Vom Einhornschnitzel zum Biesel-Prophy-Lachs

Tierischer Spaß mit dem Café Unterzucker zum Abschluss des Münchner Kuckuck-Festivals

19.07.2021 | Stand 23.09.2023, 19:51 Uhr
Rotzfrech und mit Tiefgang: Greulix Schrank, Toni Gruber, Richard Oehmann, Evi Keglmaier und Tobias Weber in München. −Foto: Witzke

München - "Servus", grüßt die Band. "Hallo", grüßt das Publikum zurück. Worauf Richard Oehmann mit gespielter Empörung etwas von "Servuswüste München" murmelt, nach seiner geblümten Show-Jacke verlangt, die perfekt zur kurzen Hose und den Barfüßen passt - und loslegt: "Nenn mich nicht mehr Häselein" ist der Auftakt des Open-Air-Konzerts im Innenhof des Münchner Stadtmuseum, der Titelsong des neuen Albums von Café Unterzucker.

Und er handelt davon, dass die Kinder brav alles mitmachen, was die Erwachsenen so verlangen. Man möge sie aber bitte bloß nicht mehr mit peinlichen Kosenamen in der Öffentlichkeit traktieren. Da mag sich mancher durchaus ertappt gefühlt haben von den Großen. Und bei den nicht mehr ganz so Kleinen hat die Band damit schon beim ersten Lied volle Punktzahl erreicht.

Immerhin: Cafe Unterzucker will jung und alt gefallen, versteht sich - vollkommen zu Recht - als "Band für humorbegabte Familien" und setzt an diesem Sonntagnachmittag einen fulminanten Schlusspunkt hinter das Festival "Kuckuck". Mit Aberwitz und schrägen Songs sorgen sie für viel gute Laune in einer entspannten Konzertatmosphäre.
Denn Richard Oehmann, bestens bekannt durch Doctor Döblingers geschmackvolles Kasperltheater und das Nockherberg-Singspiel, und seine musikalischen Mitstreiter Tobias Weber (Gitarre), Anton Gruber (Blues Harp), Greulix Schrank (Schlagzeug) und Evi Keglmaier (Tuba) greifen Alltagsthemen auf und machen daraus so respektlos wie treffsicher Ohrwürmer ohne Genregrenzen zum Schlapplachen. Rock, Blues, Shanties, Bluegrass, Country und Western. Für alle Kinder und deren Begleiter.

Vom "Sonnenbrand" über den Geburtstag bis zum Zeltlagerschlager "Bitte Mammi hol mich ab" - nach einer wahren Begebenheit einer Kinderfreizeit am Staffelsee. Und welches Elternteil kennt nicht das Thema des prophylaktischen Toilettengangs bei seinem Sprössling? Ein Highlight ist deshalb der Song "Lachse" mit der hübschen Textzeile: "Gut getimtes Bieseln ist eine Frage des Geschmacks, biesel wie ein Profi, sei ein Biesel-Prophy-Lachs."

Überhaupt tauchen viele Tiere auf dem neuen Album auf. Ein Schwarm rockiger "Geisterreiher" zieht über das Publikum hinweg. Ein mysteriöser Puma hinterlässt im Zimmer nichts als Blues und Gestank. Das Einhornschnitzel wird mit mindestens "Sixteen Tons" Preiselbeeren serviert. Und das fehlende Quietschen der Badeente baladesk beklagt.

Und weil man ja vor allem Lehrreiches zum Besten geben will, wird der Klassiker "Guantanamera" kurzerhand pandemisch passend umgedichtet zu "Quarantaramära" samt Refrain "Wascht Euch die Hände".

Viel zu lachen gibt es immer dann, wenn der Chor der Romantiker zugange ist. Dann klatscht sich Toni Gruber, der so virtuos die Mundharmonika spielt, mit den Fingern einen braven Scheitel in die Frisur, spricht eine Oktave höher und fordert als Chorleiter vor allem Disziplin, während Richard Oehmann, Greulix Schrank und Tobias Weber prollige Posen einnehmen und finster schauen. Ansage: "Wir versuchen zu stinken - und wer rülpsen kann, der kann das jetzt tun. Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt!" "Wir wollen Zartgefühl", brüllt der Chor der Romantiker - und stimmt das Lied vom Eismann-Seemann an. Ein Unfug-Lied par excellence! Und auch das "Freiheitslied" wird - "Juheißa juhei!" - vom Chor renitent, rotzfrech und mit Tiefgang zelebriert.

Café Unterzucker steht für Schmarrn und Anarchie, Musik in allen Lebenslagen und Konzerte im Hüpf- und Schleudergang. Man muss sie unbedingt laut hören!

BILANZ KUCKUCK-FESTIVAL

Letztes Jahr musste "Kuckuck", das "Theaterfestival für Anfänge(r)" pandemiebedingt ganz entfallen und obwohl es auch heuer schwierig war, planten die künstlerischen Leiter Mascha Erbelding (Münchner Stadtmuse-um/FigurenTheaterForum), Andrea Gronemeyer (Schauburg) und Alexander Geurtzen (Evangelische Familienbildungsstätte Elly Heuss-Knapp) eine Sommerausgabe des Festivals vom 9. bis 19. Juli. Der Erfolg gab den Organisatoren recht: Alle Vorstellungen waren ausverkauft. Besondere Formate waren dabei die Spiellandschaft Playscape Deluxe im Innenhof des Stadtmuseums, zwei Open-Air-Konzerte für Kinder und der Walk-Act "One Man Zoo" von Ariel Doron, der an verschiedenen Orten in München unterwegs war. Optimistisch schauen die Festivalmacher in die Zukunft - das nächste "Kuckuck"-Festival ist vom 11. bis 21. März 2022 geplant.

DK

Anja Witzke