Ingolstadt
Von Möbeln und Mobilität

Einrichtungshaus Kramer schließt seine Pforten - IN-Campus setzt neue Impulse im Gewerbegebiet Südost

22.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:18 Uhr
Im Einrichtungshaus Kramer an der Steinheilstraße läuft der Räumungsverkauf. −Foto: Schattenhofer

Ingolstadt - Der Räumungsverkauf im Einrichtungshaus Kramer an der Steinheilstraße läuft seit Tagen auf Hochtouren: Am Dienstagmorgen betreten zwei ältere Damen das Geschäft und sagen: "Wir weinen schon.

" So reagieren viele Stammkunden mit einem Faible für hochwertige Markenmöbel auf die bevorstehende Schließung. Das 200 Hektar große Gewerbegebiet Südost verliert damit einen Magneten. Doch gleichzeitig herrscht - wie elektrisiert vom IN-Campus - auch eine Aufbruchstimmung nahe Autobahn und Auwaldsee.

Nach Gründung seines Küchenstudios im Jahr 1973 wanderte wie viele Gewerbetreibende auch Josef Kramer aus der Kupferstraße ins damals boomende Gewerbegebiet Südost aus: An der Steinheilstraße errichtete er ein 2500 Quadratmeter großes Geschäftshaus für den kompletten Inneneinrichtungsbedarf. Seitdem ist Kramer über Ingolstadts Grenzen hinaus eine Anlaufstelle für all jene, die sich gern mit exquisitem Mobiliar umgeben.

Werner Kramer übernahm 2009 von seinem Vater die Geschäftsführung. "Es ist schwieriger geworden im Hochwert-Bereich - früher ist mehr Qualität verkauft worden", sagt der 51-Jährige, der etwas Neues anfangen will. "Ich bin nicht der Typ, der nur herumsitzt. " In diesen Tagen sowieso nicht: "Die Kunden haben uns regelrecht überrannt, und bestimmt die Hälfte der Ware ist schon raus. " Angesichts zahlreicher Äußerungen des Bedauerns fällt Geschäftsführer Werner Kramer der schwere Schritt nicht gerade leichter, einen Schlussstrich unter die fast 50 Jahre alte Unternehmensgeschichte zu ziehen - "aus persönlichen Gründen", wie er sagt. Noch etwa zwei Monate soll der Räumungsverkauf dauern.

Vom Gewerbegebiet Südost verabschiedet sich Kramer mit gemischten Gefühlen. Ihn stören die vielen Erotik-Etablissements in der Nachbarschaft. "Das kumuliert hier schon alles: Das Ambiente ist nicht das Allerschönste. " Dem Geschäft habe es jedoch nicht geschadet. Kramer kritisiert auch die mancherorts auftretenden "Verwilderungen" wie etwa rund um den ehemaligen Meisterkauf. "Doch ich denke, mit dem IN-Campus wird es besser", so seine Einschätzung. "Es sind jedoch in Ingolstadt zu viele Gewerbeflächen ausgewiesen worden. Das ist auch der Grund, warum die Innenstadt immer mehr verödet. "

Eine Entwicklung, die nun schon seit mehr als 50 Jahren andauert: Im Schatten der Erdölraffinerie Ingolstadt AG (Eriag) wuchs und gedieh das Gewerbegebiet Südost - das erste seiner Art in Ingolstadt - seit den 1960er-Jahren regelrecht. Dabei war das anfangs gar nicht so geplant: Angefangen hatte alles mit dem Gelände der Baufirma Röss, gefolgt von der Brauerei Herrnbräu, die sich an der Manchinger Straße ansiedelte. Dann kamen der Handel: Die langjährige Bezirksausschussvorsitzende Christine Einödshofer erinnert sich noch heute gut an das Mittelbayerische Einkaufszentrum, das mitten auf der grünen Wiese stand und wo es alles gab - von Lebensmitteln über Schuhe bis zu Möbeln. Später wurde daraus der Meisterkauf, von dem heute nur noch eine Ruine übrig ist, die der weiteren Nutzung harrt.

In den 1980er-Jahren boomte es richtig im Umfeld der Manchinger Straße und Eriagstraße: Die Einzelhandelsflächen wuchsen und wucherten, Möbelgeschäfte, Autohäuser und Werkstätten schossen aus dem Boden. 1986 war die Marke von 100 Firmen fast erreicht. Der Verkehr kollabierte regelmäßig. Der Stadtrat entschied 1990, mit Blick auf den in Bedrängnis geratenen Innenstadthandel die Notbremse zu ziehen und keine für Großmärkte notwendigen Sondergebiete mehr auszuweisen. Doch die Strenge hielt nicht lange vor: Im Jahr 2003 meldete der DK mehr als 160 Betriebe mit rund 5500 Beschäftigten. Immerhin wurde ein Teil des Eriag-Areals nach Stilllegung der Raffinerie der Natur zurückgegeben.

Von Stillstand kann weiter keine Rede sein: Auf dem 75 Hektar großen IN-Campus ploppt ein Gebäude nach dem anderen aus dem Boden, das Straßennetz wird großzügig erweitert. Wer länger nicht mehr in der Gegend unterwegs war, der verliert leicht die Orientierung. Alles bewegt sich Richtung moderne Mobilität.

Und was ist mit Möbeln? Das Einrichtungshaus werde künftig einer anderen Nutzung zugeführt, sagt Werner Kramer. "Es gibt schon Interessenten. "Mehr verrät er nicht.

DK

Suzanne Schattenhofer