Hafenlohr
Vorsicht, Bache!

Paar im Spessart flüchtet vor Wildschweinen auf Holzstoß - Auch Ingolstädter Jäger war schon mal Opfer

16.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:13 Uhr
Eine Bache und ihre Frischlinge: Wer im Wald oder auf freier Flur auf Wildschweine trifft, sollte lieber Abstand halten und den Rückzug antreten. Die Muttertiere verteidigen ihren Nachwuchs vehement. −Foto: Richter

Hafenlohr/Ingolstadt (DK) In den Wald gehen, sich erholen, die Seele baumeln lassen - das kann durchaus anders enden, als geplant.

Diese Erfahrung machten am Mittwochabend ein 37-jähriger Mann und seine zehn Jahre jüngere Begleiterin in einem fürstlichen Jagdgatter bei Hafenlohr nahe der Gemeinde Marktheidenfeld im Landkreis Main-Spessart. "Die beiden Wanderer waren im Hafenlohr-Tal unterwegs, als sie offenbar eine Rotte Wildschweine aufgescheucht haben, unter den Tieren auch Bachen mit Frischlingen", berichtet Michael Zimmer, Sprecher beim Polizeipräsidium Unterfranken. Die Muttertiere hätten "entsprechend aggressiv" reagiert und die Spaziergänger umringt.

"Durchaus nachvollziehbarerweise haben sich die beiden dann auf einen nahegelegenen Holzstoß geflüchtet und über Notruf die Polizei alarmiert", sagt Zimmer. Das war gegen 20 Uhr. Da der Standort der in Bedrängnis geratenen Waldbesucher aber unklar blieb, ortete die Dienststelle das Handy des Anrufers. Eine Streife aus Marktheidenfeld eilte dem Paar zu Hilfe. "Kurz vor 21 Uhr nahte die Rettung, meine Kollegen hatten zunächst Rufkontakt zu den Gesuchten. " Die Polizisten entdeckten den Mann und die Frau schließlich auf dem Holzstoß, wenige Minuten später hätten sie sich im sicheren Dienstwagen befunden und seien "erleichtert aus dem mittlerweile schon dunklen Wald zurück an die Straße gebracht worden", sagt der Polizeisprecher.

Alles richtig gemacht, finden Fachleute. "Wer eine Bache mit Frischlingen antrifft, sollte sich ruhig verhalten und möglichst sofort den Rückzug antreten", empfiehlt Peter Smischek vom Jagdschutz- und Jägerverein Ingolstadt. "Das gilt besonders, wenn jemand auch noch einen Hund dabei hat. Dann kann es kritisch werden, wenn die Sau grantig wird. " Denselben Rat gibt Anton Böhm, ein erfahrener Jägersmann und Ingolstädter Stadtrat: "Die Tiere nicht stören und lieber den Rückwärtsgang einlegen. " Aber es kommt mitunter völlig anders, wie er aus leidvoller Erfahrung weiß. Vor einigen Jahren war er selbst von einer Bache heftig angegangen worden, "damals war ich mit meiner Frau bei Riedenburg beim Schwammerlsuchen. Wir sind ganz ruhig unterwegs gewesen, wir waren ja im Wald, da macht man keinen Krach. Als wir einen Hang hinunter sind, habe ich eine Wildsau in einer Kuhle liegen sehen". Anders als bei den scheuen Borstentieren üblich, sei sie - obwohl nicht in Begleitung von Frischlingen - nicht geflüchtet, sondern zum Angriff übergegangen. "Meine Frau hat sich gerade noch zwischen den Stämmen eines Zwillingsbaumes in Sicherheit bringen können", erinnert sich Böhm.

Er selbst hatte weniger Glück. Mit einem dicken Ast versuchte er, die Bache auf Abstand zu halten, vergeblich. Am Boden liegend, trat er in Richtung Kopf des Wildschweins, um es in die Flucht zu treiben. "Mein Geldbeutel und meine Schlüssel sind davongeflogen, aber die Sau hat nicht ausgelassen. " Irgendwann habe er sie doch mit dem Fuß getroffen, sie sei auf und davon. "Im Weglaufen habe ich gesehen, dass sie am Hinterlauf angeschossen war. Ein gesundes Tier hätte sich nicht so verhalten. " Auch Böhm war lädiert, was er erst auf dem Weg zum Auto bemerkte. Der Graukittel hatte ihm eine knapp acht Zentimeter lange Wunde am Fußgelenk zugefügt und eine Vene aufgerissen, "das hat sehr stark geblutet". Böhm musste sich im Krankenhaus nähen lassen.

Vorsicht ist im Wald also angebracht, im Raum Ingolstadt allemal, wo es im Altmühltal etliche Rotten gibt und heuer mehr Schwarzwild zu sehen ist als 2018. "Da hat es aber reichlich Bucheckern und Eicheln gegeben, deshalb sind sie kaum aus der Deckung und an Futterplätze gekommen", sagt Böhm.

Von Sichtungen auf Bestände zu schließen, sei freilich nicht aussagekräftig, weil Wildschweine wenig standorttreu sind, erläutert Peter Smischek. "So eine Rotte kann 30 Kilometer pro Nacht zurücklegen, heute ist sie in Geisenfeld, morgen in Pförring. Wie soll man sie da erfassen? " Eine beständige Regulierung der Populationen sei dennoch nötig. Smischek spricht sich aber gegen "Erntejagden" aus, bei denen Felder umstellt und die Tiere niedergeschossen werden. "Wir wollen hier keine Massentötungen, sondern eine saubere und fachkundige Jagd. "

Horst Richter