Oberhochstatt
Von der Bauernmilliarde geweckt

Bundestagsabgeordneter, Agrarsprecher der CSU-Landesgruppe und Landwirt: Artur Auernhammer im Gespräch

18.02.2020 | Stand 02.12.2020, 11:56 Uhr
Artur Auernhammer hat als Landwirt Verständnis für die Bauernproteste - nun hat sich einer auch gegen ihn gerichtet. −Foto: CSU

Oberhochstatt - In der Landwirtschaft brodelt es.

 

Proteste hagelt es in Berlin, in Nürnberg - und nun sogar in der Region. Auch beim Bundestagsabgeordneten Artur Auernhammer (CSU), der beim Zustandekommen der sogenannten Bauernmilliarde unwillentlich die Initialzündung lieferte. Dabei wollte er das gleiche wie die Bauern. Wir haben den Parlamentarier aus Oberhochstatt zu der Aktion und dem aktuellen Stand der Agrarpolitik befragt.

Herr Auernhammer, wie haben Sie die Protestaktionen bisher erlebt?
Artur Auernhammer: An sich begrüße ich die Demonstrationen, wenn sie im vernünftigen Rahmen ablaufen. So gab es bei Pleinfeld eine Blockade der Bundesstraße und in Weißenburg einen Flashmob. Nach der großen Schlepper-Demo in Berlin waren die Anwohner ganz verdutzt, dass keine Autos ausgebrannt waren. Dort ist man anderes gewohnt. Hier hat die Landwirtschaft eine positive Visitenkarte abgegeben.

Aber der Protest richtete sich ja auch gegen Sie persönlich. Wie konnte es soweit kommen, wo Sie ein Streiter für die Belange der Landwirte sind? Es ging wohl um die Bauernmilliarde?
Auernhammer: Genau. Vor der Sitzung des Koalitionsausschusses in der Nacht des letzten Januarmittwochs habe ich meinen dort vertretenen Parteifreunden Markus Söder und Alexander Dobrindt eingeschärft, dass wir eine Erleichterung der Düngeverordnung brauchen. Da ging es um die Möglichkeit, dass Felder mit ökologisch sinnvollen Zwischenfrüchten auch gedüngt werden dürfen, damit sie ihre Wirkung zum Erosionsschutz entfalten können. Das Umweltministerium in Händen der SPD ließ sich hier nicht bewegen. Man einigte sich darauf, Finanzmittel locker zu machen und den Landwirten vier Jahre lang mit jährlich einer viertel Milliarde Euro bei der Erfüllung der Vorgaben unter die Arme zu greifen. Tags drauf wurde ich mit der Meldung geweckt, dass es keine Verbesserungen gibt, aber Geld. Das war natürlich nicht in meinem Sinn und in dem der CSU und der Landwirte. Da konnte ich die Wut der Landwirte grundsätzlich schon verstehen. Unabhängig davon macht das Geld aber natürlich Sinn, wenn man es zielgerichtet einsetzt, um die Landwirte bei der Umsetzung der Düngeverordnung zu unterstützen.

Wie denn?
Auernhammer: Indem man zum Beispiel Kooperationen zwischen Wasserversorgern und Landwirten fördert und sie dafür honoriert, dass sie den Trinkwasserschutz gewährleisten. Das möchte ich gern bundesweit installieren. Und die Technisierung und Digitalisierung der Düngung vorantreiben, was punktgenaue Ausbringung ermöglicht. Ich setzte mich aber ebenso dafür ein, dass bis zu einer gewissen Güllemenge die Auflagen für solche kleinen Betriebe entschärft werden. Man kann einen solchen nicht zu etwas zwingen, was er nicht leisten kann. Gerade die kleinbäuerlichen Strukturen sollen geschützt werden.

In Sachen Düngeverordnung hat Deutschland ein handfestes Problem mit einer Klage aus Brüssel wegen Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie. Wie sieht die aktuelle Situation aus?
Auernhammer: Da drängt die Zeit. Bis zum dritten April muss hier eine Einigung erzielt werden, sonst drohen tägliche Strafzahlungen in Höhe von bis zu 800000 Euro. Am Ende würde die EU-Kommission die neuen Düngeauflagen ohne nationalen Einfluss festlegen, was ziemlich sicher Ungemach für die Bauern bedeutet. Sich zu einigen fällt aber schon innerhalb des Bundesgebiets schwer. Ein erster Entwurf der Nachbesserung ging einigen Bundesländern nicht weit genug, anderen aber zu weit - darunter Bayern.

An welchen Schrauben lässt sich denn drehen?
Auernhammer: Wichtig ist ein klares, einheitliches System der Nitratmessstellen. Die Einteilung in rote und grüne Gebiete muss gerecht und nachvollziehbar sein. Ich persönlich dränge auf eine Binnendifferenzierung. Das heißt, wenn die Werte stimmen, kann in einem großen belasteten beispielsweise auch ein kleiner unbelasteter Bereich liegen.

Gehen wir davon aus, dass es nicht zu einer Klage kommt und die in Einigkeit beschlossene nachgebesserte Düngeverordnung greift. Was bedeutet das für die Bauern?
Auernhammer: Das bedeutet zum Glück nicht, dass sie dann gleich zum 4. April greift, weil zunächst die Bundesländer ihre Landesverordnungen anpassen müssen. Faktisch würden die neuen Regelungen dann im Herbst greifen.

Die Proteste in Sachen Düngeverordnung und Bauernmilliarde bilden ja derzeit lediglich die Spitze einer ganzen Welle an Demonstrationen. Was hat diese eigentlich ausgelöst?
Auernhammer: Unter den Bauern hat es schon lange gegärt. Das Fass zum Überlaufen brachte das Agrarpaket der Bundesregierung, das unter anderem eine stärkere Umschichtung der Fördermittel von der ersten in die zweite Säule vorsieht. Also weniger Flächenprämie, mehr Geld für die Erfüllung von Umweltauflagen. Ich habe da auf einen minimalen Prozentsatz hingewirkt, was auch gelang. So beläuft sich der Betrag nun auf 4,50 Euro pro Hektar. Unser Koalitionspartner SPD wollte eine deutlich höhere Umschichtung.

Teil des Agrarpaket ist auch das Aktionspaket Insektenschutz mit einem Vorstoß der Kanzlerin, der Sie irritiert hat, oder?
Auernhammer: Mir war wichtig, dass die Maßnahmen beim Insektenschutz nicht über die Maßnahmen in Bayern hinausgehen und auch auf Bundesebene die Ergebnisse des Runden Tisches in Bayern einfließen. Meiner Meinung nach muss es nicht strenger, sondern besser werden, gemeinsam in Abstimmung mit der Landwirtschaft. In Folge der Proteste kam es dann zu dem Agrargipfel mit 40 Verbänden.

Sie haben nicht nur die Kanzlerin zum Überdenken der eigenen Position gebracht, sondern sich auch mit der Landwirtschaftsministerin angelegt. Worum ging es denn da?
Auernhammer: Julia Klöckner will ein freiwilliges Tierwohllabel. Sinnvoller ist meines Erachtens aber eine verbindliche Kennzeichnung, die von der Verarbeitungskette bis zur Herkunft das Lebensmittel rückverfolgbar macht. Das wiederum sollte europaweit verankert werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Wir wollen das Projekt jetzt während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft angehen.

Anfang Februar war es wieder Merkel, die zum Gespräch geladen hatte - mit Vertretern des Einzelhandels und des Deutschen Bauernverbandes.
Auernhammer: Das war auch dringend nötig. Es gibt unsägliche Werbekampagnen für Tiefstpreise von Lebensmitteln, die natürlich beste Qualität haben sollen. Erreicht wird beides oft durch Knebelverträge, die dazu führen, dass etwa ein Händler wie jüngst geschehen nur die Hälfte einer bestellten Salatmenge abnimmt und der Gemüsebauer die andere Hälfte zu Ramschpreisen abgeben muss. Ich selbst habe in Berlin im Supermarkt einen Stand gesehen, auf dem zynischer Weise eine "faire Milch" für gerade mal 39 Cent angeboten wurde. Da schüttelt auch der Verbraucher den Kopf - bevor er zugreift. Nun soll eine Zukunftskommission Landwirtschaft ihre Arbeit aufnehmen, die aber noch richtig in die Pötte kommen muss.

Apropos: Wie sieht denn die Zukunft im Agrarwesen aus?
Auernhammer: Technologie und Digitalisierung werden die Landwirtschaft immer stärker kennzeichnen. Gerade was Umweltschutz- oder Tierwohlbelange angeht liegen hier große Chancen. Daneben wird die Landwirtschaft auch durch "Field Robotic" gekennzeichnet sein, Feldroboter, die den Bauern viel Arbeit abnehmen. Durch die Technologie wächst die Landwirtschaft zusammen und der Unterschied zwischen biologischer und konventioneller Bewirtschaftung schwindet mehr und mehr dahin. Dazu sind noch Innovationen notwendig, aber es ist hier schon einiges unterwegs.

Unterwegs sind auch immer noch Bauern zu ihren Protesten.
Auernhammer: Das stimmt, aber es wird langsam eine Gratwanderung, die Stimmung droht zu kippen. Deswegen ist es wichtig, die öffentliche Diskussion jetzt zu nutzen, um etwas für die Landwirtschaft zu erreichen.

Da sind Sie ja gerade eifrig mit dabei?
Auernhammer: Mir wird nicht langweilig - täglich bestreite ich zwei Veranstaltungen mit landwirtschaftlichen Themen. Und einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb betreibe ich auch, dadurch sehe ich, wie sich das, was wir in Berlin beschließen, auf die Landwirtschaft vor Ort auswirkt.

Interview: Jürgen Leykamm