Greding
Wahrzeichen kommt Kirche teuer zu stehen

Zweiter Abschnitt der Sanierung der Martinskirche kostet deutlich mehr als bei Untersuchung noch geschätzt

02.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:03 Uhr
Oberhalb der Stadt thront die Basilika St. Martin. Das romanische Bauwerk gilt nicht nur als Gredings Wahrzeichen, viele Touristen legen einen Halt ein, um sich das Gotteshaus näher anzusehen. −Foto: Luff

Greding (HK) Dass die Gredinger Basilika St. Martin einer umfassenden Sanierung bedarf, ist schon seit Jahren klar.

Bis Ende 2014 ist der Turm in Stand gesetzt worden - das war der erste Bauabschnitt. Über vier Jahre später denkt man allmählich daran, den zweiten Abschnitt folgen zu lassen. Schon diese Zeitspanne verdeutlicht, dass die katholische Kirchenstiftung ein Mammutprojekt vor der Brust hat, das nur schwer zu stemmen sein wird.

Auf Kosten von 1,83 Millionen Euro sind die drei Bauabschnitte taxiert worden, als vor rund acht Jahren das Gotteshaus - das Wahrzeichen der Stadt Greding - in einer Bauvoruntersuchung auf Herz und Nieren geprüft wurde. Goldene Zeiten - aus heutiger Sicht. Denn die Baubranche hat seither einen Boom erlebt, die Preise steigen Jahr für Jahr. So verschlingt nach neuerer Berechnung allein der zweite Abschnitt - betroffen sind hier das Dach und die Außenfassade des Langhauses - satte 1,2 Millionen Euro. Geschätzt waren seinerzeit 890000 Euro. Das Eichstätter Diözesanbauamt habe die ursprünglichen Kosten hochgerechnet, erklärt der Gredinger Stadtpfarrer Richard Herrmann. Ob diese Kosten nach der Ausschreibung zu halten sein werden? Niemand weiß es.

Umso mehr, weil noch in den Sternen steht, wann die Arbeiten tatsächlich begonnen werden können. Der Pfarrer ist dabei, mögliche Zuschussgeber abzuklappern. Der Stadtrat hat die üblichen drei Prozent, die die Kommune für kirchliche Vorhaben zuschießt, bereits bewilligt. Doch die 36000 Euro sind nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein, zudem gibt es diese Maximalsumme erst nach Abschluss der Bauarbeiten. Nach Abschluss des zweiten Bauabschnitts wohlgemerkt, eigentlich sollen in einem dritten Schritt die Raumschale des Langhauses und die Innenausstattung der Kirche auf Vordermann gebracht werden. Die Kostenschätzung von 2011 sah dafür 454000 Euro vor. Auch dieser Betrag dürfte sich, wenn es denn einmal so weit kommt, noch deutlich erhöhen. Vieles hängt an der Diözese Eichstätt.

"Im Herbst habe ich einen formlosen Antrag in Eichstätt gestellt", sagt Richard Herrmann. Immerhin: Die Diözese hat mittlerweile die Genehmigung für die "Vollplanung" erteilt. Das bedeutet, dass der Architekt Elmar Greiner beauftragt ist, ein Leistungsverzeichnis darüber zu erstellen, was im Detail zu erledigen ist. Und vor allem eine aktuelle Kostenschätzung vornimmt, den Verantwortlichen Zahlen an die Hand gibt, die auch wirklich belastbar sind.

Seit etwa zwei Jahren wende die Diözese neue Zuschussrichtlinien an, so Herrmann: "Die Finanzierungen stehen heute auf einem neuen Fundament. " In aller Regel werde ein Sockelbetrag von nur noch 25 Prozent bezahlt; soll es mehr geben, werde die Finanzkraft einer Pfarrei näher beleuchtet. "Und die ist schlecht", sagt Herrmann. Was wiederum gut ist, wenn man Geld bekommen will.

Weniger gut ist, dass Greding die pastorale Notwendigkeit des Gotteshauses nachweisen muss; nur wenn die gegeben ist, will die Diözese sich umfassend beteiligen. Was das konkret bedeutet, formuliert die Oberste Bauregel, sozusagen das Grundgesetz des diözesanen Bauwesens: "Das Ziel des diözesanen Bauwesens besteht darin, einen wichtigen Beitrag zum Dienst an der Sendung der Kirche zu leisten und die baulichen Voraussetzungen für die Verkündigung des Evangeliums, die Feier der Liturgie, das christliche Gemeinschaftsleben der kirchlichen Gruppen sowie die Erfüllung der Apostolatsaufgaben Caritas und Bildung zu schaffen und auf Dauer zu gewährleisten. " Einfacher ausgedrückt: Braucht man in Greding tatsächlich die Basilika St. Martin, damit die Gläubigen ihre Gottesdienste feiern können? Das zu begründen, wird nicht leicht, immerhin gibt es die Stadtpfarrkirche St. Jakobus, in der die meisten Gottesdienste gefeiert werden.

"Wir sind verpflichtet, ein pastorales Konzept zu erarbeiten", sagt Herrmann; hier sei der Pfarrgemeinderat gefragt. Der Gredinger Pfarrer sagt, St. Martin sei nötig, da man dort in der Nähe des Friedhofs Trauergottesdienste abhalten könne. Auch für Hochzeitsgesellschaften, die heutzutage zahlenmäßig weitaus kleiner ausfallen als noch vor Jahrzehnten, sei die Basilika, die deutlich weniger Menschen fasst als die Stadtpfarrkirche, ideal. Es gebe auch Gedankenspiele, in die Touristenseelsorge einzusteigen - ähnlich wie bei Autobahnkirchen. "Ich will dem Pfarrgemeinderat nicht vorgreifen", gibt sich der Geistliche zurückhaltend. Macht aber keinen Hehl daraus, dass er die Idee, die Nähe zur Autobahn zu nutzen, nicht ganz abwegig findet. Das Gotteshaus im romanischen Baustil sei ohnehin ein Magnet - einen Audio Guide zu erstellen, deshalb konsequent. Die Altarbeleuchtung in St. Martin könne heute schon jeder mit einem Knopfdruck einschalten; dies lasse sich beispielsweise mit einer Hörprobe, einem gregorianischen Choral verbinden, "das lädt zur Besinnung ein". Zudem verweist der Pfarrer auf geistlich-kulturelle Angebote wie die Reihe "30 Minuten Orgelmusik" sowie Gastspiele des Carmina-Chors, der Agbachlerchen oder auch der mittelfränkischen Kulturreihe "Fränkischer Sommer".

Das alles sollte als Begründung reichen, hofft Herrmann. Doch will sich der Pfarrer nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, umso mehr, da in Eichstätt das gesamte Baureferat neu aufgestellt worden sei. Auch habe das Bistum mittlerweile einen neuen Finanzdirektor. Erfahrungen mit den neuen Baurichtlinien hat Herrmann ebenfalls noch nicht; Kraftsbuch, das bis dato jüngste Projekt unter ihm, sei noch nach den alten Regeln abgewickelt worden.

Pfarrer Herrmann sieht sich deshalb auch beim Staat um, genauer gesagt vor allem beim Landesamt für Denkmalpflege und dem Entschädigungsfonds, aus dem der Erhalt von Denkmälern laut Gesetz mitfinanziert wird. "Wer von Mettendorf auf der Autobahn kommt, sieht als erstes die Basilika", sagt Richard Herrmann, "sie ist das Wahrzeichen Gredings. " Mehr noch: Das Gesamtensemble aus Kirche, Karner und Michaelskapelle sei "ein einzigartiges Zeitzeugnis" aus dem 11. und 12. Jahrhundert. "Diese Argumente werden wir in die Waagschale werfen", verspricht Herrmann.

Doch wisse er, dass die staatlichen Quellen derzeit nicht besonders stark sprudeln - die Töpfe sind weitgehend leer, genügend Anträge aber da. "Deshalb wird es wahrscheinlich in den nächsten zwei Jahren nichts", mutmaßt er. Zum Jahreswechsel hat eine neu besetzte Kirchenverwaltung mit dem Kirchenpfleger Jürgen Metzner das Ruder übernommen. "Sie verfolgt das Ziel, den zweiten Bauabschnitt anzugehen", sagt Herrmann. So habe es jüngst, Mitte Juli, einen Ortstermin in der Basilika gegeben mit Vertretern des Landkreises als der Unteren Denkmalschutzbehörde und Johanna Geib, der hiesigen Gebietsreferentin des Landesamts für Denkmalpflege. Die jedoch neu im Amt sei und sich erst einarbeiten müsse. Auch der Pfarrer will Schritt für Schritt gehen. Wenn es erst einmal belastbare Zahlen für die Sanierung gebe, wolle man die Geldquellen anzapfen. "Wenn dann einmal die Finanzierung steht, können wir anpacken. "

Zu guter Letzt stimmen Herrmann die Erfahrungen der Turmsanierung froh. Zahlreiche Gredinger Bürger und Vereine haben damals gespendet, zum Volksfest und am Weihnachtsmarkt gab es Gläser und Tassen, deren Verkauf der Sanierung zugutekam. Mehr als 100000 Euro seien so in zwei, drei Jahren zusammengekommen, mehr als seinerzeit der Eigenanteil der Gredinger Pfarrei betrug. "Den Rest haben wir in die Rücklagen für die Martinskirche gesteckt. "

 

Schleppdach drückt auf Mauern

Die Basilika St. Martin ist eine der bedeutendsten Kirchen der Gegend, ihre bauliche Anlage und Teile der Ausstattung aus mittelalterlichen Zeiten sind bis heute erhalten. Den Bau der Kirche kann man heute nicht mehr exakt datieren, doch steht fest, dass die vier unteren Turmgeschosse den ältesten Teil bilden – sie stammen aus dem 11. Jahrhundert. Im 12., im frühen 14. und im frühen 17. Jahrhundert wurde der Turm um je ein Geschoss erhöht, jedes Mal rückte auch der Glockenstuhl um einen Stock nach oben.  Die Strebepfeiler an des Westseite des Turmes wurden in der dritten Bauphase 1310 angebracht. 
Doch wurde auch das Langhaus im Lauf der Jahrhunderte entscheidend verändert. Dies ist einer der Hauptgründe, warum die Kirche heute einer grundlegenden Sanierung bedarf. Denn die romanische Basilika, ehedem als dreischiffige Pfeilerbasilika errichtet, bekam in der vierten Bauphase – sieben wurden bei der Bauvoruntersuchung 2011 zwischen dem 11. und dem 19. Jahrhundert nachgewiesen – eine spätgotische Konstruktion als Dach. Die Dachneigung erhöhte sich mit einem Schlag von 45 auf 62 Grad. Bis dato hatten die beiden Seitenschiffe Pultdächer. Später jedoch wurden die Seitenschiffe erhöht, die ursprünglich drei Dächer auf den drei Kirchenschiffen verschmolzen zu einem Schleppdach. Dadurch änderte sich die Optik von St. Martin entscheidend. Die Oberlichter im Mittelschiff, die dafür gesorgt hatten, dass das Sonnenlicht bis ins Kircheninnere strahlen konnte, wurden verdeckt. Dafür bekam das Seitenschiff im Süden weitaus größere Fenster, auch die Fenster in der Apsis des Langhauses vergrößerte sich. 
Durch die neue Dachkonstruktion „ist die reine Fläche des Daches größer geworden“, erklärt Pfarrer Richard Herrmann. Das habe nicht nur optische Auswirkungen, sondern auch statische: „Der Dachstuhl schiebt nach außen.“ Die eigentlich zu schwere Konstruktion drückte im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte derart aufs Mauerwerk, dass dieses dem Gewicht immer weniger standhält. Das Dach drückt die Kirchenmauer quasi nach außen weg. Risse, die heute deutlich im Mauerwerk zu sehen sind, sind die Folge. „Diesen Kräften, die nach außen drücken, muss Einhalt geboten werden“, beschreibt Pfarrer Herrmann den wichtigsten Ansatz der Sanierung. Das heutige Aussehen der Kirche zu verändern und es quasi in einen ursprünglichen Zustand zurückzubauen, sei jedoch nicht vorgesehen. Vielmehr bringe man moderne Bautechnik zum Tragen, richte die Statik etwa mit Hilfe von Ankern neu aus. 

Volker Luff