Pietenfeld
Von Schlenkerweil und Hausschlachtungen

Erinnerungen an Pietenfeld vor rund 70 Jahren - Vom ersten Wasseranschluss bis Arbeitsstellen in Eichstätter Firmen

24.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:35 Uhr
Bei einem Pietenfeld Nebenerwerbslandwirt verlor eine etwa vier Zentner schwere Sau im Jahr 1954 ihr Leben. −Foto: privat

Pietenfeld - Als es in den Dörfern bis etwa 1960 noch Knechte und Mägde gab, war es üblich, dass diese ihren Jahresurlaub zu Maria Lichtmess, also Anfang Februar, nehmen konnten.

Als Urlaub galten etwa 8 bis 14 Tage. Die Urlaubszeit nannte man die "Schlenkerweil", in der die Dienstboten ihren Bauern oder Dienstherren wechseln konnten. Der Jahreslohn wurde ausbezahlt, und es gab auch Sachwerte wie Arbeitskleidung oder Schuhe.

Allerdings waren die Bediensteten nicht gänzlich von der Arbeit freigestellt, denn das Versorgen der Tiere musste nach wie vor sichergestellt sein. Die sonstigen bäuerlichen Arbeiten wie das Dreschen in den Scheunen ruhten jedoch. So mancher Knecht oder Bauernbursch nutzte die Zeit, um mit Pferdeschlitten für die Kleinhäusler Brennholz aus dem Wald zu holen oder Mist auf die verschneiten Felder und Wiesen zu bringen.

Die Winter waren meist kalt und schneereich. Die Wege waren oft nicht mehr zu erkennen, und man fuhr querfeldein. Es kam auch vor, das der Stallmist auf einem fremden Acker oder einer fremden Wiese landete. Die Flurbereinigung war in den Pietenfelder Fluren noch nicht vollzogen, und es gab viele sogenannte "Hosenträgeräcker". Diese waren oft so schmäler als eine heutige moderne Zugmaschine breit ist.

Diese Dienstleistungen brachte den Bauernburschen oder Knechten ein bescheidenes Taschengeld ein und hatten des Weiteren den Vorteil, dass die Pferde bewegt wurden. Fast lautlos glitten dann die Schlitten über die Fluren. Nur das Knallen der Peitschen und das Glockenspiel an den Geschirren der Pferde war von weitem zu hören.

In der Winterszeit musste auch so manches Schwein sein Leben lassen. Die Jahressäue (Mastzeit ein Jahr) wogen oft mehr als vier Zentner und mussten fett sein. Das Schweineschmalz war sehr wichtig, weil es lange haltbar war und zum Backen von Beinzle (Rohrnudel) das ganze Jahr über gebraucht wurde. In den Küchen gab es hauptsächlich Schweineschmalz. Das Griebenschmalz machte Bratkartoffel besonders schmackhaft und zählt heute in der Gastronomie wieder als Delikatesse. Vorgeschrieben für jede Hausschlachtung war eine Lebend- und Todschau. In Pietenfeld war der humorvolle "Lenamo Hans", auch Landwirt, Hochzeitslader und Heiratsvermittler, dafür zuständig. Für die Sau war die Schlachtung oft eine Erlösung. Die Sauen wurden häufig in einem kalten fensterlosen Stall gehalten, und diese waren oft so klein, dass ein Umdrehen gegen Ende der Mastzeit nicht mehr möglich war.

Der Brandmetzger betäubte die Sau mit einem Beilschlag, was jedoch nicht immer auf Anhieb gelang. In solchen Fällen schrie die Sau markerschütternd, bis sie ihr Leben aushauchte. Das Brühwasser war im Waschkessel oder Kartoffeldämpfer schon heißgemacht, und die Sau wurde im Brühdrog von seinen Borsten befreit. Anschließend kam die Sau auf den Bock, wurde rasiert und in Teile zerlegt.

Nicht jeder Haushalt hatte jedoch einen Brühdrog oder Saubock. Oft wurden diese gemeinsam angeschafft oder einfach ausgeliehen. Verwendet wurde von der Sau alles, selbst der Saunabel wurde zur Fütterung der Vögel in einem Baum oder am Gartenzaun aufgehängt.

Die Saublodern (Blase des Schweins) diente aufgeblasen den Buben oft als Ersatz für einen Fußball. Der Saukopf und einige andere Teile wurden gekocht, und das ergaben das schmackhafte und begehrte Kesselfleisch. Viel von diesem Fleisch verschwand schnell in den hungrigen Mäulern der oft großen Familien. Oft fragte sich der Metzger, von was er Presssack und Leberwürste machen sollte, wenn das gute Kesselfleisch schon verzehrt war.

Blut-, Leber- und Bratwürste sowie der Presssack waren Standard bei einer Hausschlachtung. Das anschließende Räuchern machte die Würste länger haltbar. Schlegel, Schultern und Seitenstücke wurden in einem meist hölzernen Zuber eingesalzen. Dort lagen diese mehrere Wochen, bis sie geräuchert wurden.

Das in der "Sur" eingelegte Fleisch verbreitete immer einen strengen Geruch, der durch das ganze Haus zog. Doch Gerüche gab es in den Häusern immer. Mensch und Tier wohnten unter einem Dach. Vom Hausgang aus konnte man auch fast immer in den Stall gehen. Selbst junges Federvieh wie Ziwerle (Küken), Gänse und Enten hatten einen warmen Unterschlupf in der Wohnstube, in der Holzkiste oder unter der Bodenstiege.

Pietenfeld bekam erst 1956 eine Wasserleitung, und 1959 wurde der erste Bauabschnitt der Kanalisation begonnen. Dann wurden sanitäre Anlagen in die Häuser eingebaut, und die menschliche Notdurft konnte vor allem in der kalten Winterszeit bequemer getätigt und entsorgt werden. Der Nachtstuhl oder das Nachthaferl wurde dann nicht mehr gebraucht.

Ein Meilenstein des Fortschritts war der Bau einer gemeinsamen Tiefkühlanlage im Jahr 1956. Feuerwehrgerätehaus, Milchsammelstelle und Tiefkühlanlage waren unter einem Dach. Es konnte somit auch in der warmen Jahreszeit geschlachtet werden. Wurst und Fleisch wurden auch eingeweckt oder in Dosen länger haltbar gemacht. Der jetzt 91-jährige Johann Schneider (Metzger Hans) betrieb neben der kleinen Landwirtschaft auch eine Art Dorfladen und hatte eine handbetriebene Vorrichtung zum Nachschneiden und Verschließen der Dosen.

Von den Flüchtlingen hatte man sich eine weitere Möglichkeit der Konservierung abgeschaut. Das Fleisch wurde gebraten oder gekocht und in irdene (tönerne) Töpfe gelegt und dann mit warmem und somit flüssigem Schweineschmalz übergossen. Die Brühsuppe, in der zuvor das Kesselfleisch gekocht und die Leber- und Blutwürste sowie der Presssack gebrüht wurden, fand auch bei Nachbarn und Freunden reißenden Absatz. Als besonders schmackhaft galt die Brüh- oder Kesselsuppe, wenn beim Brühen die eine oder andere Wurst aufplatzte und deren Inhalt dann in der Suppe war.

Etwas Abwechslung gab es in der warmen Jahreszeit, wenn ein Rind notgeschlachtet werden musste oder ein Federvieh in den Kochtopf kam. Musste ein Rind aus irgendeinem Grund notgeschlachtet werden, so war der Brandmetzger gefragt. Die Notschlachtung wurde vom Gemeindediener mit Glocke und lautstarker Stimme kundgetan. Jeder konnte nun gegen ein geringes Entgelt ein paar Pfund Fleisch oder Knochen zur Suppe erwerben. Zuvor war jedoch der Fleischbeschauer, der "Lenamo Hans" tätig, der das bereits notgeschlachtete Tier begutachtete und fast immer für den menschlichen Verzehr freigab.

Die oft langen und kalten Winter machten das Arbeiten am Bau, in den Steinbrüchen und in den Wäldern unmöglich. Die Arbeitslosigkeit, nicht nur im Winter, war groß, und man musste zum "Stempeln". Der 85-jährige Pietenfelder Johann Bauch (Kramer Hans) erinnert sich noch gut an die Zeit des Stempelns. Er bewahrt auch noch sorgfältig seine Meldekarte (Stempelkarte) aus dem Jahr 1955 auf. Bauch ist in Preith geboren und verbrachte dort seine Jugendjahre. Er erzählte, dass das Stempelgeld immer am Donnerstag wöchentlich im Eichstätter Arbeitsamt persönlich abgeholt werden konnte. Lange Schlangen von Arbeitslosen bildeten sich immer vor dem Amt. Die wöchentliche Unterstützung für einen Ledigen betrug 28,50 Mark. Eine Halbe Bier kostete damals um die 40 Pfennige in den Wirtschaften.

Die "Stempler" kamen zu Fuß sowie mit dem Fahr- oder Motorrad nach Eichstätt, denn Autos hatten die Arbeiter in der Regel nicht. Linienbusse gab es ebenfalls noch nicht, nur die dampfgetriebene Bimmelbahn verkehrte im Altmühltal. So mancher Stempler kehrte erst spätabends vom Abholen des Geldes wieder nach Hause. Man kehrte in den mehr als zwei Dutzend Eichstätter Wirtschaften ein, und im Heimatdorf kam man oft ebenfalls nicht am Wirtshaus vorbei. Ein beträchtlicher Teil des Stempelgeldes blieb also in den Wirtschaften hängen.

Die Arbeits- und somit die Verdienstmöglichkeiten verbesserten sich erst zu Ende der 1950er-Jahre, als in Eichstätt die ersten Industriebetriebe wie Osram und Triumph (Büstenhalter und Unterwäsche) viele Arbeitsmöglichkeiten auch für Frauen boten. Ausschlaggebend für ein besseres ganzjähriges und witterungsunabhängiges Arbeiten war die Ansiedlung des Audi-Werkes in Ingolstadt. Selbst in die weit verstreuten Dörfer kam der Schichtbus und holte die Beschäftigten ab und brachte diese wieder zurück. Die Verdienste wurden deutlich besser, und ein bescheidener Wohlstand hielt Einzug, welcher viele Veränderungen in den Dörfern bewirkte.

EK

Willi Volnhals