Ingolstadt
Was man könnte, wenn man wollte

27.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:31 Uhr

Mehr Platz zum Toben: Mit dem Geld könnte die Stadt auch neue Skateranlagen und Abenteuerspielplätze bauen. Dann müssten die Jugendlichen nicht mehr auf dem Theaterplatz üben.Arch - foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Seit gestern sind wir im Bilde, warum Kämmerer Albert Wittmann und Dagobert Duck Freunde sind: 125 Millionen Gold-Taler! Der Freude über soviel Gewerbesteuer folgen heute die lebensnahen Ideen: DK-Redakteure haben aufgeschrieben, was die Stadt mit dem Geld anfangen sollte.

¦ Schulen besser ausstatten: Der OB betont es oft und gerne: 100 Millionen Euro hat die Stadt in den vergangenen zehn Jahren in Schulgebäude und deren Ausstattung gesteckt. Dennoch schauen viele schlecht aus – einer wohlhabenden Großstadt nicht würdig. Zerfledderte Vorhänge aus den Siebzigern, Parkette aus noch älterer Zeit, dazu ähnlich betagtes Mobiliar, darunter von mehreren Generationen beschriebene Tafeln. Laut Schulverwaltungsamt gibt die Stadt jährlich bis zu 300 000 Euro für die Erneuerung von Möbeln aus. Kritische Betrachter merken jedoch an: Nicht überall ist was von dem Geld zu sehen. Christian Silvester

¦ Neuer Konzertsaal: Die Musikhauptstadt München mit drei Sinfonieorchestern der Spitzenklasse kriegt es einfach nicht auf die Reihe. Dabei fordern alle Pultstars eine neue Konzerthalle von Weltniveau – die einmalige Gelegenheit für Ingolstadt, mit einem spektakulären Neubau in die Bresche zu springen. Die Orchestermanager würden sich um Termine in Ingolstadt reißen. Kleiner Schönheitsfehler: Der weltweit renommierteste Gutachter in Akustikfragen heißt Yasuhisa Toyota. ? Reimund Herbst

¦ Mehr Geld für Busse: Mit schätzungsweise 1,5 bis zwei Millionen Euro zusätzlichem Jahresbudget könnte die Ingolstädter Verkehrsgesellschaft zurück in die Zukunft starten: durch die flächendeckende Rückkehr zum 15-Minuten-Takt. Zur Erinnerung: Bis zum Jahr 2004 lag die Ingolstädter Verkehrsgesellschaft auf Erfolgskurs. Doch der Sparzwang in der Kommune führte zu einigen Streichrunden im Fahrplan. Jetzt aber wäre es wieder an der Zeit, in die INVG zu investieren: Vor allem in den Hauptverkehrszeiten brächte eine Verkürzung der Wartezeiten sicherlich viele Ingolstädter dazu, in den Bus zu steigen. Die Mehrausgaben für die Taktverdichtung könnten zum Teil durch höhere Fahrgastzahlen durchaus ausgeglichen werden – bei gleichzeitiger Verbesserung der heimischen CO2-Bilanz. Michael Stadik

¦ Donau erschließen: Der unerwartete Geldsegen könnte für Ingolstadt ein Stück Zukunft bedeuten, wenn die Stadt beispielsweise ein paar der Millionen dazu nutzen würde, die Donau endlich zu dem zu machen, was sie eigentlich schon längst sein sollte: ein Ingolstädter Fluss. Die Untertunnelung der Schlosslände und eine Erschließung der Uferpromenade mit wirklich großstädtischer Geste wäre ein echter Quantensprung. Michael Schmatloch

¦ Nachwuchs nicht vergessen: Kinder brauchen viel Zuwendung – und Platz zum Toben. Davon gibt es noch immer zu wenig. Also: Ein großzügiger Abenteuerspielplatz in jedem einzelnen Stadtviertel, dort, wo sich keine Nachbarn gestört fühlen. Dazu Skaterbahnen sowie Bolz- und Beachvolleyballplätze für den Sommer, Schlittenberge und künstliche Eislaufflächen für den Winter, drum herum Bäume und Büsche zum Lager bauen und zur Förderung des Naturverständnisses – wer möchte da noch vor Computer oder Fernseher versauern ? Horst Richter

¦ Schutter freilegen: Wasser in einer Stadt ist ein inspirierendes Element, das Raum für vielseitige urbane Gestaltung nach sich zieht. Neue Plätze, neue Ansichten, neue Geschäfte und Cafés. Und neue Gewohnheiten und Rituale. Eine Renaissance des Flusses würde in Ingolstadt auch ein Gegengewicht zum Bauboom außerhalb der Altstadt setzen und eben diese für Einheimische und Touristen (weiter) aufwerten und beleben. Und dann fragt auch sicher niemand mehr nach der Größe des Brunnens auf dem Rathausplatz. ? Katrin Fehr

¦ Bürgerbrauerei: Im Hinblick auf das Jahr 2016 (500 Jahre Reinheitsgebot und Bewerbung für die Landesgartenschau) wären ein Biermuseum und eine Bürgerbrauerei auf Aktienbasis mit kommunaler Unterstützung zu erwägen. Das Georgianums (zweitältestes Priesterseminar der Welt) muss dringend renoviert werden und sollte von einer Hochschule genutzt werden. Das vor genau 100 Jahren gegründete Ausbesserungswerk am Hauptbahnhof (einst einer der größten Arbeitgeber) bildet einen wichtigen Teil der Ingolstädter Industrie- und Sozialgeschichte, gerät aber leider in Vergessenheit. Ansonsten: Schuldenabbau! ? Bernhard Pehl

¦ Kindergärten stärken: Für die Jahre 2010 und 2011 hat die Stadt ihren freiwilligen Betriebskostenzuschuss für die freien Träger gekürzt, und zwar von bisher acht auf fünf Prozent. Dadurch sinken die Ausgaben um 320 000 Euro pro Jahr. Viele Kirchengemeinden und Vereine müssen in der Folge eisern sparen. Dennoch drohen etliche Einrichtungen in die roten Zahlen zu rutschen. Eine familienfreundliche und wohlhabende Stadt darf nicht bei den Kindern sparen: Der freiwillige Zuschuss von acht Prozent muss wieder her. Suzanne Schattenhofer

¦ Planetarium bauen: Als Stadt mit reicher astronomischer Tradition (Scheiner, Apian) stünde Ingolstadt ein wenig mehr Initiative auf dem Gebiet der ältesten Naturwissenschaft überhaupt gut zu Gesicht. Schon vor Jahren hatte Dieter Leistritz, Vorsitzender des Sternwarten-Vereins, dem Kulturreferat die komplette Projektbeschreibung samt Kostenvoranschlag für ein kleines Planetarium auf dem Turm des Kavalier Dallwigk ausgearbeitet. Das Konzept verschwand ohne Diskussion im Schreibtisch des Referenten. Also, Herr Engert: Heraus damit aus der Schublade! ? Bernd Heimerl

¦ Helfern helfen: Stadtteiltreffs, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Vereine – sie und viele andere leisten wertvolle Arbeit und leiden permanent unter klammer Kassenlage. Ein ordentlicher Nachschlag würde ihnen das Leben erleichtern. Was es in den Stadtteilen zu verbessern gibt, wissen die Bezirksausschüsse am besten; deshalb sollte man auch den Bürgerhaushalt kräftig aufstocken. Angelika Donauer

¦ Schwimmer ernst nehmen: Ingolstadt hat bemerkenswerte Sportanlagen, von denen Städte wie Regensburg oder Würzburg nur träumen können: etwa die Eishockey-Arena oder das Stadion-Schmuckkästchen des FC 04. Was Ingolstadt indessen abgeht, ist ein vernünftiges Hallenbad. Gemeint ist nicht ein Spaßbad (das gibt es bereits), sondern eines, in dem man schwimmen kann. Und richtig schwimmen kann man nur auf einer 50-Meter-Bahn. Bislang müssen sich ambitionierte junge Sportschwimmer genauso wie schwimmbegeisterte Rentner im musealen und muffigen Hallenbad Mitte abmühen. Spaß macht das beileibe nicht. Gerd Schneider

¦ Musiker fair bezahlen: Die Stadt hält sich mit dem Georgischen Kammerorchester (GKO) eins der besten Orchester Bayerns. Aber sie will seit Jahren die Musiker nicht so entlohnen, wie es in vergleichbaren Städten üblich ist, wo die philharmonischen Orchester nach Tarif bezahlt werden. Das wird nicht mehr lange gut gehen. Es wird nämlich zunehmend schwieriger, Nachwuchs für das Orchester anzuwerben. Und wenn gute Musiker kommen (wie kürzlich zwei Kontrabassisten), dann verlassen sie das Orchester oft schon nach kurzer Zeit wieder, weil es sie zu besser dotierten Positionen zieht. Also: Wenn sich die Stadt ein besonders gutes Orchester leisten will, dann sollte sie es sich auch leisten können – und angemessen bezahlen wollen. ?

Jesko Schulze-Reimpell

¦ Schulden abbauen . . . und Rücklagen bilden: Trotz der Mehreinnahmen sollte man eines nicht vergessen: Ingolstadt ist immer noch mit rund 90 Millionen Euro verschuldet. Das sind etwa 725 Euro pro Kopf. Nun bietet sich endlich die Chance, diesen Berg abzutragen. Der jetzige Boom ist sehr verletzlich und hängt stark von der Nachfrage in China ab. Doch es wird nicht mehr lange dauern, und China produziert die Autos, die es heute bei uns kauft selbst. Martin Adamczyk