Schrobenhausen
Vorbereitung auf Compassionpraktikum

Maria-Ward-Schülerinnen lernen, sich in andere hineinzufühlen

18.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:16 Uhr
Marlies Failer
So kann Hilfe im Alltag aussehen: Antonia Gilg lässt sich von Alina Henze Joghurt eingeben. −Foto: Marlies Failer

Schrobenhausen (SZ) Es geht darum, soziale Kompetenzen einzuüben: Maria-Ward-Schülerinnen des sozialen Zweiges bereiteten sich auf ihr Compassionpraktikum vor.

Antonia sitzt mit verbundenen Augen am Tisch. Alina füttert sie mit Joghurt. Auch Enolas Augen sind verbunden. Sie wird gerade durchs Haus geführt. Shanea hat hinter einem Pappkarton Platz genommen und muss anhand eines Spiegelbildes versuchen, ein Labyrinth nachzufahren. Julia steckt Lea verschiedene Nahrungsmittel in den Mund und Lea soll erkennen, worum es sich handelt. Michelle wühlt in einer Blackbox nach den dort versteckten Gegenständen. Leonie hat Stöpsel in den Ohren und versucht auf Anweisung zu malen.

Man könnte meinen, es handle sich um einen Kindergeburtstag und Sieger wäre, wer am meisten Joghurt schafft, am schnellsten mit dem "Blinden" zum Ziel kommt oder das Labyrinth am besten nachzeichnen kann. Die Schülerinnen der Sozialwesengruppe in der neunten Klasse feiern jedoch weder Kindergeburtstag noch befinden sie sich in einem Wettbewerb. Sie bereiten sich auf ihr zweiwöchiges Compassionpraktikum vor und sollen lernen, sich in die Situation der Menschen hineinzufühlen, mit denen sie in den kommenden Wochen zu tun haben. Es werden Menschen sein, die beim Essen Hilfe brauchen oder Schwierigkeiten beim Schreiben haben, gerade so, wie man es empfindet, wenn man anhand des Spiegelbildes den Stift in eine bestimmte Richtung führen will.

Es bedarf eines hohen Maßes an Konzentration, das Spiegelbild richtig umzusetzen und den Stift genau entgegen der Richtung zu führen, die der Spiegel vorgibt. Alte Menschen verlieren ganz oder teilweise ihre Sehkraft und müssen Dinge ertasten. Andere hören schlecht und verstehen deshalb die Anweisungen des Pflegepersonals nicht.

Ralf Sommer, Lea Füller und Carolin Zieger von der Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe Ingolstadt, die den Vorbereitungskurs an der Maria-Ward-Realschule durchführten, hatten auch Rollstühle dabei und Brillen, die Einschränkungen des Gesichtsfeldes, wie man sie nach einem Schlaganfall hat, simulierten. Mit den Brillen auf der Nase oder mit dem Rollstuhl sollten sich die Schülerinnen in der Stadt zurechtfinden. Sie machten die Erfahrung, wie schwer es ist, Autos, die zu schnell um die Ecke kommen, auszuweichen und stellten fest, wie peinlich es sein kann, jemanden, den man kennt, im Rollstuhl sitzend zu treffen.

Das Compassionpraktikum, kein Berufspraktikum sondern vielmehr eine Gelegenheit, soziale Kompetenzen einzuüben und zu vertiefen, ist an der Schule längst Selbstverständlichkeit, der Vorbereitungskurs wurde jedoch zum ersten Mal durchgeführt und war ein voller Erfolg.

Alle waren sich am Schluss einig, richtig viel mitgenommen zu haben und nun die kommenden Herausforderungen besser meistern zu können. Am Ende werden nicht alle einen sozialen Beruf ergreifen. Aber alle werden von den Tagen profitieren, denn Schlüsselqualifikationen, wie sie bei einem Compassionpraktikum vermittelt werden, sind Fähigkeiten, die in den verschiedensten Bereichen gefragt sind. "Den Zuschlag für eine Stelle erhält, wer sich positiv von den anderen unterscheidet", hört man immer wieder. Eine Compassionbescheinigung können im Raum Schrobenhausen nur wenige vorweisen - eine Möglichkeit, für die Schülerinnen des sozialen Zweiges, sich von anderen abzusetzen. Mit der Bescheinigung verbindet sich jedoch nicht nur ein Papier für die Bewerbung, sondern eine Erfahrung fürs Leben.

Marlies Failer