Ingolstadt
Von Fensterknäufen und historischen Spanplatten

30.11.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Ingolstadt (sic) Hardt-Waltherr Hämer (1922 - 2012) war ein großer Architekt, aber kein ganz einfacher Mensch; sein Selbstbewusstsein und seine Streitbarkeit galten als legendär; davon wissen nicht zuletzt jene hinreißend zu berichten, die am 18. Juli 2007 den sensationellen Auftritt des Altmeisters auf dem Dach des Ingolstädter Stadttheaters - sein Opus magnum - miterlebt haben.

Hämer, der die anlaufende Sanierung des Baudenkmals argwöhnisch verfolgte und mit unnachgiebiger Strenge auf die volle Mitbestimmung pochte, die ihm als Schöpfer zustehe, machte dem Baureferenten der Stadt, Franz Pögl, eine Szene. "Ich werde hier vorgeführt wie ein Vollidiot!", donnerte der damals 85-jährige Berliner, als es um Materialfeinheiten bei der Dachisolierung ging. Es kam zum Eklat, denn Hämer war genau an den Richtigen geraten: Pögls Selbstbewusstsein und Streitbarkeit dürften ebenfalls als legendär gelten.

Baumeister Hämer wachte auch im Katharinen-Gymnasium streng über die Beachtung seines Urheberrechts. Dessen Geltungsbereich soll er bis hin zum hintersten Dübel interpretiert haben, berichten Kenner. Mit der Hämerschen Beharrungskraft lässt sich erklären, warum der 2012 eingeweihte Trakt für Naturwissenschaften (Reinhard Kammermayer, Direktor des Hauses von 1990 bis 2015, nannte ihn gerne "Life-Sciences-Center") freistehend entstand, also ohne Kontakt mit dem Hämer-Bau: Der Architekt durfte damit bei den Planungen nicht mitreden. Dass Kammermayer und das Baureferat der heiligen Katharina dafür von Herzen dankten, haben sie natürlich nie zugegeben.

Stadtheimatpfleger Tobias Schönauer bittet darum, ein wenig die Schärfe aus der Diskussion um das Gymnasium zu nehmen und die Bereiche Bauunterhalt, Denkmalschutz und Urheberrecht zu unterscheiden. Die Probleme bei der Sanierung "liegen nicht im Denkmalschutz begründet", betont er. So sei die denkmalgerechte Erneuerung der Fenster zunächst "vor allem eine technische Frage und kein Problem des Denkmalschutzes". Grundsätzlich gelte: "Vieles, was den Denkmalschutz und das Urheberrecht des Architekten betrifft, ist noch gar nicht abschließend geklärt worden, also kann man da auch keine endgültige Entscheidung treffen." Der Denkmalschutz und die Urheberrechtsvertreter seien aber in den allermeisten Fällen völlig einer Meinung, sagt er.

Die Sorge, dass man keine neuen Multimediageräte an den Wänden anbringen dürfe, weil man dazu denkmalgeschützte Pressspanplatten anbohren müsste, sei unbegründet. "Es gibt einen einfachen Lösungsvorschlag, der auch für zukünftige technische Geräte genutzt werden kann, ohne ständig neue Bohrungen anbringen zu müssen." Nicht ganz richtig sei auch ein Bericht, den FDP-Stadtrat Karl Ettinger vorige Woche im Kulturausschuss zum Besten gegeben hat: Angeblich müssten an bereits sanierten Fenstern die neuen schwarzen Knäufe durch graue ersetzt werden, weil Hämer das einst so wollte. Bürgermeister Albert Wittmann hatte das gleich zum Anlass genommen, über die "verantwortungslosen Forderungen" der Denkmalschützer zu schimpfen. Tatsächlich habe überhaupt niemand gefordert, die neuen Fensterknäufe auszutauschen, korrigiert der Stadtheimatpfleger. Vielmehr handele es sich um einen Mustergriff, bei dessen Begutachtung vereinbart wurde, bei der Umsetzung lieber einen grauen Knauf zu verwenden, so Schönauer. Das verursache keinerlei Mehrkosten. Diese Missverständnisse zeigen für ihn, "dass es wichtig ist, immer miteinander zu reden".