Nürnberg
Vom Friedhof bis zum Kopierer

Was auf den Tagesordnungen in Kirchenvorständen steht und wie die Gremien so drauf sind

19.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:43 Uhr
Jutta Olschewski

Nürnberg (epd) Keine Kirchengemeinde ist gleich: die eine ist arm, die andere reich, eine auf dem Land, die andere an einer abgasbelasteten Großstadtstraße.

Aber gleich ist: alle brauchen einen Kirchenvorstand. Fragt sich mancher, was die in diesem Gremium so tun.

Die Kandidaten sind gefunden. Die Wahlzettel versandt. Am 21. Oktober können die evangelischen Christen im Freistaat mit ihren Kreuzchen bestimmen, wer sie im Kirchenvorstand vertritt. Wer nicht im Gremium sitzt, weiß selten, wie es darin zugeht. Das Kirchenkabarett "Das weiß-blaue Beffchen" hat einen Sketch über die Sitzung eines Kirchenvorstands im Programm - in dem sind die Protagonisten coole Dampfplauderer oder den Herrn Pfarrer anhimmelnde Damen, die Entscheidungen auf den Sankt-Nimmerleinstag vertagen oder die Verantwortung ihrem Seelsorger zu schieben.

Der Evangelische Pressedienst wollte wissen, wie es wirklich ist, und beobachtet eine Kirchenvorstandssitzung in der Südstadt in Nürnberg. Die Sitzung beginnt mit einer kurzen Besinnung. Die Stadt-Kirchenvorstände treffen sich im fensterlosen Besprechungsraum, haben nach knapp zwei Stunden ihre Tagesordnung abgearbeitet und gehen danach in den Biergarten. Die auf dem Land sitzen im Gemeindesaal, lassen sich von den Strahlen der Abendsonne die Nasen kitzeln, hören den Brunnen auf dem Kirchplatz plätschern, die dreistündige Sitzung endet um 22.30 Uhr.

"Also ihr Lieben", Pfarrer Bernd Reuther, erster Pfarrer in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche in Nürnberg, klappt sein Notebook auf und öffnet die Datei mit der Tagesordnung. Es geht unter anderem um Finanzen. Die Lage der Kirchengemeinden im Süden Nürnbergs ist nicht rosig. Um beinahe ein Viertel ist die Zahl der Gemeindeglieder in den vergangenen Jahren zurückgegangen, deshalb gibt es immer weniger Schlüsselzuweisungen der Landeskirche.

Schon lange wird an Strukturen gearbeitet, um zusammen mit den Nachbargemeinden einen bevorstehenden Personalabbau zu verkraften. Bernd Reuther informiert, die Männer und Frauen im Gremium haken nach. Beim Tagesordnungspunkt "Rückblick auf die Kirchweih" wird es lebhafter. Der Musikverstärker "hat die Grätsche gemacht", das kostet wieder. Aber nicht nur der Marmeladenverkauf war ein Erfolg. Auch Gulasch und Kuchen gingen gut. "Da hat sich die Vesperkirche ausgewirkt, es waren viel mehr Besucher da", sagt Vertrauensfrau Christa Schmeißer. Seit die Gemeinde im Winter sechs Wochen lang das große Sozialprojekt Vesperkirche in Nürnberg ist, kennen sie auch viele Nichtkirchgänger.

Ein Projekt, das den Kirchenvorstand in den vergangenen sechs Jahren viel Schweiß gekostet hat, das aber die Leute auch zusammenschweißt. Evelyne Meissner erinnert sich: "Wir haben im Kirchenvorstand jahrelang nach einer zündenden Idee gesucht, was man machen kann. Von Urnen in der Kirche war die Rede. Aber Menschen in der Kirche gefällt mir besser". Kirchenvorstandskollegin Heidimaria Lattemann findet auch, dass mit der Vesperkirche viel bewegt wurde: "Wir versuchen Zukunft zu gestalten, das finde ich schön". Daher lässt sich die quirlige Frau, die eigentlich nicht einem Gremium angehören wollte- "weil ich allein schneller und effizienter bin" - wieder in den Kirchenvorstand wählen. Sie liebe diese "diszipliniert-freundschaftliche Runde".

Jutta Olschewski