Eichstätt
Von Liebeskummer und Philantropen

Jury des Festivals "LiteraPur" präsentierte sechs junge Preisträgerinnen des Schreibwettbewerbs für Schüler und Studenten

07.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:20 Uhr
Die Gewinnerinnen des Schreibwettbewerbs von "LiteraPur" (von links): die Schülerinnen Michelle Horn (3. Platz), Sarah Lindner (2.) und Luna Kröber (1.) und die Studentinnen Beate Kollath (2.), Lisa Baumgartner (2.) und Hannah Berger (1. Platz) zusammen mit Veranstalter Michael Kleinherne. −Foto: Kusche

Eichstätt (EK) "Der Sommer, der nie enden sollte?" - das war das Thema des diesjährigen Schreibwettbewerbs, zu dem die Veranstalter des Literaturfestivals "LiteraPur" Schüler und Studierende eingeladen hatte.

Mit tiefgründigen und humorvollen, romantisch angehauchten und nachdenklich stimmenden Texten haben viele junge Schreibkünstler das Thema bearbeitet. Einen Einblick in die eindrucksvolle Vielfalt hochkarätiger Geschichten und Essays boten die sechs Siegerinnen des Schreibwettbewerbs ihrem Publikum am Mittwochabend in der Universitätsbibliothek.

Sonne, Ferien, Freizeit und endlich Zeit für schöne Unternehmungen - Sommer assoziieren viele Menschen mit einem ganz besonderen Lebensgefühl. Doch diese Jahreszeit, von der so viele wünschten, sie möge nie enden, findet natürlicherweise ein wie auch immer geartetes Ende - so auch die Sommer, von denen die sechs Preisträgerinnen mit Phantasie und Witz, Ernst und Tiefgang erzählten. Festival-Organisator Michael Kleinherne, Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, und seiner Jury war es nicht leicht gefallen, aus den eingereichten Texten die sechs besten zu prämieren: "Es waren unglaublich viele gute Arbeiten von Schülern und Studenten dabei - Gedichte, Essays, Geschichten, doch unsere Jury musste sich schließlich für sechs Texte entscheiden", so Kleinherne, selbst Juror, der bei der Beurteilung der Texte von der Eichstätter Schriftstellerin Elisabeth Schinagl, Germanistin und Journalistin Petra Preis sowie Lehramtsstudentin Kerstin Hartnagel aus der Fachgruppe Germanistik der KU unterstützt worden war. Besonders erfreulich sei für die Jury gewesen, so Kleinherne, dass Texte zum ausgeschriebenen Motto nicht nur aus Eichstätt, sondern auch aus Ingolstadt und Schrobenhausen gekommen seien und dabei alle Schularten und Altersklassen vertreten waren.

Den Auftakt der Textpräsentation bot die 16-jährige Montessori-Schülerin Sarah Lindner aus Egweil mit ihrer Liebesgeschichte "Leo", die den zweiten Preis erhalten hatte. Darin geht es um eine langjährige Kinder- und Jugendfreundschaft, in der der fröhliche Leo die hart von mehreren Schicksalsschlägen getroffene Ich-Erzählerin wieder Lebensfreude vermittelt. Ein langer gemeinsamer Sommer endet dann im Fiasko. Bevor die Protagonistin wieder an ihren Studienort zurückkehrt, spürt sie, dass sie nun andere Gefühle für Leo entwickelt hat und lässt diesen freien Lauf. Die Lebenswege der unzertrennlichen Freunde gehen auseinander, doch auch nach vielen Jahren weint die Ich-Erzählerin noch bittere Tränen in Erinnerung an diesen Sommer.

Mit viel Pepp und Witz trug die erst 12-jährige Luna Kröber vom Reuchlin-Gymnasium Ingolstadt ihre originelle Geschichte "Operation Antipubertier" vor, mit der sie den ersten Platz belegt hatte. Vehement wehrt sich die Protagonistin der Geschichte gegen jede Form von pubertärer Veränderung, wie sie ihre Kusine, mit der sie zuletzt noch Wasserbomben geworfen und Geheimverstecke gebaut hatte, scheinbar durchlebt. Mit einer "Antipubertäts-To-Do-Liste" will sie ihrer Mutter und sich selbst überzeugen, dass Shoppen, Jungen und Instagram-Stories für sie völlig uninteressant sind. Der Clou: Im alten Geheimversteck taucht ausgerechnet Lenni, der Schwarm ihrer Kusine, auf und ist begeistert beim Versteckbauen dabei. Keine Frage, dass dieser Sommer für die Protagonisten der witzigen Geschichte ein besonderer wurde, der nie enden sollte?

Beim studentischen Wettbewerb teilten sich Beate Kollath aus Ingolstadt und Lisa Baumgartner aus Lauingen an der Donau, beide Studentinnen an der KU, den zweiten Platz des Wettbewerbs: "Die eingereichten Texte der beiden Studentinnen befanden wir als gleich gut, so dass beide Platz zwei verdienen", sagte Kleinherne mit einem Schmunzeln. Kollath hatte eine sehr anrührende, vor Beginn des Ersten Weltkriegs spielende Liebesgeschichte eines jungen Paares eingereicht, die, einen glücklichen Sommer miteinander verbringend, ihre Hochzeit vorbereiten. Der überraschende Brief, der den Einzug des jungen Lehrers in den Krieg anweist, bedeutet das unerwartete Ende und den wenig Hoffnung verheißenden Ausgang des jungen Glücks. Einen ganz anderen Zugang zum Thema hatte Lisa Baumgartner mit ihrer herausragenden Geschichte "Der Philantrop" gefunden, die in kraftvoller Sprache, mit viel Tiefgang und vielen kafkaesken Zügen von einem Menschenhasser erzählt, der nach seinem Unfalltod zum Organspender wurde und - Ironie des Schicksals - vier Menschen zu einem glücklichen Leben verhalf.

Siegerin des studentischen Wettbewerbs wurde Hannah Berger aus Landsberg am Lech, ebenfalls Studentin an der KU, die in einem ebenso humorvoll-witzigen wie nachdenklich stimmenden Essay einen Rückblick auf die Zeit nach ihrer Abiturfeier im Sommer 2015 warf. Kritisch, aber mit einer gehörigen Portion Witz und Selbstironie analysierte die junge Autorin das Glücksgefühl der Nachabiturzeit, sinnierte über den Neustart ins Erwachsenenleben, den sie auch mit einem radikalen Haarschnitt besonders Ausdruck verleihen wollte und beschrieb den Widerwillen vor dem Klassentreffen, das zu einer Selbstinszenierung all der "seit Studienbeginn so glücklichen" ehemaligen Klassenkameraden zu degenerieren drohte. Nüchtern entlarvte Berger die Versuche vieler Menschen, ihr Glück immer in die Zukunft zu projizieren - so wie nach dem Abitursommer: "Heute ist tatsächlich alles anders als damals, aber anders als gedacht. " In jenem Sommer habe sie noch daran geglaubt, dass jetzt die Zukunft anbreche. Darauf warte sie immer noch, schloss Berger lakonisch: "Vielleicht ist es wieder Zeit für einen neuen Haarschnitt? "

Als Belohnung für ihre prämierten Texte erhielten die sechs Preisträgerinnen neben einem Buchgutschein ein ganz besonderes Geschenk: Sie dürfen am Samstag an einem Schreibworkshop mit dem Titel "Kreatives Schreiben" mit Autor und Lyriker Christian Schloyer aus Nürnberg teilnehmen und werden dabei viele wertvolle Tipps für den weiteren Ausbau ihrer Schreibfertigkeiten erhalten.
 

Dagmar Kusche