Von der Wasserwelle bis zur Föhnfrisur

07.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:24 Uhr
Gekonnt demonstrierte der junge Friseurmeister Hans Geyer an seiner Kundin den angesagten Frisurenchic der 1950er-Jahre. Voll im Einsatz waren die Trockenhauben, als auch die Lockenwickler noch schwer im Trend waren. −Foto: Götz/Repro

Hinter verschlossenen Gardinen ergraute Strähnen färben, Faschingsnarren ausstatten, die Heiligen Drei Könige schminken:Hans Geyer prägte die Sieben-Täler-Stadt mit seinem Friseursalon.Nicht nur als Kaiser hinterließ er damit dort Spuren.

Dietfurt - Als Fachbetrieb ist der Friseursalon Geyer auch 65 Jahre nach seiner Eröffnung im Familienbesitz nach wie vor im Einsatz für seine Kunden. 23 Jahre alt war Hans Geyer bei der Geschäftsgründung im August 1955, nachdem er beim Herrenfriseur Mayerhöfer das Handwerk erlernt und mit der Meisterprüfung seine Ausbildung abgeschlossen hatte. Seine Kenntnisse als Damenfriseur erweiterte der junge Mann in Wanderjahren in Nürnberg und im Allgäu. Ganz nach der alten Schule rasierte der Meister, der in der Ausbildung auch noch mit der Baderei zu tun hatte, geschickt mit dem Messer. Seine Dienste übte er bei einigen Kunden auch zu Hause aus.

In vielen Kursen bildete er sich weiter und hielt sich so auf dem Laufenden. Zuerst war der Friseursalon nur im Erdgeschoss, wo die Herren den Fassonschnitt wünschten und die Damen für Waschen und Legen mit Lockenwicklern unter der Haube saßen. Manche Kundinnen wünschten geschlossene Gardinen, damit keiner das Tönen der ergrauten Haare erspähte. Die Erweiterung der Räumlichkeiten erstreckte sich später auf das Obergeschoss, wo die Damen Schnitt, Farbe und Styling bekamen.

Nebenher avancierte der Friseurmeister zum legendären Kaiser von Bayrisch-China mit dem charmanten Titel Boo-Dah-Washy, der seinen beruflichen Einsatz mit der Herrscherwürde kombinierte. Auf den Leib geschneidert war ihm die Rolle, die er im Dietfurter Fasching mit gebotener Haltung und Gestik verkörperte. Turbulente Betriebsamkeit herrschte in der fünften Jahreszeit damals ebenfalls im Geschäft, wo sich die Maschkerer ein Clowngesicht oder das passende fernöstliche Aussehen verpassen ließen. Der Verleih von Faschingsperücken florierte im Hause Geyer, von der Chrysantheme für das Knopfloch bis zur Gesichtslarve konnte allerlei närrisches Zubehör im Laden erworben werden. Eine ausladende Truhe mit Perücken steht jetzt noch auf dem Dachboden, auch wenn der Verkauf von Faschingsartikeln und das Schminken eingestellt wurden.

Witwe Rosa Geyer, die das Geschäft seit dem plötzlichen Tod ihres Mannes weiterführt, nachdem sie sich vor einer Kommission qualifiziert hatte, ist stolz auf viele treue Stammkunden, die "noch nie bei einem anderen Friseur waren". Immer legte sich der Chef für diese Treue besonders ins Zeug: Er machte die Kasse selbst, schrieb ab und zu einmal an. Zum Inventar des Salons gehört heute noch der Kinderdrehstuhl, auf dem mehrere Generationen junger Dietfurter einen sogenannten Bubikopf verpasst bekamen.

Vom Foto an der Wand blickt der "Boda" auch jetzt noch den Angestellten über die Schulter, wenn sie mit Kamm und Schere hantieren. Tolle Ball- und Hochsteckfrisuren wurden im Salon gezaubert, viele Bräute für den großen Tag schön gemacht und an Teenagern voluminöse Lockenköpfe toupiert - wie es eben gerade die Mode diktierte. Jedes Jahr, auch an seinem letzten Arbeitstag, schminkte der Chef die Sternsinger, bevor sie durch die Stadt zogen. Viele Lehrlinge bildete der Meister in 45 Jahren bis zur Jahrtausendwende aus, bevor er plötzlich einem Schlaganfall erlag.

Das silberne Thronjubiläum als Kaiser von Bayrisch-China hätte er im Jahr 2001 feiern wollen. Groß war die Lücke, die er im Geschäft und in der Faschingsdynastie hinterließ. Entschlossen stellte sich Rosa Geyer der Situation, dem Wandel in der Branche und den Trends und führte den Salon als Vermächtnis des Gestorbenen erfolgreich weiter.

Selbst die besonderen Herausforderungen der gegenwärtigen Coronakrise wurden gemeistert mit einer Belegschaft, die der Chefin tüchtig und aufmerksam zur Seite steht. Und so kann selbst 65 Jahre nach Eröffnung des Salons das Andenken an Hans Geyer und sein Lebenswerk erhalten bleiben.

DK

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Rosmarie Götz