Wolfsburg
VW will mehr Diesel nachrüsten

Software-Update für vier Millionen Autos Gewinn steigt kräftig im Halbjahr

27.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Wolfsburg (DK) Diesel-Krise, Kartellvorwürfe, drohende Fahrverbote: VW will gegensteuern und bietet an, noch mehr Autos nachzurüsten. Die Geschäfte laufen ansonsten gut. Aber neuer Ärger dürfte nicht weit sein.

Im Kampf gegen drohende Fahrverbote in deutschen Großstädten will Volkswagen zusätzliche Diesel-Autos per Software-Update nachrüsten. Der Konzern werde anbieten, insgesamt vier Millionen Fahrzeuge nachzubessern und damit deren Emissionen deutlich zu senken, sagte VW-Konzernchef Matthias Müller gestern nach einem Gespräch mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in Wolfsburg .

Volkswagen muss wegen des Skandals um manipulierte Diesel-Motoren ohnehin mehr als 2,5 Millionen Autos umrüsten - diese sind in den vier Millionen Fahrzeugen enthalten. Bislang ist bei knapp 1,9 Millionen Autos das Update aufgespielt. Die Tochter Audi will angesichts der Diskussion um Diesel-Fahrverbote europaweit bis zu 850 000 Fahrzeuge nachrüsten lassen. In Deutschland sind es rund eine halbe Million Autos, die ebenfalls zu den genannten vier Millionen zählen.

Dazu kommen weitere etwa 900 000 Autos, die sich aus VW-Transportern T 5 und T 6 überwiegend mit Euro-5-Abgas-Norm sowie mehreren Modellen etwa von Seat oder Skoda zusammensetzen. Daimler will rund drei Millionen Autos nachrüsten.

Hendricks äußerte sich ungewöhnlich scharf zur Autobranche sowie zur Beziehung zwischen Politik und Herstellern: "Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenheit zu häufig an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen." Die jüngsten Vorwürfe über Kartellabsprachen von Konzernen hätten weiteres Vertrauen zerstört. Trotz der von den Autobauern vorgesehenen Umrüstungen hält Hendricks kurz vor dem "Diesel-Gipfel" am kommenden Mittwoch Fahrverbote wegen zu hoher Stickoxidwerte weiterhin für möglich.

Am Mittwochabend hatte der VW-Vorstand den Aufsichtsrat über den Sachstand in Sachen Kartellvorwürfe informiert - VW ist sich aber keiner illegalen Absprachen bewusst. Das Unternehmen hält den Austausch zu technischen Fragen für "weltweit üblich". Die EU-Kommission prüft derzeit Informationen, wonach sich VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche in verschiedenen Fragen mutmaßlich abgesprochen haben sollen.

Die Kartellvorwürfe sorgen nun auch in den USA für Zündstoff. Drei Kunden beschuldigten Volkswagen, Daimler und BMW, mit illegalen Absprachen zu Preisen und Abgas-Technik gegen US-Wettbewerbsrecht verstoßen zu haben. Die entsprechende Klage, hinter der die Kanzlei Robins Kaplan steht, wurde am Dienstag bei einem Gericht im Bundesstaat New Jersey eingereicht. Die US-Anwälte berufen sich im Wesentlichen auf Informationen aus deutschen Presseberichten.

Müller betonte, VW wolle einen Beitrag zum Erfolg des "Diesel-Gipfels" am 2. August leisten. Zur Wahrheit gehöre, "dass wir auch in Zukunft saubere und effiziente Verbrennungsmotoren brauchen in einer Übergangsphase hin zur Elektromobilität". Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) warnte gleichzeitig vor einer unseriösen Debatte über ein Ende von Fahrzeugantrieben mit Diesel- und Benzinmotoren. Er halte es "nicht für sehr zielführend, heute davon zu sprechen, dass man den Verbrennungsmotor beerdigen könnte", sagte Dobrindt.

Trotz aller Widrigkeiten rund um Abgas-Skandal und Kartellverdacht konnte VW den Gewinn im 1. Halbjahr fast verdoppeln. Unterm Strich verdiente der Konzern knapp 6,6 Milliarden Euro, nach rund 3,6 Milliarden Euro im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Angesichts guter Verkaufszahlen peilt der Autobauer im Gesamtjahr nun mehr Umsatz als geplant an: Die Konzernerlöse dürften 2017 um mehr als 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen. Vorher war VW von bis zu 4 Prozent ausgegangen.

Bei der Ingolstädter VW-Tochter Audi sank den Angaben zufolge der Absatz in der ersten Jahreshälfte auf rund 783 000 Fahrzeuge - nach rund 799 000 Autos im gleichen Vorjahreszeitraum. Der Umsatz wurde allerdings mit 30,143 Milliarden Euro und das operative Ergebnis mit etwa 2,68 Milliarden Euro stabil gehalten. In den Finanzkennzahlen von Audi seien auch die Marken Lamborghini und Ducati enthalten, hieß es ergänzend.

Im 2. Quartal steigerten die Wolfsburger den Umsatz im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum um 4,7 Prozent auf 59,7 Milliarden Euro. Unterm Strich verdiente VW in dem Zeitraum rund 3,2 Milliarden Euro - fast dreimal so viel wie vor Jahresfrist. Vor einem Jahr hatte die Bewältigung der Diesel-Affäre mit Milliarden zu Buche geschlagen.

Bei der Ergebnisprognose für das Gesamtjahr 2017 blieb VW-Finanzchef Frank Witter vorsichtig. Vom Umsatz sollten vor Zinsen und Steuern 6 bis 7 Prozent als operativer Gewinn hängen bleiben. Nach dem 1. Halbjahr steht der Wert bei 7,7 Prozent. "Das Ergebnis wurde durch ein Verkaufsplus beflügelt", sagte er. Und weiter: "Ich bin überzeugt: Wir sind für den Wandel der Automobilbranche und für die Zukunftsthemen finanziell gerüstet."