Von Liebesliedern und Zyankali

04.08.2006 | Stand 03.12.2020, 7:39 Uhr

Ingolstadt (DK) Bleigrau hängt der Himmel über dem Felsen von Hexenagger, der Regen hüllt die Mauern des Schlosses in einen fahlen Schleier: Nicht gerade passend für ein Open-Air-Konzert mit gemütlichem Picknick, aber genau die richtige Kulisse für eine "Gespenstersonate". Die sollte nun im Marstall des Schlosses spielen, unter altem Gebälk und Gemäuer.

Arsen und Gemütlichkeit

Zunächst begann alles ganz harmlos: "Geh ma Tauben vergiften im Park", forderte Kostas charmant, und schon in diesem Kreisler-Hit zeigt er seine Stärke: Gemütlich wiegend, vollmundig von Arsen und Zyankali singen, erweist er sich als Meister jenes Wiener Humors, der alles Moralisch-Ernste hintersinnig einschwärzt. Kostas spielt virtuos mit Tonfällen, Posen und Klischees, arbeitet aber vor allem, gestützt von kompetenter Klavierbegleitung (Carl Philipp Fromherz und Matthias Spindler), mit baritonaler Charakterisierungskunst.

Eine Glanznummer das "Tantum Ergo" in ziemlich bösen, herrlich politisch unkorrekt Parodien: kirchlich getragen, böhmisch gedudelt, ungarisch gequetscht und italienisch geschmettert – so ging es über den Globus der Donaumonarchie. Da gehört bekanntlich auch Oberitalien dazu, so dass die schmachtenden und strahlenden Liebesgesänge, die Nachwuchstenor Jan Proporowitz à la Beniamino Gigli zum Besten gab, trotz des enormen Kontrastes zu Kostas humorig-distanzierten Ton trefflich passten.

Bariton Kurt Schober zog den manirierten Tonfall des italienischen Opern-Lovers hübsch durch den Kakao, präsentierte sich aber vor allem als gekonnt kalauernder Kabarettist. Die literarischen Intermezzi lieferte Ekkehard Hahn, der bald im stimmgewaltigen Balladenton, bald lustig sächselnd rezitierte. Diese hohe Kunst beherrscht er in Vollendung, neigte aber zu weitschweifig extemporierten Exkursen.

Der zweite Teil kreiste um die Liebe, im dritten Teil standen endlich die angekündigten "Nacht- und Spukgesänge" auf dem Programm. Die aber entpuppten sich als Morgensterns "Galgenlieder", und so begegnete man eher einer skurrilen Tierwelt in verspielten Sprachlandschaften: dem Siebenschwein, dem Huhn im Bahnhof, Eseln und verliebten Katern. Nur Loewes Vertonung des "Erlkönig", von Schober suggestiv, mit äußerst prägnanter Figurenzeichnung vorgetragen, sorgte für klassischen Schauer. Selbst die eigentliche Gruselwelt der "Galgenlieder", wo der Golz grausig gutzt, blieb weit gehend geschlossen.

Charismatischer Sänger

Als Kostas nach vier Stunden Konzert auch noch einen schleppenden Schildkrötengesang anstimmte, wurde nun doch Ungeduld spürbar. Wollte man das musikalische Gruselerlebnis in die Geisterstunde verlegen? Doch Kostas konnte mit seiner charismatischen Bühnenpräsenz das Publikum bis zuletzt bei der Stange halten. Mit einer urkomischen Interpretation von "Fisches Nachtgesang", schnappend wie ein müder Karpfen, beschloss er endlich das Programm. Zum Gruseln brachte diese etwas verfehlte "Gespensterserenade" keinen, zum Lachen schon – und das ist ja auch viel gesünder.

 

An diesem Sonntag heißt es im Rahmen der Kulturwoche auf Schloss Hexenagger um 11 Uhr "Veronika, der Lenz ist da". Solisten der Operntage und das Hans-Kobl-Oktett Riedenburg präsentieren Schlager, Chansons und Evergreens. Karten gibt es an der Tageskasse.