Von Liebe, Kampf und Trauer

26.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:10 Uhr

Berühmtes Liebespaar: Romeo (Carlos Lázaro) und Julia (Mathilde van de Wiele). - Foto: Vallinas?

Nürnberg (DK) Es ist die Krähe, nicht die Nachtigall, deren Krächzen "Romeo und Julia", die zweite Eigenproduktion des neuen Balletts Nürnberg, zu begleiten scheint.

So vielversprechend süß die melancholisch-schöne Einstiegsproduktion, der abstrakt-neoklassische Bilderbogen "Benditos Malditos", träumen ließ von Tanzgewirken voll beeindruckender Bildkraft und choreografischer Finesse, so unvermittelt holen die inhaltsleeren Manierismen, mit denen der neue Nürnberger Ballettchef Goyo Montero diesem klassischen Tanz-Stoff beizukommen versucht, auf den blanken Bühnenboden zurück. Denn hier zeigt sich, dass Monteros Interpretations- und Gestaltungskraft für die große Bühne des Nürnberger Opernhauses doch (noch) nicht ausreicht.

Die weiland von William Shakespeare aufgeschriebene Geschichte des Veroneser Teeniepärchens, das gegen alle Widerstände der zwei verfeindeten Familien auf seiner schwärmerischen Liebe beharrt und dafür sogar in den Tod geht, ist zumindest in den Umrissen sattsam bekannt, ebenso wie die Ballettmusik Sergej Prokofjews – ein sicherer Emotions- und Dramatiklieferant, zumal in der pointierten Interpretation der Nürnberger Philharmoniker unter Philipp Pointner. Montero aber verknappt zum einen die Handlung bis an die Grenze der Nachvollziehbarkeit zu einem streiflichtartigen Abriss der wichtigsten Stationen und führt zum anderen eine (bei Shakespeare nur erwähnte) mystische Gestalt ein ("Queen Mab": Rafel Rivero), die langhaarig und schwarzbärtig wie ein androgyner Todesengel zugleich als Erzähler und lenkendes Schicksal fungieren soll.

Eine schöne Idee, aus der sich jedoch dramaturgisch und choreografisch mehr hätte machen lassen – wie aus so vielem. Denn der szenischen Suggestivkraft, Intensität und auch Monumentalität der Musik kann Monteros Choreografie, die teils sehr genau auf die Musik gearbeitet ist, dann wieder fahrig über deren Phrasierungen hinweggeht, nur selten wirklich Paroli bieten: zu filigran sind die Arrangements, zu klischeehaft die Psychologie, zu wenig fesselnd und variantenreich die (zu langen) Pas de deux, zu hilflos-naturalistisch der Ausdruck gerade da, wo es an die archaischsten Gefühle geht: Kampf, Liebe, Trauer. Was Montero gerade zu diesem Stoff greifen ließ, erschließt sich nicht, und auch den technisch tadellos agierenden Tänzern gelingt es nur in Ausnahmefällen, ihren Figuren Profil und Tiefe zu verleihen.

Punkten kann der Abend mit der jugendlich-frischen Ausstrahlung von Mathilde van de Wiele als Julia, der ungeheuer ausdrucksstarken Jaione Zabala (Mutter/Amme) und der reduziert-effektsicheren Ausstattung. Schwarz ist – auch bei den Kostümen – die vorherrschende Farbe; zwischen zwei mehrstöckigen, fassadenartigen Gerüsten aus Leitern und Stangen an den Bühnenseiten hat Ausstatterin Verena Hemmerlein zwei fahrbare Wände platziert, die – variabel eingesetzt – zusammen mit dem eindrucksvoll-effektsicheren Lichtdesign (Olaf Lundt) immer wieder spannende räumlich-szenische Chiffren formen. Diese angemessen zu füllen und bespielen, bleibt Monteros neoklassisch beeinflusstes, von hohem Tempo und viel halsbrecherischer Partnerarbeit geprägtes Modern-Ballettidiom allerdings schuldig.

Nächste Vorstellungen: 28. Februar, 7., 15., 21. und 29. März. Kartentelefon (01 80) 5 23 16 00.