Hilpoltstein
Von der Gurkenschneiderin zur Gräfin

Geheimnis gelüftet: Evelyn Pfeiffer aus Jahrsdorf ist die neue Dorothea Maria - Vorgestellt am Freitag beim Burgfestkränzchen

13.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:45 Uhr
Evelyn Pfeiffer aus Jahrsdorf ist die neue Hilpoltsteiner Pfalzgräfin. Wie die echte Dorothea Maria ist sie eine "Zugezogene". −Foto: Hofmann

Hilpoltstein (HK) "In Hilpoltstein gibt es zwei Jahreszeiten", sagt die Gräfinnenmacherin Barbara Billmaier.

"Vor dem Burgfest und nach dem Burgfest. " Schon lange vor der öffentlichen Vorstellung beim Burgfestkränzchen wird spekuliert: Wer wird wohl die neue Gräfin? Nur eine Handvoll Menschen sind eingeweiht und die hüten das Geheimnis mit Bedacht. Billmaier, die heuer zum 20. Mal die Gräfin ausgesucht hat und selbst vor 21 Jahren das edle blaue Kleid trug, gibt zu: "Man muss einen Katalog an Notlügen parat haben. "

Es war an einem Abend im Mai, als das Telefon der Familie Pfeiffer in Jahrsdorf klingelt. Die Vorsitzende des Burgfestausschusses, Barbara Billmaier, ist dran und fragt Evelyn Pfeiffer, die seit Jahren beim Hilpoltsteiner Burgfest fotografiert, ob sie in diesem Jahr wieder wieder Bilder machen wird. Die 60-Jährige ist irritiert. "Für mich war das völlig klar. " Dann sagt Billmaier, sie habe in diesem Jahr eine andere Aufgabe für sie: Die Gräfin Dorothea Maria. Pfeiffer ist perplex: "Ich habe nicht gedacht, dass ich das je werde", sagt die Hausfrau. "Das ist eine unglaubliche Ehre. "

"Man muss sehr lange dem Burgfest gedient haben und ehrenamtliche Arbeit im Ort und den Vereinen leisten", erklärt Barbara Billmaier die Kriterien die eine Gräfin erfüllen muss. Außerdem sei ihr bei der Auswahl wichtig, dass die Auserwählte ein "bestimmtes Alter" habe. Dorothea Maria war damals 46 Jahre alt als sie nach Hilpoltstein kam. Als Evelyn Pfeiffer ihren Mann Michael aus Solar kennenlernt und mit ihm nach Jahrsdorf zieht, beginnt sie sich für das Burgfest zu engagieren. "Sie ist eine äußerst pragmatische Frau", lobt Billmaier. "Sie packt überall dort an, wo man sie braucht. "

Pfeiffer spült Gläser, bäckt Kuchen, fotografiert und schmiert die Semmeln für die Festzugteilnehmer. In ihrem grünen mittelalterlichen Kleid steht sie seit Jahren vor dem Umzug am Keller und schneidet Essiggurken. Doch heuer wird alles anders sein. "Mal schauen, wem ich meinen Gurkenhobel leihe", sagt Pfeiffer. Von der einfachen Bürgersfrau ist sie zum Adel aufgestiegen. Sie selbst habe das nicht für möglich gehalten.

Die 60-Jährige sagt: "In der Zeit, wo ich gefühlt das Alter hatte, war ich nicht etabliert in Hilpoltstein. Jetzt dachte ich, das Thema ist durch. " Barbara Billmaier sieht das ganz anders. Sie stellt die Parallelen zwischen Dorothea Maria und Evelyn Pfeiffer heraus: Beide sind sie "zugezogen", haben "einen grünen Daumen" und "einen Blick fürs Ganze". Besonders ist jedoch, dass die Gräfin nicht aus der Kernstadt kommt. Nur vier der bisher 77 Vorgängerinnen stammten bisher aus einem Ortsteil. Evelyn Pfeiffer ist die erste Jahrsdorferin, die diese ehrenhafte Rolle übernimmt.

Ihr Mann Michael Pfeiffer steht voll hinter ihr. Er sagt: "Ich glaube, dass die Freude bei der Jahrsdorfer Bevölkerung groß sein wird. " Und mit strahlenden Augen fügt er hinzu: "Die Solarer Feuerwehrler werden Backsteine glotzen. " Erst kürzlich sei er mit seinen Kameraden zusammengesessen, da habe einer gesagt: "Meinst du, wir bekommen das hin, dass die Gräfin heuer zum Grillfest kommt? " "Einladen werden wir sie, wie jedes Jahr", entgegnet Pfeiffer trocken und freut sich innerlich.

Auch Michael Pfeiffer beteiligt sich schon lange beim Burgfest. Seit 19 Jahren übernimmt er beim Burgspiel die Rolle des Pfarrers. "Das Schöne ist die Menge an Vereinen, die sich engagieren", erklärt er. "Anderenorts wird ein Fest organisiert, hier wird es getragen. " Die Höhepunkte des Burgfestes sind der Festzug und das Festspiel am Sonntag. Michael Pfeiffer sagt: "Das Reinreiten mit Glocken und Fanfaren, da stehen dir die Haare auf. "

In diesem Jahr wird Pfeiffer wohl noch mehr Gänsehaut haben als sonst, denn seine Frau wird auf dem gräflichen Pferd "Angel" sitzen. "Du bist eine Gräfin, die keine Angst vorm Pferd hat", sagt Michael anerkennend zu seiner Frau. Die 60-Jährige ist in ihrer Jugend geritten und auch lange Jahre Kutsche gefahren.

Nach der öffentlichen Vorstellung von Evelyn Pfeiffer als neue Gräfin beim Burgfestkränzchen am Freitag, beginnen für sie nun die höfischen Pflichten. Am Dienstag startet der Vorstellungsmarathon bei den 15 wichtigsten Hilpoltsteiner Vereinen. Los geht es mit dem Gesangsverein. Es ist Tradition, dass die Pfalzgräfin die Mitglieder mit Speisen und Getränken bewirtet. Dafür hat Evelyn Pfeiffer schon seit dem Frühjahr immer wieder neue Rezepte ausprobiert. Außerdem hat die Familie immer wieder "dosiert" Getränke gekauft und zu Hause gehortet. Zu auffällig wäre es gewesen, mehrere Kästen Bier auf einmal zu besorgen. Zu groß die Gefahr, als Gräfin enttarnt zu werden.

Auch die beiden Pflegekinder Yvonne (13) und Dominik (14) sind erst seit Mittwoch eingeweiht. Eigentlich hatte Dominik angekündigt: "Ich gehe heuer nicht mit zum Burgfest. "Aber wenn die Mutter Gräfin ist, ändert das natürlich alles. Auch vor den Eltern und Schwiegereltern hüteten die Pfeiffers das Geheimnis bis zum Schluss. Sie wollten ihnen die Heimlichtuerei nicht zumuten. "Wie es der Teufel will, kommst du in eine Situation und weißt nicht, was du sagen sollst", erklärt die 60-jährige Gräfin.

Doch nun ist das Geheimnis gelüftet und Evelyn Pfeiffer kann sich ganz auf ihre Rolle vorbereiten. Am Mittwoch steht die erste Reitstunde am, außerdem muss das Gräfinnenkleid angepasst und der Text geübt werden. Erwartungsvoll fiebert Pfeiffer den Festtagen am ersten Augustwochenende entgegen. "Jeder Tag hat eine Besonderheit", erklärt sie. Am Freitag ist die Eröffnung am Marktplatz. Am Samstag der Trödelmarkt. "Das war mein Tag", sagt Pfeiffer. Sie genießt das Stöbern an den Ständen in der Altstadt. Am Sonntag wird sie ihren großen Auftritt beim Festzug und beim Festspiel haben. Am Montag endet das Spektakel nachts mit einem großen Feuerwerk.

Evelyn Pfeiffer sieht es als ihre gräfliche Aufgabe an, den Kindern die Geschichte der Stadt Hilpoltstein nahe zu bringen. Sie erzählt, sie sei den bisherigen Gräfinnen immer mit Ehrfurcht begegnet und habe sich mit ihnen gefreut. "Ich habe vor jeder meinen Knicks gemacht, wenn ich sie gesehen habe", erzählt sie. "Niemand wird so verehrt wie die Frau Pfalzgräfin", weiß Billmaier aus eigener Erfahrung. Es passiere das Kinder einem nachrufen: "Ein Hoch auf die Pfalzgräfin. " Das bestätigt auch Michael Pfeiffer. In Bayern wimmle es nur so von "Produktköniginnen", die das Bier, den Wein oder den Honig vertreten, aber Pfalzgräfin zu sein, "das ist eine andere Nummer".
 

Bianca Hofmann