Warnung vor Windkraft-Horrorszenarien

25.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:30 Uhr

Zum Leserbrief „Das Schlimmste ist der Infraschall“ (PK vom 14. März):

Angesichts der sichtbaren und nicht zu leugnenden Auswirkungen des Klimawandels (globaler und regionaler Temperaturanstieg, Zunahme von Dürren, Hochwasser, Wirbelstürmen, Hitzewellen etc.) davon zu sprechen, dass es bei der notwendigen Energiewende nur um Big Business geht, ist schon mehr als beschämend. Ebenso völlig falsch ist die geäußerte Ansicht, Klima ließe sich nicht schützen, weil es vom Magnetfeld der Sonne etc. bestimmt wird. Die Ergebnisse aller ernsthaften Studien zum CO2-Gehalt in der Atmosphäre einerseits und globalem Temperaturanstieg andererseits zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen diesen Größen.

Der menschengemachte CO2-Ausstoß und der damit verbundene Temperaturanstieg mit den Folgen für das Weltklima sind ernsthaft nicht mehr wegzudiskutieren! Es ist richtig, dass es in der Erdgeschichte seit etwa 600 Millionen Jahren meist Zeiten mit einem höheren CO2-Gehalt in der Atmosphäre gab. Aber damals war die Erde auch nicht für eine Zivilisation, wie wir sie heute kennen, geeignet! Schlichtweg falsch ist auch die Aussage „Deutschland ist nur mit 0,0004712 Prozent am CO2-Gehalt der Luft beteiligt“, um mit dieser mickrig kleinen Zahl zu suggerieren, dass Klimaschutz bei uns wirkungslos sein muss.

Richtig wäre: Legt man als Messgröße zum Beispiel die Bevölkerungszahlen (80,6 Millionen Einwohner in Deutschland und eine Weltbevölkerung von 7,1 Milliarden Einwohner) zugrunde, ist Deutschland theoretisch mit einem Anteil von 1,14 Prozent an der Gesamt-Luft der Erde beteiligt, also auch mit 1,14 Prozent am CO2-Anteil der Luft. Noch wichtiger wird unsere Verantwortung, wenn man von den aktuellen jährlichen CO2-Zuwächsen ausgeht: Deutschland bläst zurzeit jährlich etwa 850 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre, die gesamte Welt ca. 35 500 Millionen Tonnen. Demnach beträgt der Anteil Deutschlands bei den CO2-Zuwächsen sogar 2,4 Prozent. Also kann und muss Deutschland sehr wohl handeln, nämlich die Energiewende umsetzen.

Und ein Baustein dazu ist sicherlich auch die Nutzung von Windenergie. Es stimmt: Windkraftanlagen kosten einigen Vögeln das Leben. Für jeden einzelnen Vogel ist das tragisch, aber vergessen wir bei aller Aufgeregtheit bitte nicht, dass die durch Windenergieanlagen getöteten Vögel nur 0,01 bis maximal 0,1 Prozent aller Verluste ausmachen. 58 Prozent sterben bei Kollisionen mit Gebäuden und der Rest durch Fahrzeuge, Katzen, andere Wildtiere, Freileitungen und Pestizide.

Das Gleiche gilt für die Infraschallproblematik. Es ist unstrittig, dass Windenergieanlagen, genauso wie Maschinen, Verkehrsmittel, Haushaltsgeräte, Bauwerke und natürliche Quellen wie Windströmungen oder Meeresbrandung auch Infraschall erzeugen. Aber entscheidend ist auch hier, welche Größenordnung an Schalldruck (gemessen in Dezibel, dB) bei Windenergieanlagen auftreten und wie sich diese Pegel mit anderen, akzeptierten Alltagspegeln vergleichen lassen.

Der allerneueste Bericht der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), der erst vor zwei Wochen ins Netz gestellt wurde, beschreibt sehr ausführlich „tieffrequente Geräusche und Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen“. Dabei wurden Windenergieanlagen bis 3,2 Megawatt Leistung, Straßenverkehr, Pkw-Innenräume und Meeresbrandung vermessen. Hier zwei ganz anschauliche Ergebnisse: Erstens: Die Infraschallpegel in der Umgebung von Windkraftanlagen lagen auch im Nahbereich bei Abständen zwischen 150 und 300 Meter deutlich unterhalb der menschlichen Hör- beziehungsweise Wahrnehmungsschwelle gemäß der Norm DIN 45680. Zweitens: In Entfernungen von 650 bis 700 Metern waren die Pegel von eingeschalteten oder ausgeschalteten Windkraftanlagen mit Werten zwischen 50 bis 75 dB (G) gleich.

Anders ausgedrückt: Der gemessene Infraschall wurde in dieser Entfernung im Wesentlichen durch den Wind allein erzeugt und nicht durch den Betrieb der Windenergieanlagen. Die Horrorszenarien mit geplatzten Lungenbläschen oder perforierten Trommelfellen bei 160 beziehungsweise 170 dB können hier nicht zur Abschreckung dienen.

Dr. Helmut Muthig

Diplomphysiker und

Stellvertretender Vorstand Energie- und Solarverein