Karlshuld
Was alte Fotos so alles erzählen

Ludwig Erras ist seit 30 Jahren Archivar des Kulturhistorischen Vereins Donaumoos

29.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:02 Uhr

Foto: Andrea Hammerl

Karlshuld (DK) Er ist das "fotografische Gedächtnis des Donaumooses", wie ihn Gusti Schmid nennt. Denn Ludwig Erras (71) kümmert sich seit 1984 um das Fotoarchiv des Kulturhistorischen Vereins Donaumoos, dem er als Gründungsmitglied seit 1981 angehört.

Drei Jahre lang war er zunächst Kassier, dann hat er sich "auf die Bilder verlegt", wie er lächelnd sagt. Eigentlich war das ohnehin logisch, denn er selbst brachte einen großen Bilderstamm mit, da sein Vater sehr viel fotografiert hatte - nicht nur privat im Familienkreis, sondern auch weltliche und kirchliche Feste und Ereignisse. Ludwig Erras senior war freier Zeitungsmitarbeiter.

Seit etwa fünf Jahren digitalisiert der Sohn das 8500 Fotos und etwa 1000 Dias umfassende Fotoarchiv des Vereins. Davor hat er es analog geführt, jedem Bild eine Nummer zugeordnet und jeweils zehn Fotos in einem Hängeordner abgelegt. Die Dias hat der Verein teils geschenkt bekommen, teils hat Erras selbst Dias für Vorträge angefertigt, die vor einigen Jahren noch vom Diaprojektor begleitet wurden oder alternativ vom Epidiaskop, unter das Fotos gelegt und dann an die Wand projiziert wurden.

Eine ausgezeichnete Qualität haben die Glasplatten, die aus der Sammlung von Eduard Limmer aus Karlskron stammen. Die Vorsitzenden Schmid und Erras haben sie nach München schicken müssen, um sie dort digitalisieren zu lassen. Normale Fotos scannt Erras selbst. Derzeit ist er damit beschäftigt, mehrere Tausend Sterbebilder für die Datenbank des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde (BLF) aufzubereiten. "Etwa 5000 Doppelte habe ich schon aussortiert", erzählt er.

Die ältesten Fotos stammen aus der Zeit um 1900, vorwiegend handelt es sich um Hochzeitsfotos oder Familienfotos. Nicht immer ist bekannt, wer darauf abgebildet ist. "Manchmal stoße ich viel später zufällig darauf", berichtet Erras von seiner Sisyphos-Arbeit. Einmal ist er sogar ins Seniorenheim gefahren, um die auf einem Klassenfoto abgebildeten Personen zu identifizieren. "Die kann dir das bestimmt alles sagen", hatte ihm eine Bekannte versichert. Tatsächlich sprudelte die alte Dame im Seniorenheim nur so los. "Ja, die kenne ich alle, mit denen bin ich ja in die Schule gegangen", meinte sie und legte so schnell los, dass er gar nicht mit dem Mitschreiben nachkam. Also bat er sie, die Namen zu wiederholen. Nur, dass die Leute bei jeder Wiederholung anders hießen oder Namen anders zugeordnet wurden. "Da bin ich wohl ein paar Jahre zu spät gekommen", erkannte er. Manchmal erkennen sich die Abgebildeten selber nicht mehr. "Das bin doch nicht ich", heißt es dann empört, während der frühere Schulfreund danebensteht und insistiert: "Aber natürlich bist du das, du hast da direkt neben mir gestanden."

Ganz schön mühsam, das Geschäft, aber Erras ist es wichtig, möglichst viele Fotos mit den dazugehörenden Namen zu versehen. Bei Klassenfotos macht er Kopien, auf denen jeder eine Nummer bekommt, die dann auf einer Liste mit Namen versehen wird. Auf manchen Fotos aus den 30er Jahren hat er so ein Drittel identifiziert, bei jüngeren liegt die Quote meist höher. Er fragt sich durch. Hie und da kennt er jemanden und kontaktiert ihn oder dessen Kinder, bei manchen Fotos kann Gusti Schmid helfen oder andere Vorstandsmitglieder des Vereins, manchmal nimmt er auch andere Fotos zu Hilfe, auf denen dieselben Personen abgebildet sind und bereits identifiziert wurden.

Viele Fotos erzählen Geschichten. 1929 zum Beispiel, da wurde in Karlshuld groß Primiz gefeiert. "Später ist der Priester aber von seinem Amt zurückgetreten und hat geheiratet", erzählt Erras. Er habe dann in München gelebt und stets noch Kontakte nach Karlshuld gehalten, "nur bei der eigenen Familie, da hat er sich nicht mehr blicken lassen dürfen". Ein Bruder hatte sich ebenfalls für ein geistliches Leben entschieden, war in einen Orden eingetreten und als Bruder Silvester nach Papua-Guinea gegangen. Ein Foto zeigt ihn mit wildem Bart auf einem Pferd sitzend, neben dem ein Einheimischer steht. "Er hat dort Pferde eingeritten", erklärt Erras.

Nicht alle Fotos sind steife Gruppenfotos. Malerisch ist das Foto eines Familienpicknicks im Wald, das aus der Sammlung Eduard Limmers stammt, Romantik versprüht das Foto "junger Probfelder auf dem Hauptkanal mit Musik", wie Erras das Foto der jungen Leute betitelt hat, die Musikinstrumente in der Hand halten. Zu Eduard Limmer fällt ihm auch noch eine Anekdote ein. Der habe seine Platten nach dem Entwickeln in den Hauptkanal gehängt - zum Wässern.

Das Foto einer kleinen Gesellschaft in einem Oldtimer lässt Erras schmunzeln. "Das war an ihrem 100. Geburtstag, da hat die Theres Huber zum ersten Mal in ihrem Leben gelacht", sagt er und zeigt auf die alte Dame im Zentrum des Fotos.