von Problemen. Die Antworten auf die Frage „Was machst du zusammen mit deinem Bruder oder deiner Schwester“ reichten von Vorlesen und Aufräumen bis zu Ski fahren und Prügeln.

Den Rest des Wochenendes ging es dann aber um Fußball und Rap, Tanz und Schauspiel: alles für die Theateraufführung am Sonntag. Der Spaß stand im Vordergrund, und die Kinder waren mit Feuereifer dabei. Sie durften nicht nur in der Schule übernachten, sondern genossen auch eine elternfreie Zone, inklusive Pizza, Spaghetti und Aufbleiben bis spät in die Nacht.