Geisenfeld
Wachsende Aufgaben "nicht mehr zu stemmen"

Funktionäre stellen Antrag auf Auflösung des Wasserverbandes Ilm III - Ausgang und Konsequenzen noch völlig offen

13.05.2019 | Stand 02.12.2020, 13:59 Uhr
Auch für das Wehr bei Geisenfeld (Foto) und noch zwei weitere solcher baulichen Anlagen bei Fahlenbach und Rohrbach ist der Wasserverband Ilm III zuständig. Dieser sieht sich nicht in er Lage, die immensen Kosten für die anstehenden Sanierungen zu schultern. −Foto: Kohlhuber

Geisenfeld (zur) Die Funktionäre des Wasserverbands Ilm III haben sprichwörtlich "Kanal voll". Sie sind geschlossen zurückgetreten und haben mit Zustimmung der Mitgliederversammlung einen Antrag auf Auflösung des Verbandes gestellt. Und damit ein kompliziertes Verfahren eingeleitet -mit offenem Ausgang.

 


Zu dem Schritt entschlossen haben sich die Vorstandsmitglieder, die vielfach über 30, ja gar bis zu 50 Jahren im Amt waren, angesichts wachsender Aufgaben, "die weder personell noch finanziell zu stemmen sind", wie Hubert Grabmair als bisheriger Vorsitzender erklärt. So stünden im Verbandsgebiet "riesige Investitionen" für die drei über 70 Jahre alten Wehre in Geisenfeld, Fahlenbach und Rohrbach an. Geschätzte Kosten pro Wehr: 500000 Euro. "Diese aufzubringen ist für uns unmöglich", so Grabmair. Allein schon wegen der rechtlichen Komplexität der Materie sei "die Erhebung einer Umlage nicht durchführbar". Der scheidende Vorsitzende fürchtet das Damoklesschwert privater Haftung, denn "wenn ein Hochwasser kommt und unsere Wehre nicht halten, dann können wir alle Insolvenz anmelden".

Vergällt hat den Funktionären ihre Tätigkeit auch "die mangelnde Unterstützung seitens der Politik". Er arbeite nun schon seit fünf Jahren darauf hin, "dass die Ilm und die Wehre in Staatshand übergehen und der Wasserverband nur noch für die Instandhaltung der Gräben zuständig ist", erklärt Grabmair. Sogar beim damaligen Staatsminister Marcel Huber habe er mit Bürgermeister Staudter vorgesprochen. Ohne Ergebnis. Offenbar habe man in der Staatsregierung befürchtet, mit einem Entgegenkommen "ein Fass aufzumachen". Schließlich steht der Wasserverband Ilm III mit seinen Problemen nicht allein da. Diese, so Grabmair, seien vielmehr "symptomatisch" auch für andere Wasserverbände.

Sichtlich genervt ist Grabmair vom "Wunschdenken" der Bevölkerung. Man solle das Ufer für Hunde absturzsicher gestalten oder die Wege asphaltieren, "damit sie nicht so stauben", seien da nur zwei von vielen Beispielen. Und wenn es um das gewünschte Fällen von Bäumen, das Fangen von Bisamratten oder des Bibers gehe, dann "sind wir, was oft nicht bedacht wird, an verschiedene Vorschriften gebunden", ergänzt er.

Die "nicht mehr tragbaren Rahmenbedingungen" haben laut Protokoll den Vorstand in der Sitzung vom 12. Februar dazu gebracht, komplett (mit Ausnahme eines krankheitsbedingt abwesenden Mitglieds) von ihrem Ehrenamt zurückzutreten. Dem Rücktritt des Vorstands folgte der Antrag auf Auflösung des Verbands, dem bei der Vollversammlung am 8. April 27 der 29 anwesenden Mitglieder zustimmten.

Das Schreiben liegt nun beim Landratsamt als Aufsichtsbehörde, die ihrerseits klarstellt: "Eine Auflösung mit sofortiger Wirkung kommt nicht in Betracht, da die verlässliche Wahrnehmung der Aufgaben sichergestellt sein muss." So lange der Verband als Rechtspersönlichkeit existiere, sei der gewählte Vorstand verantwortlich und haftbar. Er könne zwar zurücktreten, bleibe allerdings bis zu einer Neuwahl oder dem Abschluss der Abwicklung des Verbandes in der Pflicht, wenn es etwa kurzfristig notwendige Maßnahmen zu treffen gilt.

Angesichts von Vorwürfen, die bei der Bürgerversammlung in Zell gegen den Grabenverband vorgebracht wurden (GZ berichtete) hatte Bürgermeister Christian Staudter (USB) noch versichert, man werde nach einer Lösung suchen. Obwohl man als Kommune nicht zuständig sei, stehle man sich nicht aus der Verantwortung. Man sei bereit, den Verbänden "finanziell und von der Arbeitskraft her zur Seite zu stehen". Nicht aber, deren Aufgaben "ganz zu übernehmen". Als Beispiele führte er die Unterstützung bei der anstehenden Sanierung des Wehrs bei Nötting an, für das allerdings der Wasserverband Ilm II zuständig zeichnet.

Mit der neuesten Entwicklung beim Wasserverband Ilm III konfrontiert, erklärt der Rathauschef nun: "Der vorliegende Fall ist für uns eine komplett neue Situation, deren Konsequenzen wir in aller Ruhe überdenken müssen." Generell sei er froh um jeden Wasser- und Grabenverband, der sich engagiere. Es gelte, Lösungen für deren Probleme zu finden, "um drohende Auflösungen zu verhindern".

 

Die Geschichte der Verbände

Um die Rolle der Verbände zu verstehen, müsse man etwas zurückgehen in der Geschichte, erklärt der Vorsitzende des Wasserverbandes Ilm III, Hubert Grabmair. Die Flächen an der Ilm seien von Natur aus „oft sehr nass und wenig ertragreich“. Um die Nahrungsmittelversorgung zu verbessern, sei deshalb in den Kriegsjahren vom Naziregime unter Einsatz des Arbeitsdienstes die Schaffung von Drainagen, die Begradigung von Grabenverläufen und der Bau von Wehren vorangetrieben worden. „In der Folge übertrug man den Landwirten die Verantwortung für deren Pflege“, erklärt Grabmair. Für die verschiedenen Flussabschnitte wurden Wasserverbände gegründet, und auch der  Wasserverband Ilm III erhielt 1952 gemäß dem Wasserverbandsgesetz des Bundes  eine eigene Satzung.  Die Satzung sieht vor, dass im Zuständigkeitsbereich des Verbandes (von Rohrbach bis Geisenfeld) die Ilm nebst Ufer sowie die dazugehörigen Wehre und Entwässerungsgräben in den Besitz und damit den Verantwortungsbereich des Verbandes übergehen. Er finanziert sich aus Beiträgen der anliegenden Grundstückseigentümer – im konkreten Fall der 1200 Mitglieder   – sowie nach Auskunft des Landratsamtes auch aus staatlichen und kommunalen Zuschüssen.  

 

RECHTLICHE SITUATION

Im Verbandsgebiet, das von Rohrbach bis zum Ortseingang von Geisenfeld reicht,  ist die Ilm ein Gewässer zweiter Ordnung. Dementsprechend wird die Verteilung der Aufgaben – also die Frage der Unterhaltungslast –  und der Vermögenswerte erst im Liquidationsverfahren festgelegt , mit dessen Durchführung ein Jurist beauftragt wird. Erst nach Abschluss dieses Prozesses und der Veröffentlichung im Amtsblatt ist der Verband rechtmäßig aufgelöst. Es stehe zu vermuten, dass in der Folge die betroffenen Flussabschnitte selbst dem Wasserwirtschaftsamt zugeteilt werden und die Wehre, Uferbereiche und Gräben den Kommunen zufallen. Diese könnten gegen eine solche Entscheidung allerdings Rechtsmittel einlegen, so die Erklärung seitens der Behörde.