Schrobenhausen
Wachstum ist eine Frage der Entscheidung

Zum Tod des Stadtreinigers und einfachen Philosophen mit weitem Herzen, Werner Leinberger

22.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:55 Uhr
Einer der glücklichsten Momente seines Lebens: Stolz präsentiert Werner Leinberger seine Fahrerlaubnis. −Foto: SZ-Archiv

Schrobenhausen - Er war nicht berühmt. Er war nicht reich. Keiner mit großer schulischer und beruflicher Ausbildung. Er war ein bescheidener Mensch. Mit Herzensbildung. Einer, den viele kannten. Und mochten. Einer, der viele kannte. Und viele mochte. Einer, der seine Spuren hinterlassen hat. Einer, den man vermisst. Am meisten dann, wenn er auf einmal nicht mehr da ist. Einer wie Werner Leinberger. Jetzt ist er gegangen. Für immer.

Der Mann, der viele Jahre einfach zum Stadtbild dazu gehörte. Als Stadtreiniger. Auffällig unauffällig. Oder unauffällig auffällig. Jetzt ist er gestorben, 70-jährig. Unauffällig.

"Alkohol ist derreine Selbstmord"

Werner Leinberger war alles andere als ein sorgenfreies Leben mit besten Voraussetzungen für eine vielsprechende Zukunft in die Wiege gelegt. Aber er hat allen Unbillen zum Trotz sein Leben in den Griff bekommen. Weil er, wie er einmal gesagt hat, davon überzeugt war: "Du darfst niemals aufhören, an dir zu arbeiten". Und da gab es viel zu tun für den "Leimi". Wie er von vielen genannt wurde, obwohl er diesen Spitznamen selbst nicht gerne hörte. Am meisten hatte Werner Leinberger der Alkohol zu schaffen gemacht. Das Verlangen danach - darüber hat er selbst stets ganz offen gesprochen - hat sich der 1951 in der Schrobenhausener Hanfröste Geborene schon als Bub zu Hause von den Eltern abgeschaut. Und es wurde immer schlimmer. Bis Werner Leinberger erkannte: "Alkohol ist der reine Selbstmord."

Und dann hat er es eines Tages geschafft. Das Gesundheitsamt hat ihm dabei geholfen, später auch die Anonymen Alkoholiker sowie eine Selbsthilfegruppe.

Der 25. März 2000 wurde zum entscheidenden Datum in seinem weiteren Leben. Seit diesem Tag nämlich hat Werner Leinberger keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Ab diesem Zeitpunkt begann sein Leben mehr und mehr in geordneten Bahnen zu verlaufen. Großen Anteil daran hatte die Beschäftigung bei der Stadt Schrobenhausen. Hier war er vom damaligen Bürgermeister Josef Plöckl über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) als Stadtreiniger engagiert worden. Eine Beschäftigung, die später über das Arbeitsamt verlängert worden war. Zum Glück für Werner Leinberger. Und zum Glück für Schrobenhausen. Denn der Stadtreiniger sorgte dafür, dass die Stadt ein kleines bisschen sauberer wurde.

Als besonderen Meilenstein in seinem Leben empfand Werner Leinberger schließlich den erfolgreichen Erwerb des Führerscheins, den er mit null Fehlern in der theoretischen Prüfung bestanden hatte.

"Kein Menschmuss stillstehen"

Über die Veränderung in seinem Leben hat Werner Leinberger selbst am meisten gestaunt. Da fragte er sich selbst schon mal: "Bin ich noch der, der ich war?" Mitunter wurde der "Werner" - wie er jetzt von Freunden und Bekannten genannt wurde - in solchen Momenten zu einer Art einfachem Philosophen mit weitem Herzen. Und formulierte Gedanken wie: "Ich lerne loszulassen und weiter zu werden, das genaue Wissen abzugeben und das Ahnen zu üben." Dabei geholfen habe ihm nach eigenen Worten nicht zuletzt "der Glaube an eine höhere Macht, an ein höheres Wesen". Was er allerdings nicht näher definieren konnte und mochte. Außer, dass er sagte: "Ab und zu gehe ich auch in die Kirche, weil man das braucht." Alles stets in dem Bewusstsein: "Dein Wille geschehe."

Jetzt hat Werner Leinberger endgültig losgelassen. Wurde vermisst, als er nicht mehr wie bis zuletzt fast täglich zur Mittagszeit zum Plöckl Sepp und zur Stief Martha ins Wirtshaus Zum Schimmelwirt gekommen ist. Die Wirtin war darauf aufmerksam geworden. Und dann wurde Werner Leinberger in seiner Wohnung gefunden. Tot.

Was bleibt, sind viele erinnernswerte Begegnungen und dieser Satz von Werner Leinberger: "Ich staune über meine veränderte Form und begreife tiefer und tiefer, dass ich nicht statisch bin, dass kein Mensch stillstehen muss. Wachstum ist eine Frage der Entscheidung. "

SZ

Stephan Boos