Von Zupen bis zu Nupen

Revolverheld mischen beim Ingolstädter Autofestival Romantik mit einer großen Portion Humor

08.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:17 Uhr
Revolverheld sprühen auf der BR3-Bühne vor guter Laune. −Foto: Weinretter

Ingolstadt - Weiches blaues Licht spiegelt sich im Autolack auf dem Ingolstädter Volksfestplatz. Es ist der dritte Tag des BR3-Autofestivals. Nachdem die ersten beiden Konzerte von Alligatoah und Scooter eine Mischung aus derber bis explosiver Musik waren, versprach Revolverheld einen kuschligen Wohlfühlabend.

 

Die Band eröffnet den Abend auch gleich mit schnörkellosem Pop. "Scheiß auf Freunde bleiben", lautet der erste Titel und klingt live sogar noch eine Spur weicher, als man ihn aus dem Radio kennt. Vor allem die tiefe melodische Stimme von Sänger Johannes Strate umschmeichelt bereits vom ersten Ton an die Ohren und legt sich wie eine wärmende Klangdecke um die Zuhörer.

Dann plötzlich reißt die Band zwischen ihren Liedern das Publikum aus seinem kollektiven Kuschelmodus. Gerade schmachteten die Musiker noch, sangen zum Weinen schön von Liebeskummer und Trennungsschmerz, im nächsten Moment legen Revolverheld, kaum dass der letzte Ton verklungen ist, eine derart große Portion an Humor, Selbstironie und schlüpfrigen Witzen an den Tag, dass die Autoinsassen unwillkürlich in ein Wechselbad der Gefühle gezogen werden.

Gerade noch die Gänsehaut auf den Armen von der zarten Melodie auf der Gitarre, schon ertappen sich die Zuschauer dabei, wie die Tränen der Rührseligkeit sich in Lachtränen verwandeln. Schon früh debattieren Strate und Kollegen darüber, wie das Publikum mit unterschiedlichen Huptechniken seine Meinung äußern könnte. "Da gibt es das Zupen (zustimmendes Hupen) und das Nupen (Negativhupen). Wenn ihr uns ganz viel Zuneigung schenken wollt, könnt ihr es auch noch mit der Lupe (Liebeshupe) versuchen", sagt Strate und grinst verschmitzt ins Publikum.

Das Konzept des Hupens als Applausersatz bereitet Revolverheld diebischen Spaß. Sie werden nicht müde, mit den Autoinsassen in aktiven Dialog zu treten, auch wenn sich die gehupte Antwort manchmal nur schwer interpretieren lässt. "Hast du mir gerade zugestimmt? ", fragt Strate, als sich ein einsames Hupgeräusch zwischen seine Worte mischt.

Es wirkt, als würden sich die Musiker an die eigenen Lines halten, sie singen "das hier fühlt sich wie Zuhause an", "das kann uns keiner nehmen", und scheinen damit vor allem den Spaß an ihrer Musik und den Kontakt zu ihren Fans zu meinen.

Und so geht er weiter, dieser Mix aus gefühlvollen Balladen und Musikern, an denen Comedians verloren gegangen sind. Bei ihren Lieder ertappt man sich dabei, wie die Gedanken abschweifen, das Piano lädt zum Träumen ein, und das Herz schlägt nicht nur in den Lyrics bis zum Hals.

Hinter den Windschutzscheiben zeigt sich das Publikum begeistert und kann die letzten sanft abklingenden Akkorde eines Liedes oft nicht abwarten, bis der Hupapplaus einsetzt und die Scheinwerfer in frenetisches Geblinke ausbrechen. Revolverheld schaffen es, dass sich in diesem Moment alle auf dem Volksfestplatz verbunden fühlen, man die Trennung durch das Auto kaum noch spürt. Und dann verschmelzen schlussendlich Publikum und Band endgültig miteinander, als Strate von der Bühne springt und zwischen den Autoreihen umherwandert. Singend und vorne bei einem Fahrradkurier sitzend wird der Sänger schließlich zurück zur Bühne gebracht - ein echter Gänsehautmoment, einer von vielen an diesem Abend.

DK

 

Anna Hecker