Greding
Vom Stift zum Vorstandsvorsitzenden

Willi Hussendörfer geht nach 49 Jahren bei der Raiffeisenbank in den Ruhestand - "Da muss eigentlich alles passen"

26.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:34 Uhr
  −Foto: Karch, Andrea, Thalmaessing

Greding/Thalmässing - Vor 49 Jahren hat Willi Hussendörfer als Auszubildender am 1. August bei der Raiffeisenbank in Thalmässing zu arbeiten begonnen, genau an diesem Tag fast ein halbes Jahrhundert später geht er in Ruhestand - als Vorstandsvorsitzender.

Das Rezept für ein langes Arbeitsleben im selben Unternehmen? Da muss Hussendörfer nicht lange überlegen: "Da muss eigentlich alles passen. "

Deshalb hat er noch zwei Jahre weitergearbeitet, obwohl er schon mit 63 Jahren in Rente hätte gehen können. "Das ist meine Bank", sagt er mit Blick auf das Haus in Thalmässing, in dessen Vorgängergebäude er am 1. August 1971 seine Lehre begonnen hat. "Als ich mein Moped an die Linde angelehnt habe, haben Dieter Scholz, Frau Rothneder und Herr Manke aus dem Fenster des alten Rathauses geschaut", erinnert sich Hussendörfer mit einem Lächeln. "Die wussten genau, dass an dem Tag ein neuer Stift anfängt. "

Der damalige Geschäftsführer Friedrich Wagner hatte einmal erwähnt, dass er einen Auszubildenden gebrauchen könnte. "Einen Traumberuf hatte ich nicht. " Also hat der damals 16-Jährige in der Bank angefangen. Mit einem Nachbarn, der in der Raiffeisenbank in Roth gearbeitet hat, konnte der junge Mann von seinem Wohnort Reichersdorf nach Thalmässing mitfahren. "Da habe ich dann jeden Früh eine halbe Stunde vor dem Haus gewartet bis mir Friedrich Wagner den Schlüssel zur Bank anvertraut hat. "

Klein und überschaubar war damals noch die Bank: Zu viert wurde das Geschäft betrieben, heute sind in der Raiffeisenbank Greding-Thalmässing 50 Mitarbeiter beschäftigt. Der Kreditbestand der Bank betrug 1971 umgerechnet 1,1 Millionen Euro, erinnert sich Hussendörfer und blickt schmunzelnd auf die Jahresbilanz 1971. "Diese Kreditsumme braucht ein Kunde heute locker für sich. "

Auch die Zahl der Girokonten war damals noch recht überschaubar. "Es gab zu der Zeit Sammelkonten für Überweisungen an die Krankenkassen oder das Überlandwerk. " Von der Molkerei wurde damals noch die Abrechnung des Milchgeldes an die Raiffeisenbank geschickt und bar an die Bauern ausbezahlt. "Es wurde alles bar geregelt, auch die Löhne", erzählt Hussendörfer, der selbst auch noch mit Bargeld entlohnt wurde.

Zinsprogramme, die auf Knopfdruck die richtigen Zahlen ausspucken, gab es auch noch nicht. "Deshalb hat man im Herbst angefangen, die Zinsen für Sparbücher auszurechnen - manuell. " Viel Bewegung gab es auf den Sparkonten nicht, oft wurde nur einmal im Jahr der Ertrag der Getreideernte einbezahlt. Mit Friedrich Wagner war der Auszubildende auch viel im Außendienst unterwegs. "Wir haben Kontoauszüge gebracht, so weit die Kunden schon ein Girokonto hatten, Überweisungen geschrieben und Bargeld ausbezahlt. " Später sei es mehr um Beratungen gegangen. "Da bist du bei den Kunden bekannt geworden und hast Vertrauen aufgebaut. "

Drei Jahre hat Willi Hussendörfer als Bankkaufmann gelernt, dann seinen Grundwehrdienst abgeleistet. Von 1980 bis 1982 hat er im Abendstudium die Bankakademie absolviert, verschiedene Fortbildungen in Grainau besucht und 1992 vier Monate lang in Montabaur das Rüstzeug für einen neuen Posten bekommen: Denn der Aufsichtsrat hatte in dem Jahr beschlossen, ihn zum Vorstand zu ernennen.

Das Jahr 2000 war eine wichtige Zäsur in der Geschichte der Bank: Die Raiffeisenbanken in Greding und Thalmässing fusionierten und Willi Hussendörfer wurde 2001 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Greding-Thalmässing. In den vergangenen Jahren ist vieles erneuert worden: die Geschäftsstelle in Greding 2003, die in Alfershausen 2011 und die in Thalmässing 2014. Ein kompletter Neubau wurde 2006 in Eysölden errichtet.

Daneben gab es auch andere Herausforderungen und Probleme zu meistern, den Schwarzen Montag 1987, den Golfkrieg 1990 und die daraus resultierende große Verunsicherung an den Märkten oder auch die Umstellung auf das neue Jahrtausend. "Da bin ich noch in der Silvesternacht in die Bank und habe am Geldautomaten nachgeschaut, ob alles passt", blickt Hussendörfer zurück. Schon zwei Jahre später folgte die nächste Herausforderung: die Umstellung von Mark auf Euro. Weniger positiv hat er andere Themen in Erinnerung: die Lehmann-Pleite 2008 und die damit verbundenen Krisen, die Staatsschuldenkrise, die Griechenlandkrise, Unsicherheiten wegen des Brexits und des drohenden Handelskriegs. Und auch in diesen unsicheren Zeiten musste die Bank Entscheidungen treffen, wie die Zinsen gestaltet werden oder auch welche Wertpapiere die Bank kauft. "Wir haben es immer wieder geschafft, diese Herausforderungen zu meistern", sagt er mit unverhohlenem Stolz. Das hat er jetzt auch Schwarz auf Weiß: Die Bank wurde heuer im Analysesystem des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) als A Bank geführt und im Klassifizierungssystem des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) wurde mit A++ das beste Ergebnis erreicht. "Wir sind sehr gut unterwegs. "

Diese guten Ergebnisse, das unterstreicht Hussendörfer immer wieder, könne man nur gemeinsam erreichen, mit allen Mitarbeitern, den Geschäftsstellenleitern und auch dem Aufsichtsrat. Die Treue zum Raiffeisenbank ist auch bei den Aufsichtsratsvorsitzenden zu spüren: In diesen 49 Jahren hat er mit Willi Meyer aus Morsbach, Josef Schraufstetter aus Euerwang und Gerhard Lang aus Obermässing nur drei Aufsichtsratsvorsitzende, die das Amt ja ehrenamtlich ausüben, erlebt.

Manchmal habe man aber auch unpopuläre Entscheidungen treffen müssen wie die Schließung der Geschäftsstelle in Alfershausen sowie der Lagerstätten in Attenhofen, Kleinnottersdorf, Kraftsbuch und Offenbau, die nicht mehr gebraucht wurden. "Es gehört auch dazu, etwas aufzugeben, um sich weiterzuentwickeln", betont Hussendörfer. Entscheidend sei immer der Förderauftrag, den die Bank als Genossenschaft habe. "Einzelinteressen dürfen nicht dominieren. "

In Zeiten der Null-Zins-Phase müsse die Bank versuchen Kosten zu reduzieren, aber gleichzeitig in neue Hardware und Software investieren. "Die Kunden müssen wissen, dass ihre Bank eine zuverlässige Adresse ist, Jahr für Jahr und nachhaltig. " Deshalb bedeute der Wechsel im Vorstand, der im Sommer ansteht, auch nicht, dass irgendeine Geschäftsstelle geschlossen werde.

Das Rentnerdasein lässt der "Raiffeisen-Willi" - manche Thalmässinger wissen auf Anhieb den richtigen Nachnamen von Willi Hussendörfer gar nicht - auf sich zukommen. Mit was er sich in seiner Freizeit dann beschäftigen wird, weiß der 64-Jährige heute noch nicht. Aber eines weiß er genau: "Ich wusste damals nicht, was in dem Beruf auf mich zukommt. Aber mit dem heutigen Wissen sage ich: ,Ich würde den Beruf wieder erlernen'. "

HK

Andrea Karch