Pöttmes
Was macht der Whisky in der Bratwurst?

In Pöttmes kann man lernen, wie man daheim in der Küche Würste füllt

13.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:44 Uhr
Aus der Wurstspritze in den Schafsdarm: Eine gleichmäßige Wurst zu produzieren ist gar nicht so einfach. Zwischen 26 und 28 Millimeter dick sollte die klassische Bratwurst sein. Anfänger wie die Seminarteilnehmer in Pöttmes schaffen es aber auch, dass die Pelle platzt oder dellt. Auf dem Grill (Bild rechts mit Metzgereichefin Carolin Ottillinger und Produktionsleiter Daniel Trübenbach) spielt das keine Rolle mehr, die Wurst wird glatt und prall. −Foto: Wolfgang Glas

Pöttmes - "Wurst ist eine Gabe Gottes. Er alleine weiß, was drin ist. " So flapsig der Spruch klingt, so richtig ist er. Das Wort "wurst" - es kommt aus dem Mittelhochdeutschen - steht nämlich für "durcheinander" oder "vermengt". In dieser Bedeutung gilt es noch heute: In der Wurst darf edles Fleisch von Rind, Schwein und Reh in der Pelle verarbeitet werden, aber gleichermaßen Schwarte und Haut, in manchen Rezepturen Kutteln, Hirn oder fein gemahlene Knochen.

 

Doch immer mehr ernährungsbewussten Menschen ist nicht wurscht, was in der Wurst steckt. Deshalb kaufen sie beim Metzger ihres Vertrauens, der Auskunft darüber geben kann, woher sein Fleisch stammt. Oder sie machen die Wurst gleich selbst. Das geht auch zu Hause ohne großen Aufwand.

Der Do-it-yourself-Trend in der Küche geht mittlerweile weit übers Kochen hinaus. Man backt Brot, trocknet Obst, mixt Smoothies, dreht Pralinen, rührt zuckerfreien Joghurt an. Das Internet wimmelt auch von Anleitungen für Hobbywurstler. Bei der Hofmetzgerei Ottillinger in Pöttmes können sie sich professionelle Tipps holen: Seit vergangenem Jahr bietet man dort Bratwurst-Seminare an. Drei Stunden lang wird gewolft, gewürzt und gefüllt, dann kommen die Ergebnisse auf den Grill. Die Seminare sind Wochen im Voraus ausgebucht, so auch jenes, das kürzlich an einem Samstag stattgefunden hat: Elf Fleischbegeisterte, allesamt kernige Mannsbilder, wollen der Wurst auf den Grund gehen. Die Älteren, um wieder das Gefühl zu genießen, das sie aus ihrer Kindheit kennen, als auf dem Anwesen geschlachtet wurde und Kesselspeck vom Schlachtraum direkt auf den Tisch kamen; die Jüngeren, weil sie grillbegeistert sind und Stunden an ihren Smokern verbringen für ein feines Tomahawk-Steak oder Pulled Pork.

 

Die Leute sind kritischer geworden. Sie wollen wissen, was drinsteckt in ihrem Essen", sagt Metzgereichefin Carolin Ottillinger. Bei ihren Produkten sei das kein Geheimnis, denn die 60 Schweine und 15 Stück Großvieh, die Ottillinger jede Woche am Erlenschlag schlachtet, werden von ausgesuchten Vertragsbauern aus der Region geliefert. Die sind zu genau definierten Fütterungs- und Tierhaltungsstandards verpflichtet.

Zehn Tonnen Wurst pro Woche stellen die 40 Produktionsmitarbeiter in Pöttmes her. Mit insgesamt 160 Mitarbeitern ist Ottillinger aber noch immer mittelständisch. Carolin Ottillinger: "Es gibt ja im Landkreis Aichach-Friedberg nur mehr 17 Metzger, die selbst schlachten, so wie wir. " Andere müssten ihre Rohware komplett zukaufen, um sie weiter zu verarbeiten.

In der Pöttmeser Wurstküche ist alles hergerichtet an diesem Samstag: Jeder Seminarteilnehmer bekommt ein Kilo Schweinebauch und ein Kilo Schweinehals, sauber gewürfelt. Dazu eine Mischung mit 40 Gramm Salz (braucht man, damit das Eiweiß sich löst und die Fleischmasse bindet), Pfeffer, Majoran, Piment und diversen weiteren Gewürzen. "Das ist die Grundmischung", sagt Metzgermeister Lukas Päßler. "Aber eigentlich kann jeder in seine Bratwurst reintun, was er mag, und nach Belieben würzen. "

In Pöttmes stehen Oliven und getrocknete Tomaten für eine mediterrane Variante bereit, Chilli und Preißelbeeren für diejenigen, die's scharf mögen, Meerrettich, Käse, Fenchel und süßer Senf für Experimentierfreudige. "Es gibt auch welche, die mischen Whisky in die Fleischmasse. Das gibt dann beim Grillen diesen typischen Barbecue-Geschmack", erzählt Päßler. Das Internet hält noch weitaus schrägere Zutaten bereit: Oktopus zum Beispiel, das Wurzelgemüse Topinambur oder Kimchi. Das ist nach asiatischer Art fermentiertes Gemüse. Pilze oder Chinakohl in der Bratwurst sind der Hype in ambitionierten Kochkreisen. Keine Angst: Die Bratwürste, die in den sieben Ottillinger-Filialen verkauft werden, sind alle von traditioneller Art.

Bratwurst machen ist am Anfang ganz einfach. Man dreht das Fleisch durch den Wolf, würzt beherzt, knetet die Masse kräftig durch und stopft sie in den Wurstfüller. Das ist - laienhaft ausgedrückt - ein Edelstahltopf mit einer handgekurbelten Presse und einem dünnen Rohr am unteren Ende. Aus dem quillt, wenn man mit Gefühl kurbelt, gleichmäßig die Wurstmasse. Genau hier an dieser Spritze beginnt die Fitzelei: Über das Rohr muss der Schafsdarm, der das gewolfte Fleisch in Form halten wird. Dem Schreiberling - er versuchte sich erstmals und mäßig erfolgreich als Metzger - kostete die glitschige Innerei den letzten Nerv: Die hauchdünnen, sauber gewaschenen und in Wasser eingelegten Dünndärme wollten sich partout nicht auseinanderfalten lassen und flutschten lieber durch die Gegend. . .

Gut, dass Daniel Trübenbach da war. Er ist der Produktionsleiter bei Ottillinger, als solcher mehr als versiert im Umgang mit widerspenstigem Zubehör. Trübenbach ist Metzger aus Leidenschaft: "Dieser Beruf ist so viel mehr als Schlachten. Erst danach beginnt ja die eigentliche kreative Arbeit", sagt er. Ob eine Wurst gut wird oder nicht, entscheide sich schon beim Chargieren, also beim Zusammenstellen der Fleischsorten und -qualitäten. Der richtige Fettanteil sorge für Geschmack und dafür, dass die Textur seidig wird, hochwertiges Muskelfleisch garantiert, dass sich Wurst "nicht zieht" und angenehm auf der Zunge liegt. So erkenne man Qualität. Dank Trübenbach gelang auch dem wurstelnden Redakteur ein passables Endprodukt. Zwar glich keine seiner Würste der anderen, dicke, dünne, kurze, lange, gerade und eingedätschte hingen aneinander. Aber spätestens in der Pfanne entspannte sich wohlgefällig das Unförmige. Und geschmeckt hat jede einzelne seiner Meerrettich-Käse-Tomaten-Bratwürste.

SZ

Wolfgang Glas