Bayreuth
Wagner für Kleine - ganz groß

Wie man die "Meistersinger" mit Top-Sängern für Kinder aufbereitet

31.07.2019 | Stand 23.09.2023, 8:01 Uhr
Ein einziges Ausstattungsfest: Szene aus der "Meistersinger"-Version für Kinder bei den Bayreuther Festspielen. −Foto: Festspiele/Nawrath

Bayreuth (DK) In Bayreuth sagt man scherzhaft, es solle Erwachsene geben, die sich ein Kind leihen würden - eigens für die Kinder-Vorstellungen am Grünen Hügel. In die nämlich kommt nur, wer auch junges Publikum mitbringt.

Nun schon im 11. Jahr gibt es jährlich es ein neues Stück aus dem Wagnerschen Werkkanon auf der Probebühne IV beim Festspielhaus. Dafür erstellt Festspielleiterin Katharina Wagner sogar selbst gemeinsam mit Markus Latsch kindgerechte Fassungen der Werke. Im Fall der neuen "Meistersinger für Nürnberg" ist schon diese Version ein Kunststück an sich, denn sie erzählt die Geschichte vom Ritter, der in die Stadt kommt und dort ein Meistersinger werden muss, um seine Liebe zu erobern, stringend in 75 Minuten statt in gut fünf Stunden. Und das ohne dass Wesentliches fehlt.

Selbst die Aussage Wagners, dass neue Kunst nicht ohne alte Regeln auskommt, wird hier verständlich verpackt. Einzig die Gefühle von Hans Sachs zu Eva und deren Überwindung sind gestrichen. Verständlich, da für Kinder zu kompliziert.

Szenisch findet man alles, was es auf der großen Bühne schon lange nicht mehr gibt: Schusterstube, Kirche, Butzenscheiben, sogar einen Flieder (Bühne: Ivan Ivanov).

Das Ganze ist - auch wegen der fantasievollen Kostüme (Ina Kromphardt) und der Maske (Studierende der Theaterakademie August Everding) - ein einziges Ausstattungsfest, das aber in keiner Sekunde altbacken daher kommt. Man nimmt die einzelnen Meister liebevoll aufs Korn, etwa den eitlen Meister Pogner mit Brokat, riesigen Ringen und kleinen Löckchen. Walther von Stolzings Haarschopf sieht gar genauso aus wie einst der von Peter Hoffmann. Die Prügelszene wird zur Kissen- und Apfelschlacht, und das von allen (Kindern) gesungene "Wach auf" weckt die danach erschöpft schlafenden Meister. Kurzum: Die Inszenierung von Dirk Girschik ist frech, witzig und sorgt dafür, dass auch die Kinder dran bleiben.

Was auch daran liegt, dass man spontan fasziniert ist von den unglaublichen Sängerinnen und Sängern, die da greifbar nahe ihre Stimmen erschallen lassen. Und welche Stimmen! Vincent Wolfsteiner singt sich von "Fanget an" bis "Morgendlich leuchtend" mit strahlender Tenorhöhe durch den Walther, der belgische Bass-Bariton Werner van Mechelen lässt Sachs'sche Töne hören und auch Christiane Kohl wie Simone Schröder (Eva/Magdalene) sind voll tönend bei der Sache. Spannend für alle, die auch die "großen" Meistersinger im Festspielhaus kennen: Sänger, die hier in kleineren Rollen als Meistersinger zu erleben sind, kommen in der Kinderoper groß raus.

Wie Armin Kolarczyk als Beckmesser und Timo Riihonen als Pogner. Und Stefan Heibach hat eben nicht nur den Schneider Augustin Moser auf den Stimmbändern, sondern auch schon den David.

Auch die Kinderfassung der "Meistersinger" glänzt mit allen 13 Solisten. Sie übernehmen zudem den Chor, wo nötig. Keine musikalische Schlüsselstelle fehlt, dank der geschickten Bearbeitung von Marko Zdralek. Das Brandenburgische Staatsorchester und der Dirigent (Azis Sadikovic), hinter der Bühne platziert, werden ins Spiel mit einbezogen und musizieren mit Wohlklang und Herzblut. Ein großes Bravo, nicht nur von allen Kindern. Das ist Wagner zum Verlieben!

 

DAS STÜCK


Theater:Bayreuther Festspielhaus, Probebühne IV
Musikalische Leitung: Azis Sadikovic
Regie: Dirk Girschik
Bühne: Ivan Ivanov
Dauer: 75 Minuten
Vorstellungen: Bis 4. August.
 

Barbara Angerer-Winterstetter