Pfaffenhofen
Vom Wehrturm zum Wohnsitz

<DK-XY_trifft>HÄUSER ERZÄHLEN GESCHICHTEN: </DK-XY_trifft>Der Stadtturm an der Oberen Stadtmauer 17

28.05.2020 | Stand 23.09.2023, 12:10 Uhr
Ursula Beyer
Der ehemalige Stadtmauerturm mit einem Teil des Wehrgangs ist aufwendig wieder in den Originalzustand versetzt worden. −Foto: Beyer

Pfaffenhofen - Fast völlig niedergebrannt wurde Pfaffenhofen 1388 im Krieg des Schwäbischen Städtebunds gegen die bayerischen Herzöge.

Der Wiederaufbau begann mit der Pfarrkirche und einer Schutzmauer, von der Teile noch heute existieren, zum Beispiel der Stadtturm an der Oberen Stadtmauer 17.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg war die Mauer kein sicherer Schutz mehr, da es stärkere Waffen gab. Deshalb wurde sie weitgehend abgebrochen und dieser Wehrturm zu Wohnzwecken genutzt. Seit 1676 wechselten die Eigentümer recht häufig. Da gab es zum Beispiel einen Nagelschmied, einen Kupferschmied, einen Schreinermeister, einen Bäckermeister, aber auch weniger wohlhabende Leute wie Taglöhner und Hilfsarbeiter. Auch Umbauarbeiten wurden vorgenommen, deshalb sah der Bau Mitte des 20. Jahrhunderts ganz anders aus, ehe der Originalzustand wiederhergestellt wurde: Ende der 1970er Jahre war der Stadtturm baufällig. Und ehe sie ihn abreißen wollte, trat die Stadt an Claus Hipp, den Chef der bekannten Babykostfirma, heran mit der Frage, ob er Interesse an dem Baudenkmal habe, denn er hatte ja schon die Wallfahrtskirche Herrnrast restaurieren lassen. Zum Glück für Pfaffenhofen griff er zu, um unter großem Aufwand den ursprünglichen Zustand möglichst originalgetreu wieder herzustellen - in Absprache mit den Denkmalbehörden.

Claus Hipp kaufte nicht nur den Turm, sondern auch das südlich angrenzende Nachbargebäude, das er abreißen ließ, so dass die Außenseite der Wehranlage von der Schulstraße aus wieder sichtbar wurde: der Turm und ein Stück Mauer mit Wehrgang. Alte Stadtansichten zeigen, dass die Giebel der Stadttürme immer gemauert und nach außen gerichtet waren. So steht der Turm auch heute wieder da.

Die der Innenstadt zugewandte Fassade zeigt jedoch ein anderes Bild. Bei Untersuchungen der Bausubstanz stellte sich nämlich heraus, dass der obere Gebäudeteil einschließlich des Wehrgangs aus Holz bestand. Hier wurde der Putz abgenommen, so dass die seltene Ständerbauweise wieder sichtbar wurde. Die Originalbalken des Wehrgangs waren leider nicht mehr verwendbar und wurden ausgetauscht gegen andere alte Balken. Auch Ziegel mussten ersetzt werden. Aber wo gab es historische Ziegelsteine? Sie fanden sich ganz in der Nähe, denn etwa zur gleichen Zeit wurde das alte Pfarrhaus in der Scheyerer Straße abgerissen und auf dem Areal fanden Ausgrabungen statt. Der archäologische Abraum lieferte das benötigte Baumaterial für die Restaurierung des Stadtturms.

Zur Isolierung kam je eine Lage Schurwolle zwischen die Holzbalken. Wolle ist allerdings ein tierisches Produkt und steht auf dem Speiseplan von Motten. Folglich war die Isolierung bald zerfressen. Sie musste herausgesaugt und durch Pflanzenfasern ersetzt werden. Auch der Holzwurm bleibt eine stete Gefahr.

Ein paar Jahre lang beherbergte der restaurierte Turm einen Verein, bei dem Claus Hipp seit nun bald 40 Jahren Mitglied ist: den Heimat- und Kulturkreis Pfaffenhofen. Und Seit Ende der 1980er Jahre wohnt darin Sebastian Hipp, Sohn und Partner des Firmeninhabers.

Wie lebt es sich in diesem Baudenkmal? "Recht kühl", antwortet Sebastian Hipp. Frieren muss er jedoch nicht, denn bei der Restaurierung wurde im Erdgeschoss ein Grundofen eingebaut. Das ist eine gemauerte Feuerstelle, ähnlich einem Kachelofen. Seine Schamotte-Steine erwärmen sich zwar nur langsam, bleiben dann aber 24 Stunden lang warm. Damit wird der ganze Turm beheizt.

Eine Treppe befindet sich nur im seitlichen Wehrgang. Sie führt vom Erdgeschoss in den ersten Stock. Im Turm selbst liegt je ein Raum über dem anderen, nur mit Leitern verbunden, die in den zweiten und dritten Stock führen.

Weil sich das Gebäude langsam nach der Stadtmauer-Innenseite neigt, sind auch die Fußböden schief. Deshalb hat das Bett, das Sebastian Hipp einbauen ließ, auf der einen Seite drei Zentimeter längere Beine, wie er humorvoll erzählt.

Heutzutage ist das Baudenkmal ein beliebtes Foto-Objekt bei Stadtführungen wegen seiner ungewöhnlichen Holzfassade, dem elegant geschweiften Dachstuhl und dem hübschen Kamintürmchen.

Claus und Sebastian Hipp sind der Heimat und ihrem kulturellen Erbe sehr verbunden - zum Wohl der Stadt Pfaffenhofen und ihrer Umgebung.

Zur Autorin: Ursula Beyer (71) ist Gymnasiallehrerin im Ruhestand und als Vorsitzende des Heimat- und Kulturkreises engagiert sie sich ehrenamtlich für den Denkmalschutz in Pfaffenhofen. In dieser Serie erzählt sie die Geschichten markanter Gebäude und Baudenkmäler in Pfaffenhofen.

Ursula Beyer