München
Was ist ein Musical?

"Broadway for Kids" in München

15.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:51 Uhr

Wir sind in Amerika: Carl van Wegberg, Previn Moore, Frances Lucey und Nazide Aylin. - Foto: Zach

München (DK) Haufenweise liegen die Kinderjacken auf den Garderobentischen, darauf handgeschriebene Zettel: Klasse 2a, Klasse 1b. Am Boden stehen ganze Batterien von arbeitslosen Schulranzen. Theaterzeit für Schulklassen! Das Gärtnerplatztheater hat dieses Jahr einen tollen Spielort zu bieten, das plüschig-goldene Schatzkästlein des Cuvilliés-Theaters, und so machen die Kinder „aaah“ und „oooh“, wenn sie endlich zu ihren Plätzen dürfen.

Ein wimmelnder Haufen aufgeregter und einander heftig winkender Menschlein. Die meisten von ihnen sind komplett ahnungslos, was sie heute statt eines Schultags erwartet – und das ist durchaus ein Problem.

Denn das Gärtnerplatztheater hat sich vorgenommen, den Münchner Kindln, anknüpfend an den Super-Erfolg von „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ im letzten Jahr, das Musical-Genre ans Herz zu legen – mit einer Show unter dem schlichtweg schrecklichen Titel „Broadway for Kids“. Erzählt werden die Abenteuer zweier Kinder, die mit ihrer schrulligen Tante nach New York reisen dürfen, um dort den Broadway mit eigenen Augen zu sehen – dabei treffen sie einen Donuts-Verkäufer, der sich als „Mr. Musical“ entpuppt. Zusammen erleben sie in einer Traumsequenz ihr eigenes kleines, wie improvisiert wirkendes Musical. Begriffe wie „Solo“, „Kick Line“ oder „live“ müssen dabei natürlich erst einmal erklärt werden. In Gesangseinlagen trifft man dann auf Songs aus Musicals wie „Der König der Löwen“, „Der Zauber von Oz“, „Cats“ oder eben „Tschitti“. Soweit wäre das ja gut – hätten nicht die Kinder der Premiere gar so wenig Ahnung von Musical.

Was in Amerika seit Generationen und von jeder Mode unabhängig zur Sozialisierung dazugehört wie in Bayern der Nikolaus und das Christkind, ist hierzulande weitgehend unbekannt. Bayerische Kindermädchen heißen nicht Mary Poppins und Katzen träumen nicht vom Tanz im Moonlight. So treffen die Kinder auf zu viele Unbekannte, scheitern fatal an der Herausforderung, mitzusingen. Wenn die Vorstellung dann auch noch dialogschwach und im naturgemäß deutschsprachigen Gesang schwer verständlich ist, dann werden hier wohl eher keine Musicalgäste von morgen generiert, was wohl der klug erdachte Ansatz des Projektes gewesen sein mag.

So charmant auch die Idee (Hannes Muik) sein mag, die Bühnenvorgänge betont lässig zu improvisieren, so nett die musikalische Umsetzung (Andreas Kowalewitz): Die Entfernung zwischen diesem Liederprogramm und der großen Trickkiste „Musical“ ist weiter als die von der Maximilian-straße bis zum Broadway.