Berlin
War Anis Amri ein V-Mann?

Weiter Kritik am Umgang mit Berlin-Attentäter Debatte um Untersuchungsausschuss entbrannt

15.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Berlin (DK) Die Rede ist von einer "Woche der Wahrheit". Während die Bundesregierung einen umfassenden Bericht zu Fehlern und Versäumnissen der Sicherheitsbehörden im Fall Anis Amri angekündigt hat, wollen Union und SPD die Weichen für die weitere Aufklärung stellen.

Noch immer wird darüber gerätselt, warum die Ermittler so zurückhaltend gegenüber dem als Gefährder eingestuften Tunesier blieben. Anlass dafür sind Äußerungen von Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD), wonach es beim Umgang mit Amri auch darum gegangen sei, "mehr Erkenntnisse über mutmaßliche Zellen zu erlangen". Ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden soll den späteren Attentäter von Berlin einmal in die Hauptstadt gefahren haben.

War Amri Informationsbeschaffer für Verfassungsschützer und Ermittler? Die Landesregierung in Düsseldorf beeilte sich am Wochenende mit ihrem Dementi: Der Tunesier sei kein V-Mann gewesen. Ähnlich äußerte sich auch das Bundesinnenministerium.

Nun scheint ein Untersuchungsausschuss im Bundestag immer näher zu rücken. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) vollzog die Wende am Wochenende, dem Vernehmen nach ohne vorher den Koalitionspartner SPD unterrichtet zu haben. Die Sozialdemokraten sind alarmiert, schließlich steht in dem Fall mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger ein Parteifreund im Kreuzfeuer. Mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss rennt Fraktionschef Kauder bei seinem SPD-Kollegen Thomas Oppermann nicht unbedingt offene Türen ein. Darüber könne man zwar reden. "Allen muss aber klar sein, dass dies ein langwieriges, monatelanges Verfahren werden wird", so der Sozialdemokrat. Klar sei aber, dass der Fall Amri aufgeklärt werden müsse.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigt sich dagegen sehr offen für einen Untersuchungsausschuss. "Die Entscheidung über die Einsetzung sollte jetzt fallen. Unsere chronologische Aufarbeitung der Vorgänge, die wir in Kürze vorlegen werden, wird eine gute Grundlage für die Arbeit des Ausschusses sein", so der Minister. Das Bundeskriminalamt hat Medienberichten zufolge die polizeilichen Erkenntnisse über Amri in den Monaten vor dem Anschlag in einer Chronologie aufgelistet. Das vertrauliche Papier, das WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" nach eigenen Angaben vorlag, zeichnet nach, wie die Sicherheitsbehörden seit Oktober 2015 mit Amri verfahren sind. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass die Behörden einen Anschlag durch Anis Amri für unwahrscheinlich hielten.

Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) erklärte gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion: "In wenigen Monaten endet diese Wahlperiode. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein U-Ausschuss bei gründlicher Aufarbeitung der gesamten Problematik seine Arbeit bis Juni 2017 abschließen kann." ‹ŒKommentar Seite 2