Wahlkampftipps auf Kosten der Steuerzahler

18.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:34 Uhr

München (DK) Die CSU steht wegen zweifelhafter Umfragen weiter unter Druck. Gestern veröffentlichte Resonanzstudien, die noch unter Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber in Auftrag gegeben wurden, zeigen: Die Union hat sich offenbar Wahlkampftipps auf Kosten der Steuerzahler geben lassen.

Die Empfehlung der Meinungsforscher könnte kaum eindeutiger sein: "Die Steuerpolitik der Bundesregierung kann problemlos als ungerecht und sozial unausgewogen angegriffen werden", heißt es da. Die Schlussfolgerung ergibt sich aus einer Umfrage, deren nackte Zahlen schon für sich sprechen. Drei Viertel der befragten Bundesbürger lehnen die Steuerpolitik als "eher ungerecht und sozial unausgewogen" ab.
 

Die Studie wurde im Januar 2002 vom Hamburger Institut GMS angefertigt. Auftraggeber war die bayerische Staatskanzlei unter Ministerpräsident Edmund Stoiber. Eigentlich sollte man meinen, dass die Regierungszentrale des Freistaats sich um bayerische Themen zu kümmern habe. Doch die Studie strotzt vor bundes- und europapolitischer Stimmung.

Neben der Steuerpolitik wird da zum Beispiel abgefragt, was die Bundesbürger von einem EU-Beitritt der Türkei halten. Außerdem interessiert man sich für die rechtspopulistische "Schill-Partei", die damals in Hamburg großen Erfolg hatte. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher, der das 125 Seiten dicke Papier gestern öffentlich machte, nennt es "eine breite Feldstudie für die Kanzlerkandidatur".

2002 trat Edmund Stoiber für die CDU/CSU als Kanzlerkandidat an. Im Wahlkampf mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) musste er ein großes Interesse an Informationen über mögliche Schwachpunkte der rot-grünen Bundesregierung haben. Und die wurden in der Studie reichlich gegeben. Neben dem Tipp, die Steuerpolitik zu kritisieren, empfehlen die Meinungsforscher auch, wirtschaftliche Probleme Deutschlands als "Resultat einer verfehlten Politik der Bundesregierung" darzustellen.

Doch nicht nur für die Bundestagswahl gab es Ratschläge. In einer Studie aus dem Jahr 2003 ist von einem "ausgesprochen günstigen" Klima für die CSU die Rede. Mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl solle die Partei die ökonomische Vorreiterrolle Bayerns weiter in den Vordergrund rücken. Auch in dieser Expertise und in einer weiteren aus dem Jahr 2004 werden Themen abgefragt, die eher wenig mit der bayerischen Landespolitik zu tun haben.

Schon vor einigen Wochen hatte eine vom aktuellen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2008 für Empörung gesorgt. Unter anderem wird der CSU darin empfohlen, den Koalitionspartner FDP politisch anzugreifen. Die Resonanzstudien wurden allerdings von der Staatskanzlei unter Verschluss gehalten. Erst nachdem Rinderspacher mit einer Klage vor dem Landesverfassungsgerichtshof gedroht hatte, gab die Regierungszentrale sie heraus.

Insgesamt hat die Staatskanzlei laut SPD 310 000 Euro für die Untersuchungen bezahlt. Nach Rinderspachers Ansicht sind die Resonanzstudien in dieser Form "nicht nur schamlos und unanständig, sondern definitiv auch nicht rechtens". Die CSU müsse zu einer Strafe von 620 000 Euro verpflichtet werden, fordert er. Das Doppelte dessen, was die Studien gekostet haben.

Auch Juristen halten einen Verstoß gegen das Parteiengesetz für möglich. Wenn die Studie Hinweise gebe, wie man die Bundesregierung am besten politisch angreifen kann, um Wahlen zu gewinnen, so sei das Partei ergreifend, sagt der Speyerer Parteienrechtler Hans Herbert von Arnim. "Dafür dürfen keine öffentlichen Mittel ausgegeben werden."

Die Staatskanzlei hält dagegen: Meinungsumfragen würden von Regierungen in Bund und Ländern seit Jahren durchgeführt, sagt Staatskanzleichef Siegfried Schneider (CSU). Diese seien für die Regierungsarbeit notwendig. Weil Bayern über den Bundesrat an der Bundespolitik beteiligt sei, müssten auch bundespolitische Themen aufgegriffen werden, sagt Schneider. Für die Empfehlungen sei das Forschungsinstitut verantwortlich, heißt es. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt spricht von "Oppositionsklamauk".

Wer Recht hat, wird sich in den kommenden Wochen entscheiden. Der Bayerische Oberste Rechnungshof und die Bundestagsverwaltung prüfen den Vorgang.