Mörnsheim
Von Stammesgrenzen und Amtsgrenzen

15.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:49 Uhr |

Mörnsheim (DK) In der Marktgemeinde Mörnsheim treffen nicht nur Regierungsbezirke aufeinander. Blick in die bewegte Geschichte einer Gegend, in der schon seit Jahrhunderten verschiedene Stämme aufeinandertreffen.

Von Mühlheim schlängelt sich westlich ein liebliches und sehr für eine Wanderung geeignetes Tal hin, das Röglinger Tal. Wie ein Schlauch schiebt sich darin der oberbayerische Landkreis Eichstätt zu seinem westlichsten Punkt vor. Dort trifft er in idyllischer Lage auf die Regierungsbezirke Mittelfranken und Schwaben. Diese Stelle symbolisiert eine Grenzlage, in der sich Mörnsheim immer befunden hat, und die wir in diesem Teil unserer Serie zum 1100-jährigen Marktjubiläum beleuchten wollen.

Im Zusammentreffen der Regierungsbezirke spiegelt sich Stammesgeschichtliches wider. Der Treffpunkt hieße daher besser Dreistammeseck als Dreiländereck, wie er sich eingebürgert hat. Aber auch diese Bezeichnung ist nicht ganz treffsicher. Schon in der Frühzeit befand sich der Raum Mörnsheim in einem Übergangsgebiet. Im Osten entwickelte sich der nördlich der Donau liegende bayerische Nordgau, im Westen der alemannische Gau Sualafeld. Als die Franken 743 den Bayernherzog Odilo besiegten, kamen der westliche Nordgau und das Sualafeld unter fränkische Herrschaft.

Das bedeutete keineswegs, dass der Nordgau „verfrankt“ wurde. Das war eher im Sualafeld der Fall. Darauf deuten die vielen „-heim“-Orte hin, die Mörnsheim umgeben: Mühlheim, Langenaltheim, Tagmersheim, Wellheim, Pappenheim, Monheim. Andererseits sind die nachbarlichen „-ing“-Orte Eßlingen, Rögling und Warching ein augenfälliges Anzeichen für ein Mischgebiet rund um Mörnsheim.

Unter territorialer Sicht gehörte Mörnsheim noch zum Gau Sualafeld. Eichstätt war dagegen der westlichste Teil des Nordgaus. Historiker nehmen an, dass die Grenze zwischen beiden Gauen von Stepperg an der Donau über die östliche Seite des Wellheimer Trockentals nach Obereichstätt und dann weiter nach Workerszell und Seuversholz verlief. Ob eine solche trennscharfe Linie tatsächlich bestanden hatte, ließe sich durchaus bezweifeln.

Zu dieser Zeit war das Mörnsheimer Tal noch längst nicht eichstättisch. Es beherbergt den Ortsteil Mühlheim, den ältesten des Mörnsheimer Gemeindegebiets. Mühlheim taucht urkundlich schon 768 auf, genau 150 Jahre früher als 918 Morinesheim. Mörnsheim könnte also neben der 1100-Jahrfeier auch eine 1250-Jahrfeier Mühlheim begehen.

Wie früh das war, als Mühlheim in die Geschichte eingetreten ist, veranschaulicht der Blick auf die Zeit der Bistumsgründung zwischen den Jahren 745 und 750. Nach den Siedlungen, die zur Eigenmark regio Eihstat gehörten, zu der sich die Eichstätter Klostersiedlung entwickelt hatte, ist Mühlheim der nächstälteste erstgenannte Ort des Hochstifts. Diese urkundliche Früherwähnung ist darauf zurückzuführen, dass Mühlheim Teil der Urausstattung des Besitzes des Mönches Sola war, der 754 an der Stelle des heutigen Solnhofen eine Klosterzelle gegründet hatte.

Seinen gesamten Besitz veräußerte er 794 an die weit entfernte Abtei Fulda, die in Mühlheim schon bald einen Gutshof mit 13 Hofstellen besaß. Die Bindung an das Kloster Solnhofen dauerte bis Ende 1281, als das Hochstift Eichstätt die Vogtei über die fuldaischen Güter in Mühlheim erwarb. Lange führte von Mühlheim ein Kirchenweg nach Solnhofen.

Das Alter von Mühlheim zeigt sich auch an der Kirche. Der Bau weist im Chor Elemente auf, die kunsthistorisch dem 9. Jahrhundert, jedenfalls dem 10. Jahrhundert zugeordnet werden können. Für den Eichstätter Raum äußerst ungewöhnlich ist das Kirchenpatrozinium. Es ist dem römischen Märtyrer Cyriakus gewidmet, der im Jahre 305 in Rom enthauptet und im späten Mittelalter zu einem der 14 Nothelfer wurde. Largus und Smaragdus, die den Namen des Patroziniums mittragen, waren seine Begleiter.

Gegenüber Solnhofen bestand eine doppelte Grenze. Territorial war es zuerst die zur Benediktinerpropstei. Dann griff 1478 die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach auf das Kloster zu und unterstellte es ihrem Schutz. Diese Herrschaft dauerte bis 1791, als der Markgraf sein Fürstentum an das Königreich Preußen übergab.

Da sich der Ansbacher Markgraf schon sehr früh dem lutherischen Glaubensbekenntnis anschloss, tat sich eine zweite, eine konfessionelle Grenze auf. 1533 war die Propstei protestantisch, während der Eichstätter Bischof dafür sorgte, dass Mörnsheim katholisch blieb. Einige Jahre später löste der Markgraf die Propstei auf und unterstellte ihre Güter einem Klosterverwaltungsamt. Mit dem Übergang an Preußen war der Herrschaftswechsel noch nicht zu Ende. Durch einen Vergleich Preußens mit der Grafschaft Pappenheim wurde Solnhofen 1797 pappenheimisch. Diese Grenze war Mörnsheim nicht neu. Das angrenzende Langenaltheim unterstand bereits seit 1541 dieser Herrschaft. Auch bei Pappenheim blieb Solnhofen nicht lange. 1803 kam es durch den preußisch-pfalzbayerischen Hauptlandesvergleich unter bayerische Herrschaft. Das führte dazu, dass Solnhofen bis 1852 zum neuburgischen Landgericht Monheim gehörte und nicht, wie man annehmen könnte, zum Landgericht Weißenburg.

Heute scheidet die Grenze zu Solnhofen und Langenaltheim den Markt Mörnsheim nicht nur wie früher vom Landkreis Weißenburg, sondern auch vom Regierungsbezirk Mittelfranken. Im Zementwerk, das im Steinbruchgebiet liegt, verläuft sie mitten durch das Werksgelände. Die konfessionelle Grenze spielt immer noch eine Rolle. Die Steinbrüche Mörnsheimer und Solnhofer Hummelberg trennt nur eine Straße. Solange die Brüche in Ausbeute standen, ruhte in Mörnsheim an Fronleichnam die Arbeit, während auf der Solnhofer Seite fleißig Steine gebrochen wurden.

Mit den mittelfränkischen Orten Solnhofen und Langenaltheim ist die Mörnsheimer Menge an Grenzen noch nicht an ihre Grenzen gestoßen. Im Westen stößt das (neu)oberbayerische Mörnsheim an das schwäbische Rögling und Tagmersheim. Diese Anrainer gehörten über Jahrhunderte zum bayerischen Fürstentum Pfalz-Neuburg. Zwischen diesem Fürstentum und dem Eichstätter Hochstift kam es auch im Bereich des Amtes Mörnsheim immer wieder zu Grenzstreitigkeiten. Beide Fürstentümer einigten sich deswegen 1656 auf eine genaue Grenzziehung. Um diese sichtbar zu machen, wurden 1657 schön gearbeitete Grenzsteine gesetzt, von denen heute noch einige stehen. Auf der Eichstätter Seite tragen sie die Buchstaben „FE“ für Fürstentum Eichstätt und auf der Neuburger Seite prangt das bayerische Rautenwappen für Pfalz-Neuburg.

Im Mörnsheimer Umfeld zog die Grenze östlich an Ensfeld vorbei, was deutlich macht, dass Ensfeld als einziger Mörnsheimer Ortsteil nicht zum Hochstift gehörte. Danach machte die Grenze einen großen südlichen Bogen bis nahe an Mühlheim. Über das Mühlheimer Pechofental erreichte sie das heutige Steinbruchgebiet und endete an der Altmühl im solnhofischen Eßlingen. Teile dieses Verlaufs sind identisch mit den aktuellen Grenzen der Regierungsbezirke Mittelfranken und Schwaben. Trotz dieser Grenzbereinigung leistete sich das neuburgische Landgericht Monheim immer wieder Übergriffe auf den Sonderholzer Hof bei Ensfeld, der dem Amt und der Pfarrei Mörnsheim unterstand.

Ensfeld machte zwei wesentliche Wechsel durch. Weil es zu Pfalz-Neuburg gehörte, war der Ort von 1542 bis 1618 evangelisch. Der Pfalzgraf Ottheinrich wandte sich schon sehr früh dem Protestantismus zu. Diese Zuwendung endete mit einer erneuten Abwendung, als Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm nichts anderes übrig blieb als katholisch zu werden. Sonst hätte er nicht die Schwester des Münchner Herzogs und späteren Kurfürsten Maximilian I. heiraten können. Alle anderen Mörnsheimer Ortsteile blieben treu katholisch. Dafür sorgte der fürstbischöflich-eichstättische Landesherr.

Bei der großen Gebietsreform 1972 wechselte Ensfeld mit der Eingliederung nach Mörnsheim den Landkreis und den Regierungsbezirk, von Donauwörth zu Eichstätt und von Schwaben nach Oberbayern.

Mitunter konnten die Mörnsheim umgebenden fremden Herrschaften Brandenburg-Ansbach, Pappenheim und Pfalz-Neuburg, lange Zeit auch gemeinsam schalten und walten. Der nordwestlich von Mörnsheim gelegene Hartwald steht dafür als Beispiel. Dieses Gebiet gehörte über Jahrhunderte den Gemeinden Mörnsheim, Mühlheim, Solnhofen und Langenaltheim gemeinsam, die es ebenso gemeinsam verwalteten und nutzten. Die Steinbruchaktivitäten wandelten die Gemeinschaft jedoch in eine Streitschaft.

Solnhofen drängte ab 1788 auf eine Auflösung, weil der Hartwald die Ausweitung des Gemeindebruchs behinderte. Daraus entwickelte sich ein fast 20-jähriger Zank. Befeuert wurde er durch unterschiedliche Interessen und Intrigen der Beteiligten. Vier Gemeinden und vier Landesherrschaften mussten sich einigen. Neben dem Hochstift Eichstätt, der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach und der Grafschaft Pappenheim hatte auch das Fürstentum Pfalz-Neuburg ein Wort mitzureden. Es beanspruchte die Gerichtsbarkeit und die Jagdhoheit über dieses Gebiet.

Erst als diese Territorien ab 1802 Schritt für Schritt in Bayern aufgingen, kam es zu einer Aufteilung des Hartwaldes, die schon vorher geplant, aber nicht durchsetzbar war. Zur Kennzeichnung der Aufteilungslinien wurden Grenzsteine gesetzt. Auch diese haben sich bis heute erhalten. Nach der Aufteilung konnten auch Mörnsheim und Mühlheim Steinbrüche im Hartwald eröffnen.

Wo der Stoabrecher zum Stoibrecher wird

Stammesgrenzen sind nicht zwangsläufig identisch mit Sprachgrenzen. Dafür ist der Mörnsheimer Raum ein Beispiel. In ihm mischen sich Fränkisches, Schwäbisches und Bairisches, genauer gesagt Ostfränkisches, Ostschwäbisches, Nordbairisches und Mittelbairisches (nördlich und südlich der Donau). Das in Mörnsheim wichtige Wort Stein wird mittelbairisch, also oberbairisch, Stoa ausgesprochen. Die Mörnsheimer Stoabrecher gingen, als es noch welche gab, auf’n Stoaberg zum Arbeiten. In Eichstätt sagt man dagegen in einer Art Sprachinsel Stoi, wie im Schwäbischen. In dem großartigen „Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben“, der auch Mörnsheim berücksichtigt, teilte eine befragte Person aus Altendorf mit, Stoi sage man schon im Ortsteil Haunsfeld. Charakteristisch für das Mörnsheimerische ist der weit verbreitete nordbairische Zwielaut ou. Er findet sich in Kou für Kuh, in Fouß für Fuß oder in Hout für Hut. In der Mehrzahl wandelt sich die Kou zu Kei, während im nahen Mittelbairischen und Schwäbischen die Kua gemolken wird und die Kia auf der Weide stehen. Nordbairisches zeigt sich auch in der Umwandlung des mittelhochdeutschen ê, œ und ô. Im Winter gibt es immer weniger Schnej. Es könnte sein, dass dieser Klimawandel bejse (böse) und grouße (große) Auswirkungen hat. Bei dem Wort Mädchen ist das Mörnsheimerische ganz fränkisch. Es bedient sich der fränkischen Verkleinerungsform -la und macht aus dem Mädchen das Maa(d)la. Schon ein Stück in Richtung Eichstätt wird das Mädchen zum Moidl. Nach wie vor hält sich im Mörnsheimer Tal die fränkische Konsonantenschwächung, die p, t und k zu b, d und g abschwächt. Beim Burzelbaum ist die Baula (Paula) am Disch (Tisch) angeschlagen und hat sich dabei das Gnej (Knie) verletzt. Mörnsheim und Solnhofen trennt nur ein Bergzug. Er reicht aus, dass die Hosn zur Husn wird. In dieser topografischen und sprachlichen Trennung auf engstem Raum lebt noch Konfessionelles fort. Eine im Sprachatlas Bayerisch-Schwaben befragte Mörnsheimer Person meinte, der zwischen Altendorf und Solnhofen gelegene „Winkelberg“ trenne die „Evangelischen vom Gailachtal“ und in der kleinen Mühlheimer Steinbruchsiedlung Apfeltal nahe der Solnhofer Grenze würde man schon „evangelisch“ sprechen. Gemeint war damit fränkisch. ?Victor Henle

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