VW-Chef Winterkorn bleibt länger - doch es warten große Baustellen

02.09.2015 | Stand 08.08.2018, 9:43 Uhr

Wolfsburg (dpa) VW-Boss Martin Winterkorn ist und bleibt der starke Mann in Wolfsburg. Doch Volkswagen sendet mit der Verlängerung seines Vertrags noch andere Signale: Eine Nachfolgeregelung ist verschoben. Winterkorn wechselt vorerst nicht an die Spitze des Aufsichtsrats. Und der 68-Jährige bekommt nun mehr Zeit, die vielen Probleme im Riesenimperium zu lösen - die Herausforderungen allerdings sind nicht kleiner geworden.

Winterkorns Vertrag lief ursprünglich noch bis Ende 2016, er soll nun eine Vertragsverlängerung bis Ende 2018 bekommen. VW wolle mit Winterkorn "die Ziele der Strategie 2018 konsequent umsetzen", erklärte der amtierende VW-Aufsichtsratschef Berthold Huber.

Das kann man auch als klaren Auftrag verstehen. In der "Strategie 2018" sind klare Absatz -und Renditeziele definiert. Zwar hat Winterkorn den Konzern seit seinem Amtsantritt als Vorstandschef 2007 näher an die Weltspitze geführt und Absatz sowie Beschäftigung deutlich gesteigert.

Einen Kommentar zum Thema von unserem Wirtschaftsredakteur Carsten Rost lesen Sie hier" domain="www.donaukurier.de" target="_blank"%>

Zugleich aber haben sich in den vergangenen Monaten und Jahren einige Probleme aufgestaut: Die Absatzprobleme auf dem wichtigen US-Markt, auf dem Volkswagen nicht vom Fleck kommt; die schmale Rendite der Kernmarke VW rund um den Bestseller Golf; die Lkw-Allianz, die nur schleppend vorankommt. Dazu kommen die großen Herausforderungen der Branche: der Umstieg auf alternative Antriebe und der digitale Wandel hin zur vernetzten Mobilität.

Es waren Schwachstellen wie die geringe Rendite der Kernmarke, die Beobachter auch hinter der Attacke des damaligen Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch im Frühjahr vermuteten: "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn", hatte Piëch damals dem "Spiegel" gesagt - und damit einen beispiellosen, erbitterten Machtkampf an der Volkswagen-Spitze entfacht. Am Ende siegte Winterkorn, weil er eine Allianz aus dem VW-Betriebsrat, dem Land Niedersachsen als VW-Großaktionär und der Familie Porsche hinter sich wusste, die ihrerseits auf Distanz zur Miteigentümer-Familie Piëch ging.

Die Entscheidung zugunsten Winterkorns im Frühjahr sah eigentlich vor, dessen Vertrag in der Februar-Aufsichtsratssitzung des Jahres 2016 zu verlängern. Nun kommt dies also früher als erwartet, der Aufsichtsrat soll den Vertrag des VW-Chefs bereits in seiner Sitzung am 25. September verlängern.

Doch was heißt das für ihn und für den Konzern? Winterkorn selbst wurden immer wieder Ambitionen nachgesagt, nach seinem Job an der Konzernspitze VW-Aufsichtsratschef werden zu wollen. Jürgen Pieper, Auto-Experte vom Bankhaus Metzler glaubt: "Wenn er das will, ist der Zug dafür noch nicht abgefahren, aber es wird natürlich schwieriger und unwahrscheinlicher." Pieper hält es für möglich, dass VW nun erst einmal einen Übergangs-Aufsichtsratschef benennt.

Klar ist: Winterkorn steht vor großen Aufgaben. Das konjunkturelle Umfeld allerdings ist für den Konzern schwieriger geworden. Die Verkäufe auf dem wichtigsten VW-Einzelmarkt, China, schwächeln. In Brasilien und Russland liegen die Automärkte schon länger und laut Experten voraussichtlich auch noch eine ganze Weile brach. Auch im Lastwagengeschäft gebe es noch Nachholbedarf, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Bei den Autos fährt der VW-Konzern eine Gleichteile-Strategie, um die Kosten zu drücken - dies müsse VW auch in der Lkw-Sparte hinbekommen.

Und dann ist da das für VW leidige Thema Rendite. Bei der Pkw-Kernmarke blieben im ersten Halbjahr knapp 2,7 Prozent des Umsatzes als operativer Gewinn übrig. Der Wert war damit zwar besser als im Vorjahr, aber noch immer deutlich unter den Renditen der Konkurrenz, vor allem unter der des Erzrivalen Toyota. "Die Erträge versanden auch in der schieren Größe und Komplexität des VW-Konzerns", bemängelt Analyst Pieper.

Diese Struktur will Winterkorn nun angehen. Das Wolfsburger Auto-Imperium mit seinen inzwischen zwölf Marken soll entflochten werden, das bis zum Frühjahr zentralistisch auf das Duo Winterkorn/Piëch zugeschnitten war.

Das Motto lautet: Dezentralisierung. Geplant ist eine Viererstruktur - so sollen unter anderem die Massenmarken VW-Pkw, Skoda und Seat eine der Säulen bilden. Außerdem sollen die einzelnen Regionen mehr Verantwortung bekommen. Im Oktober sollen erste Ergebnisse dieser Überlegungen stehen - VW steht vor einem großen Umbau.

Und trotz der Vertragsverlängerung für Winterkorn dürfte die Kronprinzen-Debatte nicht beendet sein. Als Favorit auf die Nachfolge Winterkorns gilt derzeit bei Branchenkennern der ehemalige BMW-Entwicklungschef Herbert Diess, der seit Juli die renditeschwache Konzern-Kernmarke Volkswagen leitet - er muss sich nun beweisen.