Ingolstadt
Von Monstern, Mördern und Gelehrten

Spielzeitauftakt der Türmerey: Ingolstadts Nachtwächter führt durch die mittelalterliche Geschichte der Schanz

25.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr
Nächtliche Tour: Nachtwächter Oswin Dotzauer zieht sein Publikum mit bedeutenden, schaurigen und amüsanten Episoden aus der Geschichte Ingolstadts in seinen Bann. −Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Wenn sich die Nacht über die Ingolstädter Altstadt legt und ein Horn laut durch die Dunkelheit schmettert, dann bricht die Stunde des Konrad Gumpenberger an.

Er passt auf, dass sich innerhalb der Stadtmauern während seiner Wacht kein Gesindel herumtreibt und weder Bier noch Wein ausgeschenkt werden. Auf, dass die Bürger ihre wohlverdiente Ruhe finden.

 

Am Samstagabend folgen ihm mehr als 50 Menschen auf seinem Rundgang durch das historische Ingolstadt. Es ist der Auftakt zur neuen Spielzeit der Türmerey - einer Erlebnisführung durch die Geschichte der Stadt. "Gehen wir es an!", ruft Gumpenberger alias Oswin Dotzauer der Menge am Kreuztor zu. "Aber freuen Sie sich nicht zu früh", folgt sogleich die Warnung. Denn der Weg führt durch manche dunkle Gassen. Und die halten das eine oder andere schaurige Geheimnis über die Schanz bereit. Der Nachtwächter (im Mittelalter einer von insgesamt vier) weiß da allerhand zu erzählen.

In der düsteren Lebzeltergasse vom Mord an drei Schwestern beispielsweise und vom städtischen Büttel Zwack, der für das Eintreiben von Steuern zuständig war, den Bürgern das Geld quasi abzwackte, wie es als Begriff heute noch gebräuchlich ist. Kein schöner Ort war er also wohl gewesen, der schmale Winkel in der engen, hohen Häuserschlucht zwischen Theresienstraße und Dollstraße. Doch der Nachtwächter weiß buchstäblich auch Freudigeres zu berichten, als er auf Ingolstadts erstes Bordell zu sprechen kommt, an dem der Magistrat der Stadt gut mitverdient und deshalb beide Augen zugedrückt habe. Viele bekannte und berühmte Namen kommen ihm über die Lippen, als er von der Hohen Schule, Bayerns erster Landesuniversität und Zentrum mittelalterlicher Wissenschaft, erzählt. Christoph Scheiner, der Mitentdecker der Sonnenflecken, habe hier als Professor gelehrt, ebenso wie Mathematiker Philipp Apian und Mediziner Leonhart Fuchs, dem die Fuchsie ihren Namen zu verdanken hat, erfahren die wissbegierigen Zuhörer. Nicht zu vergessen Johannes Eck, katholischer Theologe und im 16. Jahrhundert unerbittlicher Gegner des Reformators Martin Luther. Auch sei da ein gewisser Viktor Frankenstein gewesen. Jener Doktor, der in Ingolstadt ein Wesen erschaffen haben soll, das als Frankensteins Monster zur tragischen Hauptfigur des "ersten Sciencefiction-Romans der Literaturgeschichte" wurde, so der Nachtwächter. Eine Geschichte, die sich heuer zum 200. Mal jährt.

Episode um Episode zieht vorüber in der etwas mehr als einstündigen Führung, die durch dunkle Jahrhunderte voller Kriege, Kuriositäten und Errungenschaften geleitet. Mal historisch bedeutend, mal einfach nur amüsant und zum verstohlenen Schmunzeln anregend. Teilnehmer Vladimir aus Köln wird die besondere Ehre des mittelalterlichen Probanden zuteil. Gumpenberger wählt ihn aus der Menge, um die berüchtigte Tinctura Magica zu verkosten. Er solle sich dazu auf den Bordstein stellen. "Von dort fällt es sich tiefer", so der Nachtwächter mit beißender Ironie. Doch keine Angst: Vladimir übersteht die Tour unversehrt, so wie alle anderen Besucher, als die letzte Station, der Pfeifturm, erreicht ist.

"Das ist sehr unterhaltsam und locker gemacht", ist der Ingolstädter Horst Retzer anschließend begeistert. Für ihn sei die Tour gerade für 40- bis 60-Jährige ein "nettes Programm aus Information und Unterhaltung" und damit bestens geeignet für einen Samstagabend. Doch auch viele jüngere Teilnehmer sind dabei. Darunter Gruppen aus Arbeitskollegen verschiedenen Alters. Zu ihnen gehört eine Ingolstädterin, die in der Zeitung ungenannt bleiben möchte. "Die Führung geht durch Straßen und Winkel, durch die ich sonst nicht komme", sagt sie und ergänzt: "Man erfährt so von Geschichten, die man noch nicht kennt, das gefällt mir gut." Teilgenommen habe sie auch schon an anderen Führungen, darunter die Dr. Frankensteins Mystery Tour und die Schanzer Biertour. Wer den Nachtwächter auf seinem nächsten nächtlichen Rundgang begleiten möchte, hat dazu am Samstag, 7. April, um 20 Uhr, wieder Gelegenheit. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.tuermerey.de.