Warnstreiks in Ingolstadt: Nichts ging mehr im Nahverkehr

29.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:26 Uhr
Fast alle Busse der INVG-Tochter Stadtbus Ingolstadt GmbH blieben am Dienstag im Depot am Nordbahnhof. Robert Zehnder, Vorsitzender der Gewerkschaft NahVG, Ortsgruppe Ingolstadt, und Pressesprecher Otto Krammer (rechts und 2. v. r.) traten mit den Kollegen in den Warnstreik. Auf den Anzeigetafeln an den Ingolstädter Haltestellen wurden die Fahrgäste mit einem Laufband auf Ausfälle aufmerksam gemacht. Einige wenige Linien, vor allem bedient von privaten Busunternehmen oder Subunternehmern, fuhren trotzdem. −Foto: Brandl

Ingolstadt - Zäher Verkehrsfluss am Morgen auf Ingolstadts Hauptverkehrsstraßen ist an sich nichts Ungewöhnliches. am Dienstag jedoch wirkte sich offenbar der ganztägige Warnstreik bei der INVG-Tochtergesellschaft Stadtbus Ingolstadt (SBI) im Ingolstädter ÖPNV zusätzlich auf das erhöhte morgendliche Verkehrsaufkommen aus. Im gesamten Stadtgebiet und in vielen umliegenden Gemeinden, wie etwa in Gaimersheim, Lenting und Kösching, lag der öffentliche Nahverkehr nahezu komplett still. Viele Berufspendler waren deshalb auf den Pkw umgestiegen, um an ihr Ziel zu gelangen.

 

Bei dem kommunalen Busunternehmen seien am Dienstag von insgesamt 110 Bussen nur acht Busse unterwegs gewesen, davon vier bis fünf Schulbusse. Das berichten Robert Zehnder, Vorsitzender der zum Streik aufrufenden Gewerkschaft NahVG (Ortsgruppe Ingolstadt), und deren Pressesprecher Otto Krammer. "Die Solidarität war groß, wir sind zufrieden", sagte Zehnder.

Die Gewerkschaften Verdi und NahVG hatten bundesweit Warnstreiks angekündigt und durchgeführt. Besonders betroffen davon waren in Bayern auch andere Großstädte wie Nürnberg und München. Den Gewerkschaften geht es um bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigen im ÖPNV, darunter freilich auch die Busfahrer. Sie fordern in erster Linie den Abschluss eines bundeseinheitlichen Tarifvertrags für den Nahverkehr. Darin vereinbart sollten ein einheitliches Entgelt und einheitliche Arbeitsbedingungen sein. Weiter solle der Tarifabschluss dazu beitragen, dass den Beschäftigten die Wertschätzung zukomme, die den verantwortungsvollen und systemrelevanten Berufen gerecht werde, heißt es in einem Informationsblatt. Zu dem Warnstreik sei es gekommen, weil die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zuletzt Tarifverhandlungen abgelehnt habe, teilte Gerhard Martin, Vorsitzender der NahVG, dem DONAUKURER telefonisch mit. Bisher verhandelten alle 16 Bundesländer einzeln.

Bereits am Montag seien die Fahrgäste über Laufbänder an den Dynamischen Anzeigetafeln der Haltestellen und in den Bussen über den Streik am nächsten Tag informiert worden, so Zehnder. Reaktionen von verwunderten oder verärgerten Fahrgästen hätten ihn am gestrigen frühen Vormittag noch nicht erreicht gehabt. Ihm sei aber aufgefallen, dass viele private Busunternehmen unterwegs gewesen seien.

Das bestätigte bereits gegen Mittag auch der INVG-Geschäftsführer Robert Frank auf Nachfrage. "Die privaten Busunternehmen, die Subunternehmen und Bahnen sind vollständig gefahren", sagte er. Er rechne für den weiteren Verlauf des Tages und der Nacht (der Streik endet offiziell erst um 24 Uhr) jedoch mit Ausfällen von 80 bis 90 Prozent aller Fahrten in Ingolstadt und den genannten Umlandgemeinden. Betroffen davon sei auch der Airport Express. Er sei aber zuversichtlich, dass ab Mittwochfrüh 4.15 Uhr wieder ein regulärer Betrieb stattfinde.

 

Im Kundencenter der INVG an der Mauthstraße habe man im Laufe des gestrigen Vormittags ein erhöhtes Aufkommen von Telefonanrufen besorgter Fahrgäste festgestellt. Bis 11 Uhr seien es etwa 50 Anrufe gewesen, so Frank. Die Leute hätten vor allen Dingen wissen wollen, ob die Busse am Mittwoch wieder fahren würden.

Frank hofft nun im Tarifstreit auf einen Kompromiss zwischen dem VKA und der NahVG, wie er betont. "Wir warten gespannt auf Entwicklungen", sagte er. Der Geschäftsführer Frank äußerte zudem Verständnis für die Forderungen, wenngleich der Streik inmitten der Corona-Pandemie zur Unzeit komme.

"Wir hoffen, dass der Arbeitgeber sich auf uns zubewegt", sagte Gewerkschaftssprecher Krammer am Dienstagmorgen vor dem Betriebshof der INVG am Nordbahnhof gegenüber unserer Zeitung. Er sehe in den Tarifforderungen auch die Belange der Fahrgäste mit berücksichtigt. Hintergrund dessen sei, dass der ÖPNV ausgebaut werden solle, um Individualverkehr von der Straße zu bekommen. Dafür sei es auch notwendig, das Berufsbild des Busfahrers interessanter zu machen, da für den Ausbau mehr Personal gebraucht würde. Bundesweit fehlten laut Krammer aktuell Tausende Busfahrer. Im bundesweiten öffentlichen Nahverkehr arbeiten derzeit rund 87000 Beschäftigte.

Klar scheint: Sollten sich die Tarifparteien nicht bald einigen, stehen bald sicherlich wieder (fast) alle Busse still.

DK

Michael Brandl