Von Bierflaschen zu Pharmazieglas

25.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:39 Uhr

Die Kontrolle der Qualität ist unerlässlich.

Kipfenberg (DK) Hightech-Gläser für die ganze Welt – nichts weniger als das verlässt tagtäglich millionenfach die Produktionshallen der SGD Kipfenberg GmbH, um aus dem Altmühltal die Reise nach ganz Europa, Amerika und Asien anzutreten.

Als die Glashütte Kipfenberg im Jahr 1871 von dem ortsansässigen Brauer Johann Baptist Prinstner gegründet wurde, war eine solche Entwicklung nicht abzusehen. In den Anfangsjahren wurden vor allem Bierflaschen produziert, die damals noch allesamt mit dem Mund geblasen wurden. Ab den 1920er Jahren wurde die Produktion allmählich automatisiert, bis dann 1964 die erste vollautomatische Hochleistungsmaschine den Betrieb aufnahm.

Mit der Zeit änderte sich auch die Produktpalette. Es wurde so genanntes kleineres Gebrauchsglas hergestellt. Das führte dazu, dass, wer in 1960er Jahren einen Jägermeister trank oder sich mit dem Kölnischwasser 4711 auffrischte, höchstwahrscheinlich ein Glas aus Kipfenberg in den Händen hielt.

Mit der Übernahme der Glashütte im Jahr 1968 durch die französische Saint-Gobain-Gruppe – die seit 1971 Saint-Gobain Desjonquères (SGD) heißt – waren diese Zeiten allmählich zu Ende. Die Produktion von Gebrauchsglas wurde zurückgefahren, und die Kipfenberger begannen sich zu spezialisieren: auf Pharmazieglas. Damit wagten sie den Schritt hinein in die Hightechproduktion – und das mit bis heute durchschlagendem Erfolg.

Qualität als Prinzip

Ob Fünf-Milliliter-Injektions- oder 1000-Milliliter-Infusionsflasche: Kaum ein pharmazeutisches Produkt, das sich in deutschen Krankenhäusern findet, wurde nicht in Produkte aus Kipfenberg abgefüllt. "In Europa sind wir der Marktführer", sagt Geschäftsführer Rolf Hettich. "Und wir beliefern die zehn wichtigsten Pharmazieunternehmen der Welt mit absoluten Qualitätsgläsern."

Qualität ist in diesem Segment das Nonplusultra. Wichtig für ein Pharmazieglas ist vor allem, dass auch die aggressivsten Medikamente keinerlei Stoffe aus dem Glas herauslösen können, so dass sie verunreinigt würden. Aus diesem Grund wird für die Produktion kein Altglas verwendet, erläutert Schmelzmeister Bernhard Wolfsteiner. "Aus dem Altglas könnten sich eventuell Schwermetalle oder andere Stoffe lösen."

Dass die Qualität in Kipfenberg absolut im Mittelpunkt steht, hat einen Grund, auf den Rolf Hettich besonders stolz ist: "Für das Pharmazieglas gab es lange Zeit keine internationalen Standards." Daher habe man sich in den 90ern zusammengesetzt und eben solche Standards definiert. "Und die Vorgaben, die wir hier in Kipfenberg geschaffen haben, sind inzwischen weltweit die maßgebenden Kriterien für Qualität bei Pharmazieglas."

Dazu gehört auch, dass die Glasbehältnisse das Werk möglichst keimfrei verlassen müssen, weshalb sie, obwohl selbst ja nur Verpackung, im Prinzip wie Pharmazieprodukte behandelt werden. Zu diesem Zweck verfügt das Werk schon seit vielen Jahren über einen Reinraum. Die Mitarbeiter tragen Handschuhe, Kopfschutz und weiße Kittel, so dass es dort fast wie in einem Krankhaus anmutet.

Volle Auftragsbücher

Diese Akribie zahlt sich auch aus. Bei den besonders hochwertigen Flaschen für Blutplasma etwa decken die Kipfenberger nahezu 100 Prozent des Marktes ab. "Wir können uns nicht beschweren. Unsere Auftragsbücher sind absolut voll", sagt Geschäftsführer Rolf Hettich. Um das zu erreichen, waren in den letzten Jahren kräftige Investitionen nötig. Knapp 30 Millionen Euro kosteten 2002 und 2003 das neue Logistikzentrum, eine neue Schmelzwanne und ein neues Produktionsgebäude. Dazu gab es Umbauten für besseren Lärmschutz und eine Filteranlage für Feinstaub. Diese Maßnahmen waren laut Rolf Hettich wichtig: "Für uns war das die Standortsicherung. Seitdem haben wir die Produktion um 50 Prozent gesteigert." In Zahlen bedeutet dies, dass die 200 Mitarbeiter und 20 Auszubildenden jeden Tag zwei Millionen Gläser produzieren – über das Jahr hinweg verschicken sie 70 000 Tonnen Spezialglas in die ganze Welt.