Ingolstadt
Von der Absicht, eine Mauer zu bauen

19.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt der Kupferstich des 1879 abgerissenen Hardertors von Carl Schleich, das mitten in der gleichnamigen Straße stand. Der Kopfbau des Entwurfs von Tobias Geis würde wenige Meter südlich des Gesundheitsamts direkt anschließen. - Fotos: DK-Archiv, Eberl

Projekt "Stadt der 100 Türme" - Masterstudenten der Fakultät für Architektur der TU München präsentieren ihre Ideen. OB Lösel plant Ausstellung im Kreuztor - will sich aber mit einem Förderprogramm auf die Sanierung der Türme konzentrieren.

Stadt der 100 Türme wurde Ingolstadt einst genannt. Ganz so viele waren es zwar nicht, aber sie prägten über Jahrhunderte die Ringmauer und das Erscheinungsbild der Stadt. Etliche sind verschwunden, viele wurden mehr oder weniger stark verändert. Zum 150. Geburtstag des Historischen Vereins hat OB Christian Lösel das Projekt "Stadt der 100 Türme" ins Leben gerufen. Die Stadt will mit dem Verein die Besitzer (fast alle dieser Gebäude sind in privater Hand) dazu anregen, die oft verschwundenen Zinnen als ein Markenzeichen der Stadtmauer wiederherzustellen. "Das ist ein wichtiges Thema", erklärt der OB, der sich für eine Sanierung der Türme stark macht. "Es gibt nur ganz wenige Städte mit so einer Stadtmauer."

Partner Ingolstadts ist der Architektur-Lehrstuhl "Entwerfen und Konstruieren" von Prof. Florian Nagler, Technische Universität München, der sich mit methodischem Entwerfen und den Fragen der direkten Umsetzung von analytischen Studien in konkrete Entwürfe befasst. Im Frühjahr 2017 begannen die Studierenden, sich mit der Stadtmauer und dem Projekt auseinanderzusetzen. Ein erster Schritt war dabei eine Bestandsaufnahme in Archiven und Sammlungen sowie Befragungen vor Ort, die jetzt als reich bebilderte Dokumentation wertvolle Erkenntnisse liefert. Ein zweiter Schritt war ein rund vier Quadratmeter großes Modell der Altstadt, bei dem nur die Stadtmauer die dritte Dimension eröffnet, was einen völlig anderen Blick liefert (DK berichtete).

Vor Kurzem präsentierte die Fakultät die Masterarbeiten zum Projekt "Stadt der 100 Türme". "Das Verhältnis der Stadtmauer zur historischen Bebauung, aber auch zu markanten neuzeitlichen und modernen Bauwerken wie dem Stadttheater, dem Katharinen-Gymnasium oder dem Gesundheitsamt, zu Grünanlagen, wichtigen Verkehrswegen und touristischen Anziehungspunkten wurde analysiert. Weiterhin wurden Veränderungen der Bausubstanz der Mauer während der vergangenen einhundert Jahre exemplarisch erfasst. Bauforschungen am historischen Bestand waren dagegen nicht Gegenstand der Untersuchungen", so der Ingolstädter Stadtarchäologe Gerd Riedel zusammenfassend. Neben der Dokumentation gehören konkrete Entwürfe zum Ergebnis des Projekts. "Vorrangiges Ziel war es dabei, die Stadtmauer nicht als Ansammlung einzelner Privathäuser, sondern als zusammenhängendes, herausragendes Baudenkmal und Alleinstellungsmerkmal der Stadt zu begreifen und erlebbar zu machen", so Riedel.

Zwei Arbeiten zeigen, wie man ausgewählte Mauerpartien und Türme modern nutzen und gleichzeitig als Teil der mittelalterlichen Stadtumwehrung öffentlich sichtbar machen könnte. Eine weitere Arbeit analysiert die Harderbastei. Die übrigen drei Arbeiten beschäftigen sich mit den markanten Lücken der Stadtmauer. Dies sind die Donaufront westlich der Konrad-Adenauer-Brücke, der Stadtausgang bei der Harderstraße sowie eine Art Rekonstruktion des neuen Feldkirchner Tores am Ende des Paradeplatzes, das 1875 abgebrochen wurde (das alte im Schloss will der OB bekanntlich wieder öffnen).

Dies alles sind jedoch nur Denkanstöße der angehenden Architekten, keine ausgereiften Pläne - und haben mit der Zielsetzung des OB nicht direkt zu tun. "Es geht ausschließlich um die Türme", betont Lösel, der im kommenden Jahr ein Förderprogramm auflegen will. Doch allein der Erkenntnisgewinn durch die detaillierte Dokumentation der Masterstudierenden lohnt den Aufwand. Zum Jahreswechsel ist eine Ausstellung der Modelle im Kreuztor geplant sowie eine Veranstaltung dazu.