VW-Ingenieure sollen mehr arbeiten - Betriebsrat zieht rote Linien

20.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Wolfsburg (dpa/dk) Es wird ernst bei VW: Die gewinnschwache Pkw-Kernmarke muss sparen - seit dem Abgas-Skandal erst recht. Das Management dringt nun auf milliardenschwere Sparziele und Mehrarbeit für Fachkräfte. Doch der Betriebsrat zieht rote Linien, stellt seinerseits Forderungen auf.

Turbulente Zeiten für die VW-Belegschaft: Der Autobauer will die kriselnde Pkw-Kernmarke mit milliardenschweren Sparprogrammen, Jobabbau und womöglich auch mit Einschnitten im Tarif auf Zukunftsfähigkeit trimmen. So hat VW-Markenchef Herbert Diess für Tausende VW-Fachkräfte fünf Stunden mehr Arbeitszeit pro Woche ins Spiel gebracht. Diess sprach am Donnerstag im Wolfsburger Stammwerk bei der Betriebsversammlung von einer 40-Stunden-Woche für die Mitarbeiter in der Technischen Entwicklung (TE). Bisher gilt für sie laut VW-Haustarif in aller Regel eine 35-Stunden-Woche.

Generell will Volkswagen mit einem „Zukunftspakt“ bis Ende 2020 bei der Pkw-Kernmarke rund 3,7 Milliarden Euro Sparvolumen freischaufeln. Teile dieser Zielsumme resultierten bereits aus Ansätzen aus dem 2014 gestarteten Effizienzprogramm, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur.

Details zu der Diess-Aussage zu den 40 Stunden waren zunächst nicht zu erfahren - das Treffen in Wolfsburg war nicht öffentlich. Fraglich ist etwa, ob Diess die 40-Stunden-Woche als eine Forderung oder als eine Option nannte, ob er damit Lohnausgleich verknüpft sehen will und an welchen Zeithorizont er denkt. Der VW-Haustarif läuft noch gut ein Jahr. Der VW-Betriebsrat hatte zuletzt mehrfach betont, bestehende Regelungen wie das Tarifwerk stünden nicht zur Debatte.

Nach dpa-Informationen will Diess seine Ansage nicht als Forderung verstanden wissen. Es gehe ihm um Lösungen für ein Nadelöhr. Die TE leidet seit Monaten unter den Arbeitsspitzen des Diesel-Rückrufes. Dafür müssen technische Lösungen für Hunderte Software-Updates gefunden werden. Das erhöht den Zeitdruck auf die alltägliche Arbeit an neuen Modellen und Antrieben. Diess' Thematisierung der 40 Stunden sei daher in erster Linie als eine Wertschätzung für die wichtige Arbeit in der TE zu verstehen, die als Gehirn des Autobauers gilt.

Laut Unternehmensdarstellung arbeiteten allein in der Wolfsburger TE zuletzt „über 9300“ Menschen - ein Spitzenwert der Branche weltweit.

Das seinerzeit noch unter dem damaligen Konzern- und Markenchef Martin Winterkorn aufgelegte Effizienzprogramm hatte als Sparziel fünf Milliarden Euro. Dabei ging es um ein jährliches Volumen, das im Vergleich zum Status quo 2014 bis 2017 erreicht werden sollte. Damals ging es vor allem um die Struktur des Autobauers, um verbesserten Einkauf und die Reduzierung von Komplexität in der Entwicklung, indem Doppelarbeit vermieden wird. Auch überbordende Vielfalt soll sinken.

Das neue Ziel der 3,7 Milliarden Euro aus dem Zukunftspakt, den Betriebsrat und Unternehmen derzeit verhandeln, könne nicht auf die fünf Milliarden aus dem Effizienzprogramm addiert werden, hieß es aus Konzernkreisen. Teils seien die Bereiche nämlich deckungsgleich. Der Zukunftspakt soll in den nächsten Wochen abgeschlossen werden.

Mit ihm wollen Betriebsrat und Unternehmen Reformen in der gewinnschwachen Kernmarke VW-Pkw mit Sicherheiten für die Belegschaft vereinen. Dabei geht es um die Aufgaben der Standorte, etwa im VW-Motorenwerk Salzgitter, das wegen der Elektromobilität absehbar Arbeit verliert.

Generell soll geklärt werden, wie die Standorte auf Branchentrends wie Digitalisierung und alternative Antriebe reagieren. Es geht um Produkte, Stückzahlen, Investitionen und Belegschaftsstärken. Auch ein Hebel für Jobabbau über Frührente und Altersteilzeit gehört dazu.

Der VW-Betriebsrat hat in den Gesprächen für den Zukunftspakt laut dpa-Informationen vier Punkte als nicht verhandelbar erklärt. Betriebsbedingte Kündigungen dürfe es nicht geben und an bestehenden Verträgen wie dem VW-Haustarif - mit Regeln etwa für Einkommen und Arbeitszeit - sei nicht zu rütteln. Zudem müsse der geforderte Jobabbau über Frührente und Altersteilzeit „entlang der demographischen Kurve stattfinden“, das Stellenstreichen müsse sich also an vorhandenen Altersstrukturen orientieren. Als Punkt vier fordert der Betriebsrat außerdem: „Standortgrößen (Beschäftigtenzahl) müssen im Rahmen des Zukunftspaktes festgelegt und garantiert werden.“ So steht es in einem Schreiben an Belegschaften der deutschen VW-Standorte.

Mit dem Brief wird klar: Dem Betriebsrat geht es darum, für die Einschnitte bei dem geplanten künftigen Stellenabbau keinen Hebel abzusegnen, den die Arbeitgeber am Ende zu weit umlegen könnten. Der Zukunftspakt sei mehr als nur ein reines Sparprogramm. Es gehe auch um Zusagen für „Kompetenzen und Produkte an unseren Standorten“ - also am Ende um Arbeit für die Zukunftsthemen wie Elektromobilität.

Laut „Bild.de“ ging es bei der Betriebsversammlung hoch her. Markenchef Diess sei ausgebuht worden. Das Online-Portal berichtete ebenfalls von der Aussage 40-Stunden-Woche, nannte jedoch zunächst auch keine Details.