Ingolstadt
Vom Schandfleck zum Schmuckstück

Über 25 Jahre verfiel das Mittelalterhaus in der Schulstraße – jetzt ist es saniert

23.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:55 Uhr

Ortstermin: Architekt Andreas Mühlbauer (l.) und Helmut Grabmann besichtigen die Wohnung unterm Dach.

Ingolstadt (DK) Über 25 Jahre hinweg bot sich der trostlose Anblick: Das verfallene Haus in der Schulstraße 9 und die Baulücke daneben waren ein Schandfleck in der Altstadt. Nun ist das sanierte Denkmal in seiner schmucken Haut kaum wiederzuerkennen. Vier neue Wohnungen sind entstanden.

Dazu sieben weitere im benachbarten Neubau. Projektentwickler Helmut Grabmann sucht schon Mieter (der Quadratmeterpreis liegt im Schnitt bei rund 11,80 Euro). Doch vorerst bevölkern noch Handwerker die Häuser. Die Wand im Treppenhaus des denkmalgeschützten Gebäudes ist gespickt mit Heizstäben, die das Gemäuer austrocknen. Auf der Terrasse verlegt Zimmermann Lars Georgi die letzten Holzdielen.

Der Fachmann aus Sachsen hat auch den alten Dachstuhl hergerichtet. „Als wir vergangenen Winter zum ersten Mal in das Haus kamen, klaffte ein riesiges Loch in der Gaube, Efeu wucherte ins Innere und auf der Treppe lag der Schnee einen halben Meter hoch“, erinnert sich Architekt Andreas Mühlbauer an das Ausmaß der Zerstörung. Der Dachstuhl stammt original aus dem Mittelalter, wie dendrochronologischen Untersuchungen ergaben. Verwendet wurde damals traditionell Weichholz aus dem Allgäu.

Das dreigeschossige Wohnhaus taucht in der Tat schon im Sandtner-Stadtmodell von 1572/73 auf. „Die Schulstraße war eine typische Gasse der Handwerker“, erzählt Architekt Mühlbauer. Hutmachern gehörte das Gebäude lange Zeit. 1865 dann ließ der Hafnermeister Paulus Auernhammer im zur Werkstatt umfunktionierten Erdgeschoss einen Brennofen errichten. „Das Haus wurde durch den Umbau verkürzt“, erklärt der Architekt. „Deshalb mussten wir ein Ständerwerk errichten, um den Dachstuhl zu stabilisieren.“

Allzu hoch gewachsen sollten die künftigen Bewohner der Dachgeschosswohnung jedenfalls nicht sein, denn durch alle Räume ziehen sich in Kopfhöhe die massiven Holzbalken des offenen Dachstuhls – sogar im Tageslichtbad. Ansonsten ist Ducken angesagt. Solche Zugeständnisse beim Wohnkomfort macht jedoch der besondere Charme des historischen Ambientes locker wett. „Die Sanierung war sehr aufwendig und erforderte viele Gespräche mit der Denkmalschutzbehörde“, sagt Grabmann und lobt im gleichen Atemzug die „angenehme Zusammenarbeit“ mit dem Stadtplanungsamt. Etwa 600 000 Euro habe allein die Sanierung gekostet.

Vor allem glänzt das sanierte Haus durch sein Äußeres. „Die Fassade ist ein richtiges Schmuckstück“, meint Mühlbauer mit Blick auf den hellgrauen Anstrich, der sich an alten Befunden orientiert. Häufig bleiben Passanten stehen, um sich das Haus anzuschauen. „Sogar eine ehemalige Eigentümerin hat hereingeschaut und war ganz begeistert, was aus der Ruine geworden ist.“

Das Denkmal in der Schulstraße ist das 22. Altstadthaus, das Sanierungsexperte Grabmann wiederbelebt hat. Der Geschäftsmann nimmt bereits ein neues Projekt in der Altstadt ins Visier: „Mein bisher größtes Vorhaben mit über neun Millionen Euro Investitionsvolumen und 37 neuen Wohnungen.“