Oberdolling
Vom Zuagroasten zum Einheimischen

Holger Kammerer und seine Familie haben ihr Glück in Oberdolling gefunden

08.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr
Trautes Heim: Nicole und Holger Kammerer mit ihren Töchtern Aline (links) und Fabienne im Garten ihres Hauses in Oberdolling. −Foto: Schmidl

Oberdolling (DK) „Oberdolling war einerseits irgendwie Zufall, andererseits aber doch wieder nicht.“ So fasst Holger Kammerer seine nunmehr 18 Jahre zusammen, in denen er schon in der Gemeinde lebt – inzwischen längst auch mit seiner Familie.

Kammerer kam 1999 „ganz alleine“ beruflich bedingt von Baden-Württemberg nach Ingolstadt. „Nein, nicht zu Audi. Es gibt hier auch noch was anderes“, schiebt er an dieser Stelle gleich ein. Und weil dieses „Andere“, das japanische Messtechnikunternehmen Mi-tutoyo, damals im Osten der Stadt in der Nähe der Autobahnanschlussstelle Ingolstadt-Nord angesiedelt war, gab es für den Maschinenbautechniker – das ist eben kein Zufall – bei der Wohnungssuche nach einem halben Jahr im Hotel aus praktischen Gründen nur die Orientierung Richtung Osten. „Ich wollte nicht jeden Tag zur Rush-Hour quer durch die Stadt fahren müssen“, begründet er diese Entscheidung durchaus nachvollziehbar.

Und noch etwas war kein Zufall: Weil der 46-Jährige aus einem 500-Seelen-Dorf in der Nähe von Rottweil am Neckar stammt, war für ihn „ein Wohnblock nicht vorstellbar“. Denn: „Ich war es gewohnt, Platz zu haben.“

Dass es unter diesen Prämissen letztlich Oberdolling wurde, war dann die Zufallskomponente, weil er eben dort eine passende Wohnung fand. Allerdings: „Allein und mit einer fremden Sprache“, wie er scherzt, sei ihm klar gewesen, dass er den ersten Schritt habe machen müssen, um integriert zu werden. Er spielte also in Oberdolling Fußball und Tennis, und dass er damals so gut aufgenommen worden sei, sei mit ein Grund, dass er – und inzwischen auch seine Familie – immer noch in Oberdolling lebe und sich dort auch wohlfühle.

2005 hatten sich dann Holger Kammerer und seine aus Neumarkt in der Oberpfalz stammende Frau Nicole (die Hochzeit fand 2009 statt) kennengelernt, im Oktober 2006 bezogen sie eine gemeinsame Wohnung – ebenfalls in Oberdolling. Doch als das Paar plante, ein Haus zu bauen, wurde es erst einmal schwierig. „Damals gab es in Oberdolling auch für Einheimische keine Bauplätze“, erinnert sich Kammerer, deshalb sei der Müllerberg erschlossen worden. Doch die Parzellen dort waren schnell weg. Die Kammerers haben deshalb „viel angeschaut“, auch in der Umgebung. Aber die meisten Parzellen waren für Holger Kammerer zu klein. „Wenn man aus der Tür gegangen ist, ist man quasi schon beim Nachbarn gestanden“, schildert er seinen überwiegenden Eindruck bei der Grundstückssuche.

Die Suche ging also weiter – immer unter den Prämissen „Platz haben“, „Nachbarn ja, aber nicht zu nah“ und „keine Anonymität in Blocks“. Daher war es für Nicole und Holger Kammerer „ausgeschlossen, nach Ingolstadt zu ziehen“. Wenn möglich, wollten sie am liebsten in Oberdolling bleiben, ansonsten wäre nur noch Neumarkt infrage gekommen. Ein Domizil etwa auf halber Strecke zwischen den beiden Orten hätten sie ebenfalls ausgeschlossen, erzählen sie, denn das hätte wieder einen kompletten Neuanfang bedeutet.

Aber dann hat sich doch noch alles zum Guten gewendet für die beiden. Bei der zweiten Erweiterung des Baugebiets „Am Müllerberg“ konnten sie eine gut 500 Quadratmeter große Parzelle erwerben, und auch dem folgenden Planentwurf für das Haus habe „die Gemeinde keine Steine in den Weg gelegt“. Zwischen der ursprünglichen Erschließung des Baugebiets „Am Müllerberg“ und dessen zweiter Erweiterung hätten die Preise zwar einen Sprung von rund 100 auf etwa 140 Euro pro Quadratmeter gemacht, sie seien damit damals aber immer noch erst ungefähr halb so hoch gewesen wie in Neumarkt. Aber eines stellen die beiden klar: „Wenn uns diese Möglichkeit nicht geboten worden wäre, wären wir heute nicht mehr hier.“

So aber konnten die Kammerers im November 2010 ihr neues Heim beziehen, in dem mittlerweile auch die fünfjährige Aline und die zweijährige Fabienne wohnen. Ein Neuanfang blieb ihnen damit erspart. Holger Kammerer ist inzwischen stellvertretender Leiter der Tennisabteilung des SV Dolling, wo auch seine Frau längst begonnen hat, den Schläger zu schwingen.

Der Zufall wollte es, dass sich für den 46-Jährigen noch ein weiterer Vorteil ergeben hat. Sein Arbeitgeber ist 2013 in die Nähe des Ingolstadt Village und damit noch näher an Oberdolling heran gezogen. Und auch die 37-jährige Nicole Kammerer muss – wenn sie nach der Kinderpause wieder zu arbeiten beginnt – nicht durch den Stadtverkehr, um zu ihrem Arbeitgeber Kessel in Lenting zu kommen.

Das Glück vollkommen macht für die Familie, dass auch die jüngere Tochter Fabienne einen Platz in der Kita in Oberdolling bekommt. Gerade hinsichtlich dieses Themas sieht Holger Kammerer schon einen Wandel in der Gemeinde. Angesichts von „Zuzüglern ohne Omas“ müsse die Gemeinde genügend Kitaplätze zur Verfügung stellen. „Da muss die Gemeinde reagieren, und sie hat es auch getan“, lobt er. Und für die Integration von Zuagroasten, wie er selbst einst einer war, habe Oberdolling noch etwas „Phänomenales“ geschaffen – das Vereinszentrum „D’Roßschwemm“, wo er selbstverständlich auch als inzwischen „Einheimischer“ hingehe.

OBERDOLLING

Der Siedlungsdruck hat nicht nur die Großstadt Ingolstadt im Griff. Wohnraum ist knapp. In der Serie „Leben im Speckgürtel“ beleuchten wir die Situation in den Gemeinden rund um Ingolstadt: Heute geht es um Oberdolling. Der Ort mit rund 1300 Einwohnern liegt knapp 20 Kilometer entfernt von der Stadtmitte Ingolstadts. Bürgermeister Josef Lohr will „weiter versuchen, Baugebiete auszuweisen“, denn auch bei der letzten Vergabe seien neben mehreren auswärtigen Bewerbern auch nicht alle einheimischen Interessenten zum Zug gekommen. Im jüngsten Baugebiet „Oberdorfer Berg West“ liegen die Grundstückspreise laut Lohr bei etwa 180 Euro pro Quadratmeter. | DK